Dave Eggers, DER CIRCLE, Kiepenheuer &Witsch, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Als im August Dave Eggers Roman auf Deutsch erschien, wurde er mit großem Tamtam als zukunftsweisende literarische Analyse unserer digitalen Welt gefeiert, gegen Ende des Jahres hieß es dann zunehmend, der Roman sei maßlos überschätzt.

 

Die Wahrheit liegt in der Mitten, denn einerseits ist DER CIRCLE zwar kein Science fiction und damit auch keine sozialkritische Ahnung vom Morgen, andererseits faßt er aber alle gegenwärtigen Bewegungen der Social-Media-Welt derart konsequent zusammen, daß daraus etwas Neues, etwas ganz und gar Totalitäres wird, was man mit dem Großem Bruder durchaus vergleichen kann. Der große Unterschied zu George Orwells 1984 und auch zu Aldous Huxleys SCHÖNE NEUE WELT ist jedoch, daß es hier keine Staatsgewalt ist, die den Bürger überwacht und steuert, sondern daß ein privatwirtschaftlicher Konzern Herrscher der Welt wird, dem sich die Kunden – denn sie zahlen ja dafür – von alleine und noch dazu gerne unterwerfen.

 

Von daher gibt es auch nicht die politische Dichotomie von staatlicher Gewalt und ihren Bürgern, sondern die aus der Kaufwelt bekannten: vom Verkäufer und Käufer. Es paßt, sich den Internetkonzern CIRCLE als eine Zusammenführung von Google, Apple, Amazon Facebook, Twitter und weiteren sozialen Medien vorzustellen, wo dazuzugehören, einen eigenen individuellen Wert erhält und eine soziale Heimat bedeutet. Stark auch das Titelbild von Buch und Hörbuch, das eine App suggeriert, wo inmitten das 'c' schon wieder den Kreis zeigt, denn es zu schließen gilt, damit kein Kunde – und am Schluß soll dies die ganze Welt sein - noch entweichen, sich ausschließen kann.

 

Interessant auch der Name und Begriff des Konzern als CIRCLE, was aus dem Englischen übernommen wurde, weil die deutsche Übersetzung als Kreis wohl zu eindimensional erschien, denn der Zirkel, der durch den Rundschlag den Kreis erst bildet, ist darin nicht enthalten und auch nicht das Verb zirkulieren, das eine Grundvoraussetzung der Ökonomie ist. Aber wir sind schon mitten im Thema, wenn man hinzufügt, daß der Roman davon handelt, daß mit gezielter Absicht der Kreis von CIRCLE geschlossen werden soll, so daß für die Kunden dieses globalen digitalen Unternehmens, die ja alle freiwillig Mitglieder geworden sind, das Leben nur noch innerhalb des Unternehmens – nicht örtlich, es geht um Internet – stattfindet.

 

Die „gezielte Absicht“ bei diesem Vorhaben bezieht sich auf die drei Weisen – nein, nicht aus dem Morgenland, sondern die Konzerngründer -, die das vorhaben, aber auch auf die junge Frau Mae, die ihre spezielle Protagonistin des total überwachenden und total versorgenden Molochs wird, der als transparentes System verkauft wird.

 

Mit der 24jährigen Mae Holland, die gerade überglücklich ihren neuen Job beim CIRCLE antritt - sie wähnt sich im Himmel – , erleben wir mit der Hauptfigur des Romans nun ihren Aufstieg in der Firma, auch die Momente, an denen es abwärts gehen könnte. Wir erkennen und verfolgen, wie sie Stück für Stück ihre eigene, doch unverwechselbare Person aufgibt, zugunsten einer allgegenwärtigen, gut gelaunten, zu allem bereiten Firmenfrau, die ihr Glück daraus gewinnt, daß sie für jegliche Äußerung in der Kommunikation mit den Kunden – der Gemeinde – von diesen in der automatischen Abfrage eine höchstmögliche positive Bewertung erhält. Dabei sind 100 Punkte das Optimale, schon bei 97 Punkten sieht sie sich als Versagerin. Auf diesem Wege gibt es – eigentlich mehr als traurige erotisch-sexuelle Abenteuer auch, aber über die seltsamen Männer in diesem Roman wollen wir schweigen – die Vernachlässigung ihrer Familie, deren fremd- und bedeutungslos Werden, wie aber auch das Aufgeben von Freundschaften. Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

DER CIRCLE ist als Buch im August 2014 erschienen bei Kiepenheuer&Witsch. Wir haben die gekürzte Hörfassung angehört, die in 8 CDs mit 602 Minuten Dauer bei HÖRBUCH HAMBURG erschienen ist. Torben Kessler liest den Roman, in dessen Mittelpunkt nicht nur die 24jährige Mae Holland steht, sondern wir auch ständig ihre Gedanken hören, ihre Gespräche mitbekommen. Zu suggerieren, wie hörten Mae original, gelingt Torben Kessler hervorragend, geradezu mit Gänsehaut, wenn Mae sich selbst über die Lautsprecher ihren Namen rufen hört – was allein nach ihrer Stimmproben zusammengestellt wurde.

Romane als Hörbücher sind manchmal durch ihre Komplexität oder ihr Hin und Her eine echte Herausforderung für Hörer. DER CIRCLE dagegen ist ein Buch, das sich durch sein lineares Erzählen besonders gut fürs Hören eignet.