Dave Eggers, DER CIRCLE, Kiepenheuer &Witsch und Hörbuch Hamburg, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich liebt Mae ihre Eltern und, kaum ist sie beim Internetunternehmen CIRCLE angestellt, kann sie von diesem für ihre Eltern kostenlos eine Krankenversicherung bekommen. Aber als ihre Eltern nicht einverstanden sind, als Mae mit der Kamera um den Hals, bei ihnen zu Hause alles aufnimmt, was direkt im Netz verfolgt werden kann, löst sie nach und nach die familiäre Bindung.

 

Das Gleiche passiert mit ihren Freunden. In dem einen Fall handelt es sich um Annie, der Mae ihren Job verdankt und die eine höhere Charge im CIRCLE ist, war, muß man sagen, denn diejenige, die erst einmal Mae zur Ein- und Anpassung auffordert, wird diejenige sein, die auf der Strecke bleibt. Allerdings gehört es zu den „Großzügigkeiten“ der Firma, die Angestellten nur zu kontrollieren und abzumeiern, herausgeschmissen wird man nicht, nur eben kaltgestellt oder heruntergestuft.

 

Der andere ist ein Freund der Familie, der im letzteren Teil des Romans, als die Krackenarme des Konzern keinen Bürger mehr verschonen, den Weg einiger Aussteiger geht und in die Wälder und Berge flieht, wo sozusagen das Netz ihn nicht mehr erreicht und er frei ist. Nach ihm nimmt Mae mit Hilfe von Autos und dann sogar Drohnen der Firma die über das Internet perfekt sichtbare Verfolgung auf – natürlich meint sie es gut mit ihm und will ihn nur in die Gemeinschaft der Kunden zurückführen – , aber alles eskaliert und er stürzt auf der Flucht in den Tod.

 

DAS NETZ wäre auch ein passabler Titel gewesen, der zeigt, worum es in diesem Buch geht. Um das Ausgeliefertsein, zu dem die Kontakte mit dem Internetkonzern führen, der einem erst die Arbeit abnimmt, alle Versicherungen regelt, dann sogar die Steuer macht und schließlich für den Staat als Dienstleister fungieren möchte und auch darf, in dem über sein System der Kundenbindung – die Namen und Adressen der Bürger wurden vom Staat zur Verfügung gestellt - alle Wahlbürger auch zur Teilnahme an den jeweiligen Wahlen aufgefordert werden können und der Konzern so lange öffentlich Druck auf den einzelnen macht, bis auch der letzte, durch CIRCLE überwacht und diszipliniert, sich diesem Druck beugt und zur Wahl geht. Den Begriff Druck verwenden wir, für die Firma und für die Kunden passiert ja alles freiwillig.

 

Hier schließt sich dann wirklich der Kreis, den unser Ausgangspunkt darstellte. Anders als in früheren, in der Science Fiction Literatur dargestellten totalitären und Überwachungsstaaten, ist es hier also eine privatwirtschaftliche Firma, die diese Funktionen erfüllt. Dieser Konzern hat längst als Dienstleister für den Staat zusätzlich auch dessen gesellschaftliches Gewaltmonopol übernommen. Dieser Aspekt ist hochinteressant und in der Diskussion um das Buch bisher nicht genügend berücksichtigt worden.

 

Dave Eggers warnt nicht nur die Blauäugigen, die da in den sozialen Netzwerken sich selbst entblößen, sondern warnt alle aufgeklärten Menschen vor den Tendenzen, die im Internet als Überwachungsmonopol der Welt per se gegeben sind, wenn die jeweiligen Gesellschaften nicht strenge Regeln gegen die Durchleuchtung ihrer Bürger erlassen. Der Mensch ist durch Dabeiseindürfen, durch Öffentlichkeit verführbar, was man dann in der Massenpsychologie Freiwilligkeit nennt. Aber das wußten wir schon davor. Bertolt Brecht fand dafür den Ausdruck: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.

 

INFO:

 

DER CIRCLE ist als Buch im August 2014 erschienen bei Kiepenheuer&Witsch. Wir haben die gekürzte Hörfassung angehört, die in 8 CDs mit 602 Minuten Dauer bei HÖRBUCH HAMBURG erschienen ist. Torben Kessler liest den Roman, in dessen Mittelpunkt nicht nur die 24jährige Mae Holland steht, sondern wir auch ständig ihre Gedanken hören, ihre Gespräche mitbekommen. Zu suggerieren, wie hörten Mae original, gelingt Torben Kessler hervorragend, geradezu mit Gänsehaut, wenn Mae sich selbst über die Lautsprecher ihren Namen rufen hört – was allein nach ihrer Stimmproben zusammengestellt wurde.

Romane als Hörbücher sind manchmal durch ihre Komplexität oder ihr Hin und Her eine echte Herausforderung für Hörer. DER CIRCLE dagegen ist ein Buch, das sich durch sein lineares Erzählen besonders gut fürs Hören eignet.