KrimiZEITBestenliste: Die zehn besten Kriminalromane des Jahres 2014, Teil 1
Elisabeth Römer
Hamburg (Weltexpresso) - Aus dem Nichts kam er letzten Monat auf Platz 1 der Bestenliste und hat sogleich auch den ersten Rang auf der Jahresliste eingenommen: REGENGÖTTER von James Lee Burke aus dem Heyne Verlag.
Doch dazu muß man mehreres sagen. Denn einmal ist das ein aufregendes Wiederauftachen eines US-amerikanischen Granden, der seinen letzten Roman auf Deutsch 2003 veröffentlicht hatte. Der 1936 geborene Burke hat mit seinen Romanen, die im weiten Südwesten der USA spielen, alle internationalen Krimipreise erhalten: er ist Grandmaster der Mystery Writers of America, von den Briten erhielt er den Gold Dagger, die Franzosen zeichneten ihn dreimal mit höchsten Preisen aus und auch den Deutschen Krimipreis hat er 1995 erhalten.
Stimmen aus der Jury zu Regengötter (original 2013: Rain Gods):
„Dieses Buch wird unverwechselbar und für mich unvergesslich durch seine Vielschichtigkeit oder – um es mal altmodisch zu sagen – seinen epischen Atem. Ich gebe gern zu, dass ich bisher keine Ahnung vom wahren Format dieses Autors hatte und unvorbereitet in ein grandioses Lektüreerlebnis geschlittert bin.“ (Jochen Vogt)
„Burke schreibt reinstes Genre und gleichzeitig reinste Literatur, weil er die Konstellationen des Genres nicht zu Verflachung nutzt. Er inszeniert sie hochkomplex und macht ‚Genre‘ als eine sehr probate Möglichkeit sichtbar, sich, auch im erkenntnistheoretischen Sinn, künstlerisch mit dieser Welt auseinanderzusetzen. Und mit der menschlichen Seele.“ (Thomas Wörtche)
Auf Platz 2 kommt LADY BAG von Liza Cody, erschienen bei Ariadne im Argument Verlag. Auch hier legt Tobias Gohlis für die Jury vor: Ein Wiederauftauchen beschert auch dieser Krimi der Engländerin, die ebenfalls zuletzt 2003 ihren grandioser Roman Gimme More aus dem Milieu des Musikbusiness. publizierte. Die als Liza Nassim 1944 in London geborene Autorin ist eine Avantgardistin des „Frauen“-Krimis: Noch vor Sara Paretskys und Sue Graftons Figuren nahm Codys Detektivin Anna Lee 1980 die Ermittlungen auf. Mit LADY BAG setzt sie den ihr eigenen Traditionsstrang einer Literatur von unten fort, den sie mit der faszinierenden Catcherin und Analphabetin Eva Wylie begonnen hat. Lady Bag und ihr Greyhound Elektra sind obdachlos – und setzen sich gegen Verbrecher, Polizei und Wohlanständigkeit zur Wehr, mit groteskem Witz.
Stimmen aus der Jury zu Lady Bag (original 2013: Lady Bag)
„Wie zwei zutiefst beschädigte Menschen so etwas wie Empathie aufbauen, ist rührend, spannend, witzig und endet keinesfalls in einer sentimentalen Alles-Wird-Gut-Scheinwelt. (..)Man würde Lady Bag gern wieder begegnen.“ (Ingeborg Sperl)
„Diese Bag Lady, diese Jammergestalt mit Tüten, ist zwar gestört, aber nicht dumm. Sie hat kein Geld, keine Zähne, keine Peilung, aber sie hat große Klasse. Sie ist Lady Bag und ihre Geschichte ist zum Heulen und umwerfend komisch und überhaupt einer der aufregendsten und wundervollsten Romane des Jahres.“ (Thekla Dannenberg)
Sensationalell ist der dritte Platz für EIN PAAR TAGE LICHT von Oliver Bottini,herausgegeben von DuMont,. Schließlich ist der dritte Rang für einen deutschen Kriminalroman schon ungewöhnlich, da wir ja der Jury der monatlichen Liste immer vorhalten, den 'hard-boiled' amerikanischen Krimi zu bevorzugen und die skandinavischen und auch deutschen Romane zu vernachlässigen. Da haben die es uns in diesem Jahr aber gegeben!! Gleich fünf deutschsprachige Titel sind unter den zehn besten Kriminalromanen. Aber erst mehr zu Oliver Bottini, den wir ebenfalls hervorragend besprochen hatten..
Der 1965 geborene Oliver Bottini stand seit seinem Debüt 2004 immer wieder auf der KrimiWelt- bzw. KrimiZEIT-Bestenliste. 2006 wählte die Jury Im Sommer der Mörder zum zweitbesten Roman des Jahres, auch den Deutschen Krimipreis erhielt er drei Mal. In seinem Werk wendet er sich zunehmend aktuellen politischen und internationalen Themen zu. EIN PAAR TAGE LICHT erreicht in seiner Vielschichtigkeit und Verzwicktheit der Intrige die Komplexität vergleichbarer Romane aus jüngster Zeit, etwa von Robert Wilson oder Michael Robotham. Der darin beschriebene tatsächliche Rüstungsexport in das scheinbar stabile arabische Land Algerien durch Export ganzer Fabriken und Produktionslizenzen wurde 2014 Gegenstand politischer Kontroversen im Bundestag. Auf der fiktiven Handlungsebene setzt sich Bottini mit der Hoffnung auseinander, es könne eine anti-islamistische demokratische Freiheitsbewegung in Algerien entstehen.
Stimmen aus der Jury zu Ein paar Tage Licht:
„Bottini ist nicht nur ein schnörkelloser Stilist, sondern auch ein akribischer Rechercheur. Bottini lässt Algeriens koloniale Vergangenheit, die Zeit des Befreiungskrieges in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren sowie die brisante aktuelle Situation in seine wuchtige Geschichte einfließen: So ist ein fulminanter politischer Kriminalroman entstanden, der von Krieg, Korruption und Waffenhandel, von Skrupellosigkeit und, ja, auch von Liebe erzählt.“ (Volker Albers)
„Einer der feinsten Stilisten der Genreliteratur.“ (Elmar Krekeler)
Das waren die ersten drei der BestenJahresListe. Fortsetzung folgt.
Die KrimiZEIT-Bestenliste 2014
INFO I :
Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.
Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenListe
- im NordwestRadio am Donnerstag, den 18.12.2014 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr
sowie später in den Sendungen der „Buchpiloten2, nachzuhören unter
http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html
- für die Wochenzeitung DIE ZEIT am 18.12.2014 unter www.zeit.de/krimizeitbestenliste_2014
Monatlich wählen neunzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.
Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:
Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt
Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*
Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*
Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich
Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, SWR
Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Lore Kleinert, Radio Bremen
Elmar Krekeler, Die Welt
Kolja Mensing, Dradio Kultur
Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*
Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*
Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin
Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien
Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*
Jochen Vogt, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*
In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2013 ebenfalls kommentierten.
JahresBestenliste 2013
INFO II :
Am 23. Juni teilte der Jurysprecher Tobias Gohlis mit:
Hannes Hintermeier (FAZ) und Elmar Krekeler (WELT) neu in der Jury der KrimiZEIT-Bestenliste
Seit Juni 2104 verstärken Hannes Hintermeier, Redakteur im Feuilleton der F.A.Z., und Elmar Krekeler, stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe, die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste.
Die Jury, die monatlich die zehn besten Kriminalromane aus der Fülle der Neuerscheinungen auswählt, besteht damit aus 19 Kritikerinnen und Kritikern, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichen.
Hannes Hintermeier, Jahrgang 1961, hat Anglistik und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Nach dem Staatsexamen 1988 absolvierte er die Deutsche Journalistenschule in München. 1990 bis 1996 war Hintermeier Literaturredakteur bei der AZ, dann in der Kulturredaktion der „Die Woche“ tätig. Seit 2001 ist er im Feuilleton der F.A.Z. Stellvertreter des Ressortleiters, aktuell Redakteur für „Neue Sachbücher“.
Seit Frühjahr 2014 betreut er mit weiteren Kollegen die FAZ-Krimi-Seite, die alle fünf Wochen versucht, „mit ausgewählten Beispielen der ganzen Bandbreite des Genres gerecht zu werden“.
Hannes Hintermeier über zwanzig Jahre Krimi-Erfahrung: "Am Krimi fasziniert mich die ungeheure Entwicklung, die das Genre in den letzten zwanzig Jahren weltweit gemacht hat. Der Krimi vereint einen Gegensatz, indem er gleichzeitig immer lokaler und universeller geworden ist. Ärgerlich finde ich manches buchindustrielle Kopier-Verhalten - merke: Erst wenn der letzte Serienmörder gefasst ist, werdet ihr merken, dass man
Hannibal Lecter nicht toppen kann."
Elmar Krekeler, geboren 1963, kam nach einem Studium der Musikwissenschaft 1989 als Redakteur ins Feuilleton der WELT, wo er sich zunächst der klassischen Musik widmete, bis er 1994 Literaturredakteur wurde. Von 2001 bis 2011 leitete er die „Literarische Welt“, wo er von 2005 bis 2010 mit verantwortlich für den Vorgänger KrimiWelt-Bestenliste war.
Seit 2012 schreibt er wöchentlich die Krimi-Kolumne „Krekeler killt“. Krekeler wurde 2004 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet und ist derzeit stellvertretender Feuilletonchef der WELT-Gruppe.
Krimis umgeben ihn von Kindesbeinen an. Elmar Krekeler: „Mein Vater war ein geradezu manischer Krimi-Sammler. Wir hatten u.a. die Gesamtausgaben von Agatha Christie, Victor Gunn, Arthur W. Upfield und Edgar Wallace im Regal stehen. Meine mittlere Jugend bestand aus roten Goldmann-Krimis, die schleichend die "Fünf-Freunde"- und ???-Ära ablösten.“
Ich freue mich, dass diese beiden renommierten Literaturkritiker und Feuilletonisten die monatliche Suche der KrimiZEIT-Bestenlisten-Jury nach dem intellektuell anregenden, spannenden und literarisch reizvollen Kriminalroman unterstützen. Gute Kriminalliteratur ist für das Verständnis und die Gestaltung unserer schwer durchschaubaren Welt von existenzieller wie ästhetischer Bedeutung.
Franz Dobler im Weltexpresso
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/3712-noch-immer-im-gespraech-mit-franz-dobler-ueber-der-bulle-im-zug