Andreas Franz. Daniel Holbe: Julia Durants neuer Fall, erschienen bei Knaur, Teil 2

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Kommissarin Juia Durant sagt ihr sechster Sinn - oder soll man Intuition sagen - schon bald, wer der Mörder sein muß, der als Serientäter über Jahrzehnte im Großraum Frankfurt und darüberhinaus immer dieselben jungen Frauentypen mordet: besonders jung, besonders blond, besonders tot.

 

Daß einem dabei sofort der allererste Julia-Durant-Krimi einfällt, nämlich JUNG, BLOND, TOT aus dem Jahr 1996, das nur nebenbei. Blonde und Junge sind grundsätzlich in Krimis eher die Opfer als brünette Ältere, wie der Mörder der Kommissarin Durant zynisch gegen Schluß zuraunt. Mehr dürfen wir über diesen besonders üblen Verbrecher erst einmal nicht verraten. Zusätzlich gibt es besondere Grausamkeiten, denn er weidet seine Opfer aus, sie sind blutleer und dann schickt er auf einmal auch noch Stücke von der Milz an die leitende Ermittlerin, also an Julia Durant. Stücke von Opfern, die so alt und wenn auch noch nicht zu Stein geworden, so doch vertrocknet sind.

 

Sie ist also gefordert, diese Julia, die eigentlich mit ganz anderem beschäftigt ist, denn zu Beginn des Romans macht sie Urlaub in Frankfreich, ja, bei ihrer reichen Freundin, die wir von früher her kennen. Aber inzwischen hat Julia, zwanzig Jahre nach der Trennung von ihrem ersten Mann, einen Freund, mit dem sie am Dienstag, 27. August 2013 noch bei Freundin Susanna Tomlin weilt. Der heißt Claus Hochgräbe, Ex-Ermittler bei der Münchner Mordkommission, ist verwitwet und genau der Mann, den sie erträgt, weil er auf ihre Empfindlichkeiten Rücksicht nimmt und ihr hilft, als plötzlich die Nachricht vom Schlaganfall ihres Vaters die Ferien unterbricht.

 

Er fährt den Wagen zurück und bleibt am Krankenlage des im Koma liegenden Vaters in München zurück, während sie nach Frankfurt düst, um den obigen Fall zu lösen, mit doppelt schlechtem Gewissen: gegenüber ihrer Ermittlung, weil ihre Gedanken beim Vater weilen, gegenüber dem Vater, weil sie nicht bei ihm am Krankenlager ist. Wenn sie am Schluß, nachdem sie den Mörder in flagranti stellt und die Leiche wiederbeleben kann, endlich nach München fahren kann, dann denken wir so bei uns, ob das nicht ein eleganter Ausstieg für Daniel Holbe ist, die Julia-Durant- Reihe mit ihrem Fortzug von Frankfurt nach München zu beenden.

 

Das hat was, wenngleich Holbe auch diesen Roman über die Runden rettet, weil es um eine scheußliche Geschiche geht, denen er die Spannungsmomente geschickt einfügt, indem er erst einmal zwei Verdächte parallel agieren läßt und den Leser dabei zuschauen läßt. Oft spricht er im Text dann nur von „er“, so daß wir uns selbst heraussuchen müssen, wer sich hinter dem 'er' versteckt, aber dann werden auch ganz offen die beiden Männer, die sich offensichtlich besonders verdächtig machen, charakterisiert und ihr Verhalten analysiert, ziemlich ekelhafte Exemplare Mann übrigens, die beide ein hyänenhaftes Lachen auszeichnet.

 

Das Umbringen der blonden und jungen Dinger wird allerdings eingeläutet durch den Mord an einem Jungen, einem älteren Schüler, der sich Zeichen auf den Unterleib einschreibt, die an andere Fälle von ermordeter Mädchen denken läßt, hier aber ganz konkret das Nummernschild eines Autos meint. Dieser Krimi ist wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, daß auch Ermittler nicht immer das Naheliegende im Auge haben. Sie haben es aber auch schwer, denn wer erwartet denn von einer Jugendgruppe, die am Main ihren Feierabend verbringt, seltsame Sexspiele, die zum Tod führen können. Überhaupt geht es immer wieder um Sex, auch um eine lesewütige Prostituierte, die irgendwann den Bettel der Hurerei von alleine hinschmeißt, aber auch um Liebesspiele zu viert, die nun ausgerechnet die Eltern von zwei Freundinnen sind, die eine für sie widerliche Sexszene mitbekommen, durchaus mit traumatischen Folgen. Also, hier ist wieder einmal ziemlich viel los. Auch viel Ekliges.

 

Wie immer spielt über den Fall und seine Lösung hinaus nicht nur Julia Durants Privatleben eine Rolle, sondern ziemlich ausführlich auch das ihres Kollegen Frank Hellmer, wobei auch hier der Schutzengel Julia positiv eingreift. Der Vorgang, um den es da geht, ist wichtig, weil er die Präsenz von intimen Bildern von Jugendlichen in den sozialen Medien zum Thema hat, die hier zwar nebenbei laufen, aber die gesellschaftliche Relevanz dieses Buches mindestens genauso ausmachen, wie der Fall selbst, der monströs ist.

 

Im Detail hat uns manches verwundert. Führt uns Holbe mit Absicht in die Irre oder ist es Nachlässigkeit, wenn er uns an den Tod des letzten Opfers glauben läßt: Gequält Glücksseligkeit lag auf seinem Gesicht, während das Mädchen über ihm entschlief?“ (Seite 378) Denn auf einmal im Epilog hat sie doch überlebt, auch sie erst im Koma, dann aber mit leichten Schäden lebendig von Kopf bis Fuß. Da sind wir froh, wenngleich auch Daniel Holbe eine Besonderheit von Andreas Franz fortsetzt, uns Lesern mit der bitteren Wirklichkeit zu konfrontieren. Andere Krimiautoren hätten wahrscheinlich die Freundin des ersten Mordopfers weiterleben lassen, aber sie muß sterben, weil dies einfach der Wirklichkeit entspricht. Das ist ehrlich.

 

Warten wir's ab, wie und ob und wie lange es weitergeht: mit Andreas Franz, Daniel Holbe und Julia Durant.

 

 

INFO:

 

Andreas Franz, Daniel Holbe, DIE HYÄNE, Knaur, 2014

 

Andreas Franz, Daniel Holbe, TODESMELODIE, Knaur, 2012

 

Andreas Franz, Daniel Holbe, TÖDLICHER ABSTURZ, Knaur, 2013

 

Andreas Franz, Daniel Holbe, TEUFELSBANDE, Knaur, 2013