Österreichische Bundesregierung will Mehrwertsteuer für Bücher drastisch auf 20 Prozent erhöhen

 

Anna von Stillmark

 

Wien (Weltexpresso) – Auch in Deutschland ist das ein Dauerbrenner, die Mehrwertsteuer für Bücher, Hörbücher etc. Nun steht Österreich Kopf, was als Planung bekannt wurde und was vor kurzem kaum jemand für möglich gehalten hätte: Im Zuge der Steuerreform plant die Bundesregierung ernsthaft die Verdoppelung der Mehrwertsteuer für Bücher.

 

Die Auswirkungen auf die österreichische Buchbranche und die Buch- und Lesekultur wären verheerend. Nicht bloß ökonomisch, sondern und vor allem gesellschaftspolitisch. Wir wissen aus Geschichte und Gegenwart, welchen zentralen Beitrag Bücher und das Lesen zum Gelingen und zur Weiterentwicklung einer freien Gesellschaft leisten. Und genau dieser Beitrag wird durch eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes eingeschränkt, wenn nicht überhaupt gefährdet.

 

Der Buchmarkt reagiert sensibel, vor allem weil Umsatzrenditen im Buchhandel und Verlagswesen sehr gering sind. Eine Preiserhöhung für Bücher und die daraus resultierende sinkende Nachfrage würde die Existenz vieler Buchhandlungen und Verlage infrage stellen. Damit erreicht die rein ökonomische Betrachtung der Erhöhung der Umsatzsteuer für Bücher eine nicht unerhebliche gesellschaftspolitische Dimension: Will man es tatsächlich hinnehmen, dass ein wesentlicher Kulturaspekt Österreichs zugrunde geht? Denn genau das steht auf dem Spiel, bedenkt man, in welcher Konkurrenzsituation sich der Buchmarkt befindet. Zwar ist das Buch nach wie vor in unserer Gesellschaft ein fest verankertes Kulturgut, aber es steht mit dem Aufkommen der digitalen Medien in einem immer stärkeren Wettbewerb um Aufmerksamkeit und dem Geld- und Zeitbudget.

 

Bücher sind nicht nur Kulturgut, sondern auch das zentrale Bildungsmedium. Die geplante Buchsteuer würde damit auch die 1,4 Millionen Haushalte mit Kindern treffen. Schon jetzt reichen die Budgets für Schulbücher nicht aus, um Kindern und Jugendlichen die Vollversorgung mit Schulbüchern zu garantieren. Dass Familien einen überdurchschnittlichen Anteil der von Armut Betroffenen in unserer Gesellschaft ausmachen, ist vielfach belegt.

 

Die Situation des österreichischen Buchhandels ist bereits jetzt prekär, Amazon hat erfolgreich eine Schneise durch die Buchhandelslandschaft geschlagen. Der österreichische Buchhandel steht mit dem Rücken zur Wand.

 

Vergleich zu Deutschland

 

Schon die derzeitige Mehrwertsteuerdifferenz zwischen Österreich (10%) und Deutschland (7%), die durch den Preisaufdruck auf der Mehrzahl der Bücher für jeden Konsumenten ersichtlich ist, leitet in grenznahen Regionen viele Verkäufe nach Deutschland um. Für Buchhändler ist es schwierig, ihren Kunden diese Preisdifferenz plausibel zu machen. Die annähernde Verdreifachung dieser Preisdifferenz würde diese Probleme dramatisch verstärken.

 

Vergleich in Europa

 

Der europäische Trend läuft übrigens in die andere Richtung. Die meisten Steuersätze der restlichen Länder Europas liegen bereits jetzt erheblich unter dem österreichischen Satz. Der deutsche Bundestag hat im letzten Jahr die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auch für Hörbücher beschlossen. Um eine solche Reduktion auch für E-Bücher zu verwirklichen, betreibt Deutschland mit anderen europäischen Ländern bereits die Änderung der entsprechenden europäischen Richtlinie.

 

Die Hinaufsetzung der Mehrwertsteuer für Bücher aus Österreich wäre nicht nur für die gesamte deutschsprachige Buchbranche, sondern letztendlich für die europäische Buchbranche ein dramatisches Signal.Deshalb warnen der Hauptverband des österreichischen Buchhandels, der Fachverband Buch- und Medienwirtsschaft/WKÖ, der Österreichische Verlegerverband und die IG Autorinnen Autoren gemeinsam eindringlich vor diesem Vorhaben: vor einem irreparablen Schaden an der österreichischen Buchhandels- und Verlagskultur, vor einem massiven Verlust von Arbeitsplätzen und drastischen Auswirkungen auf die Literaturproduktion der österreichischen Autorinnen und Autoren.