Vadim Glowna, Der Geschichtenerzähler. Erinnerungen, im Verlag Ullstein

 

Felicitas Schubert

 

München (Weltexpresso) – Die Nachricht vom Tod des Schauspielers Vadim Glowna ist mir nahegegangen. Warum eigentlich, habe ich mich sofort gefragt und die Antwort gleich doppelt gehabt: Von ähnlichem Lebensalter war er schon in der Jugend vorhanden und er hatte in jeder seiner Rolle eine Durchschlagskraft, will sagen: wer auch immer sonst mitspielte in Filmen und Fernsehproduktionen, immer war es das Gesicht des Vadim Glowna, mit dem sich die Erinnerungen an diese visualisierte.

 

Das Gesicht. „Wie kann diese kapriziöse Frau nur so einen derben Unschönen heiraten“, war unisono unser Urteil, als Vera Tschechowa sich mit Vadim Glowna verheiratete. Wie haben wir uns später als dumme Gänse gefühlt, als wir die Peinlichkeit unserer Empfindungen wahrnahmen. Tschechowa, das war doch ein Name, eine ganze Dynastie und uns schien er wie ein Mitgiftjäger, mit diesem Imperium nun verbandelt zu sein. Wann aus der Arroganz gegenüber Vadim Glowna eine Bewunderung für ihn wurde, wissen wir nicht mehr. Aber sie kam gewaltig, diese Bewunderung für schauspielerische Leistungen, die man gar nicht als Spiel wahrnahm, weil das Besondere am Können des Vadim Glowna die Identität zwischen Rolle und eigener Person schien. Es gibt so Menschen, die in ihren Rollen jeweils so glaubwürdig wirken, daß es einem ob ihrer Wandlungsfähigkeit bang sein kann.

 

Ein solcher ist für uns auch Matthias Brandt, der uns als einziger im Zusammenhang mit Vadim Glowna einfällt, weil auch er uns verführt, eine Rolle als sein Wesen zu empfinden und was auch immer beide spielen, uns verleitet, mitzuempfinden.

 

Wir holten uns bei der Todesnachricht DER GESCHICHTENERZÄHLER, seine Erinnerungen aus dem Ullstein Verlag heraus und lasen sie noch einmal. Doch, man liest anders und anderes, wenn man weiß: der Verfasser lebt nicht mehr.  Das Buch ist 2006 erschienen, da war er also 65 Jahre alt. Beginn als Rentner? Mitnichten. Zuerst haben wir, wie wir das immer mit Autobiographischem tun, uns in die Bilder versenkt, die in zwei Blöcken mehrseitig in Schwarzweiß abgedruckt sind. Wie früh er schon in internationalen Produktionen mitspielte! 1979 mit Audrey Hepburn, Regie: Terence Young , 1975 STEINER – DAS EISERNE KREUZ; Regie Sam Peckinpah.

 

Glowna wurde 1941 in Eutin/Schleswig-Holstein geboren. Seine Eltern sind mehrfach im Bild, er selbst sei 1942 in rund Zehnjahressprüngen. –die ersten Filmrollen und vor allem das Theater unter Peter Zadek, aber auch die Aufnahmen mit Romy Schneider aus GRUPPENBILD  MIT DAME eine Heinrich Böll Verfilmung von Alexandre Petrovic aus dem Jahr 1977. Toll auf Bildtafel 46 seine Verwandlung in einen Clown Er sieht aus wie Giuliana Masina!, die in La Strada den Straßenclown als Gesicht festschrieb. Aha, mit Angela Molina hat er auch gespielt und endlich hier Bilder seiner späteren Ehefrau Vera.

 

Sie schaut genauso verletzlich und schön aus wie in der Erinnerung.  Und das Gruppenbild mit Dame wird nun umbenannt in Gruppenbild mit Damen, denn die Tschechowa-Dynastie is im Bild, die junge Vera, die Mutter Ada und die berühmteste: Olga. Sie stammen wirklich aus der Tschechow Familie, weshalb im Jahr 1884 ein  Film entsteht TSCHECHOW  IN MEINEM  LEBEN. Privataufnahmen mit Frau und Kind, die von Glück sprechen.

 

Als Geschichtenerzähler empfindet er sich eh, wenn er sein Leben lang in 160 Filmen und Fernsehproduktionen Filmgeschichten erzählte, aber das war professionell, persönlich war er das überhaupt nicht, ließ lieber die anderen reden und war eher introvertiert. Ein echter Geschichtenerzähler in Tunesien – solche erlebt man auch noch in Asien – machte ihm klar, wie die Menschen an den Lippen von denen hängen, die etwas zu erzählen haben. Und das hatte er. So hat er tatsächlich  seine Lebenserinnerungen  in Geschichtenform gebracht, so daß man in dem Buch lesen kann, wie und wo man kann. Fängt man ordentlich vorne an, dann geht es um Kindheit,  Väter und Söhne zeigt, daß er schon als kleines Kind die Probleme von Erzeuger und Vater erlebte.

 

Er schildert übrigens seine persönlichen Erlebnisse immer auf dem Hintergrund des allgemeinen gesellschaftlichen Geschehens, was dieses Buch auch zu einem Geschichtsbuch der Bundesrepublik Deutschland macht, vor allem, was die Nachkriegszeit und die ersten Jahrzehnte angeht. Wir wollen das Buch nicht nacherzählen. Aber durchgehend erlebt man einen scheuen Vadim Glowna und eine noch scheuere Vera Tschechowa. Er redet klare Worte zu familiären Probleme, wird aber nie indezent. Wir erfahren, wie es begann mit dieser Liebe und wie und warum es zu Ende ging.

 

Immer wieder sind Begegnungen festgehalten und die Personen beschrieben, die Glowna Eindruck machten. Im Jahr 2000 erhielt er den Preis Oskar Roehlers „Die Unberührbare“. Interessant waren uns seine eigenen Aussagen zu seiner Schauspielkunst und warum er so gerne die Außenseiter aufgedrückt erhielt. Aber -  wie gesagt – man liest all dies auch mit einer gewissen Trauer, da sein Tod einfach zu früh kam.  Sein Buch erschien im Jahr 2006. Danach war er noch häufig zu sehen, auch als Kardinal bei den „Borgias. Wir hoffen auf Retrospektiven, was seine Filme angeht. Das Buch kann jeder sich jederzeit besorgen.

 

Vadim Glowna, Der Geschichtenerzähler. Erinnerungen, Ullstein Verlag 2006