Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ im Verlag Kiepenheuer & Witsch

Hanswerner Kruse

 

Fulda (Weltexpresso) - Heute empfehlen wir den Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Mit großartiger Sprache und sehr viel Humor beschreibt der Autor Joachim Meyerhoff sein Aufwachsen inmitten von vielen „Verrückten“ in einem Irrenhaus.



Hände hoch!“, schreit jemand. Security-Männer zerren Gerhard Stoltenberg, den Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, in den Schlamm. Doch der vermeintliche Attentäter war nur ein fröhlicher Psychiatriepatient, der wieder seine Späßchen machte.



Die großen Brüder des Ich-Erzählers wollen ihn mit Hundefutter ernähren oder werfen Stöckchen, die er apportieren soll. Der Kleine hatte zuvor mit dem Hund der Familie eine gefährliche, heftig blutende Brüderschaft wie Winnetou und Old Shatterhand durchgeführt: „Das wollte ich auch. So einen Blutsbruder wollte ich auch. Ich wollte Hundeblut in meinen Adern.“



Die Mutter muss mit viel Mühe immer das ausführen, was sich der Vater ausdenkt, etwa ein Ferienhaus ausbauen. Der Herr Psychiater ist ein großer Theoretiker und behandelt seine Patienten sehr einfühlsam, aber für das wirkliche Leben taugt er nun gar nicht. Jedoch dafür klingelt monatlich das Telefon und ein Franco verlangt die Mutter zu sprechen: „Man hörte ihn überschäumend aus dem Hörer heraus, und meine Mutter schäumte zurück. Diese plötzlich das norddeutsche Haus erfüllenden Sprachkaskaden verwandelten meine Mutter. Sie fuchtelte mit der freien Hand herum, streckte ihren Busen heraus, schien längere Beine bekommen zu haben... Nach diesen Telefonaten, bei denen sie mit jeder italienischen Silbe schöner geworden war, steckte meine Mutter wie ein lebendiger Stachel in der vordergründigen Heilheit der Familie.“



Meyerhoff wuchs in den 1970er-Jahren wirklich in einer Psychiatrischen Anstalt auf, die sein dicker, etwas weltfremder Vater leitete. Obwohl damals in den meisten Psychiatrien Westdeutschlands grauenhafte Zustände herrschten, wurden die Patienten in dieser Klinik offenbar einfühlsam und mit großem Respekt behandelt. Für den Jungen waren die Menschen mit ihren bizarren Verhaltensweisen unter diesem psychiatrischen Schutzschild völlig „normal“, er hatte allerlei Freunde unter ihnen.



Was von den vielen Geschichten, die Meyerhoff erzählt, denn nun wirklich „wahr“ ist, wird während der Lektüre egal. Der Autor kann nicht nur hinreißend „verrückte“ Alltagssituationen beschreiben sondern mit seiner großartigen, oft humorvollen Sprache auch das Normale völlig verrückt erscheinen lassen. Ganz offensichtlich haben die Erfahrungen in Kindheit und Jugend stark seinen Blick auf die Wirklichkeit beeinflusst.



Meyerhoff ist Schauspieler geworden und hat am Wiener Burgtheater begonnen, seine Kinder- und Jugenderlebnisse auf der Bühne vorzutragen. Dadurch war er so erfolgreich, dass er mit seinen Darbietungen zum Berliner Theatertreffen (2009) eingeladen wurde. Auch ein Verlag wird nach und nach seinen sechsteiligen Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ veröffentlichen. Das hier besprochene Buch ist der zweite Band dieser Reihe, der Autor erhielt dafür schon einige Literaturpreise.



INFO:

Joachim Meyerhoff „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Taschenbuch, 352 Seiten, 9,99 Euro. Auch als Hörbuch lieferbar.