ANTON das ZEBRA-PFERD von Stephanie Lunkewitz aus dem Leipziger Kinderbuchverlag, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – „Das Zirkusleben ist nicht leicht, selbst wenn das Geld zum Futter reicht...“, was kann uns Anton nicht alles über die Mühsal erzählen, „im Geschirr sich müde plagen. Jeden Tag die gleiche Last...“. Geschickt motiviert die vortragende Autorin die Kinder zum Nachfragen, wobei ihr die Zeichnerin in ihr hilft, denn es sind eindeutig die Bilder, die die Kleinen zum Sprechen bringen.
Wirklich stark, wie dumm die eins, zwei...fünf Mulis aus der Wäsche schauen, als der handgestrickte Anton erscheint. Denn sie – und solches Lernen findet dann nebenbei statt – sind ja auch Kreuzungen, allerdings aus dem männlichen Esel und der Pferdestute und fühlen sich überlegen. Dort ist die Mutter das Pferd, bei Anton der Vater. Wie gut, daß es hier nicht in die Tiefe geht. Aber der Junge neben mir weiß es genau und flüstert mir zu: „Das isn Maultier, es gibt auch den Maulesel!“ Echt? Irgendwie schon, aber erst zu Hause schaue ich nach und weiß es jetzt ganz genau, daß das Maultier, also ein Muli wie oben beschrieben ist, der Maulesel allerdings die Kreuzung zwischen Pferdehengst und Eselsstute ist.
Stephanie Lunkewitz und Petra Kammann interessiert, woher die Kinder diese Tiere kennen. „Aus dem Zoo!“, „Aus dem Fernsehen!“, „Aus dem Bilderbuch!“, aber auch „Aus dem Urlaub“ tönt es zurück. Und Clowns? Auch darauf gibt es Antworten und einer betont:„Ich kenne alles!“ Na dann. Aber damit hat der Junge dann doch nicht gerechnet, daß der Löwe im Zirkus ausbricht und des Direktors Töchterlein Hannah umwirft. Ganz still kauert er sich jetzt zusammen. Aber schon ist Anton zur Stelle, tritt dem Löwen erst einmal mit seinem Pferdefuß, dem Huf, kräftig auf seine Tatzen, so daß der brüllt und versetzt ihm mit seinen Hufen dann noch einen solchen Tritt, daß der Löwe einverstanden ist, daß ihn die herbeieilenden Wärter mit dem Netz einfangen und er hinter seinen Gitterstäben in Sicherheit ist. Vor Anton. Genau. „Anton ist der große Held, das verkündet alle Welt.“
Weiter geht es: „Hannah herzt und küsst ihn sehr, denn er ist kein Fremder mehr.“ Die Kinder kommen bei den vielen Zirkusszenen, die jetzt hier auf einer Doppelseite zusammengefaßt werden, ins Erzählen. Denn hier gibt es Zirkus pur. Und jetzt fragen erneut Kleine nach, wie es ist, ob die eingesperrt bleiben, die Tiere, warum und wie lange und eine kleine Diskussion „Findet Ihr das richtig?“ entbrennt mit der Folge, daß sich jeder seine eigenen Gedanken machen muß.
Mitten in das konzentrierte Gespräch will der nette Buchhändler, der umsichtig erst einmal alle mit Wasserbechern versorgte und ständig nachschenkte, den Kleinen zusätzlich etwas Gutes tun und reicht die vorbereitende Schale mit Bonbons etc. herum, nein, er gibt das Signal, daß man sich daraus bedienen darf. Voller Erfolg. Einzeln kommen Kinder nach vorne, tuscheln, rascheln, wählen aus, packen aus: „Mama, wohin mit dem Papier...“ Ganz perplex schauen Stephanie Lunkewitz und Petra Kammann da vorne erst einmal zu, aber im Buch kommt ja jetzt der krönende Abschluß mit der Zirkusnummer von Anton, wo er nämlich zum Löwen- und Tigerbändiger wird, weil diese, einmal so von ihm „besiegt“, ihn fürs Weitere als Oberhaupt und Chef anerkennen und vor ihm possierlich Männchen machen.
Und so gelingt es den beiden Damen im Nu, selbst gegen die Konkurrenz von raschelndem Süßen mit ANTON- DEM ZEBRA-PFERD zu bestehen. Der Zirkus ist längst weitergezogen in die nächste Stadt und erneut kann die Verfasserin den Zirkus als Institution abenteuerlich lebendig halten, aber die Bedenken einer solchen Tierhaltung schon mitformulieren. „Elephanten vergessen nie“ und „Artgerecht ist nur die Freiheit“, heißt es auf den Demoplakaten und ein anderes ruft zur Tat auf: „Befreit alle Tiere!“ Und daß diese Aufforderung an der Scheibe der Buchhandlung klebt, auf der auch steht: „Wir schließen“, das zeigt, daß dieses Kinderbuch wirklich mitten aus dem Leben kommt.
Diese Doppelseite, in der der Zirkus zurückkommt in die kleine Stadt, von wo aus Anton mitaufgebrochen war, schließt hier den Kreis, uns aber begeistert erneut, wie detailliert Stephanie Lunkewitz dies darstellt. Zwar geht sie beim Vortrag schnell darüber hinweg – für Kinder war das ja eine ganze Menge Stoff! - aber wir verlieben uns in die Formen und Farben ihrer Darstellung und könnten noch mehrere Artikel über diese eine Seite fabrizieren.
Aber hier geht es ja um die Lesung in der Buchhandlung. Und da haben die Kinder noch Fragen: Wie kommt sie auf ihre Ideen,die Autorin und wie lange braucht sie für die Zeichnungen. Sehr aufschlußreich war das auch für uns. Eine Woche für eine Seite? „Ja, man soll viel entdecken können, das dauert...“, erwidert die Künstlerin. Und erläutert nebenbei noch weitere Motive, die angesichts der Erzählung gar nicht wahrgenommen wurden. „Ich zeige alle Jahreszeiten, den Magnolienbaum im Frühling, den Winter und ich zeige Anton von allen Seiten, von vorne, von der Seite, von hinten und auch von vorne.“
Und was ist zuerst? Die Zeichnung oder der Text? Zuerst ist die Idee da, es soll um Anton gehen, das Zebra-Pferd und dann entwickelt sich die Geschichte wie von selbst. Allerdings: „Ist Euch aufgefallen, daß sich der Text reimt?“, fragt die Autorin. „Ja, stimmt.“, ist die Antwort. Dann staunen die Kleinen aber, als sie hören, daß es erst einen Fließtext, also einen Erzähltext gibt, aus dem erst die Reime mit viel Mühe und Arbeit und Zeit erwachsen.
Längst ist eine gute Stunde vorbei und noch immer kommen Fragen. Wie malt sie? Mit welcher Technik? Na, eigentlich wollen die Kinder wissen, ob sie, wie sie selbst, mit Wasserfarben malt, richtige Aquarelle, oder – wie im Museum – mit Öl. Pustekuchen. Acrylfarben sind es. Da staunen wir auch, wir hielten die für kräftiger, denn die Farben im Buch sind so gefühlig, so samten, wenn sie die dunkelroten Vorhänge im Zirkus wiedergeben, so unglaublich grün, wenn sie zu Gras werden. „Damit kann man einfach Drübermalen“, weiß so ein Dreikäsehoch es besser als wir.“ Die Malerin nickt.
Doch, was ist das? Da will einer noch zur letzten Seite zurück. Da wird nämlich deutlich gefragt: „Zoo und Zirkus sind ganz fein, doch könnte es nicht besser sein – für die wilden Tiere eben, wenn auch sie in Freiheit leben?“ Aber andere winken ab, ihnen langt, daß Anton mit Hannah ein gutes Leben hat. Sie wollen wissen, ob Stephanie Lunkewitz ein nächstes Buch macht. Aber ja. Und sie hat schon eine Vorlage und zeigt das kleine dicke Quadrat mit Zeichnung und Text. So also entsteht ein Buch. Demnächst in einer Lesung in Frankfurt und anderswo. Hoffentlich.
Unsere kleine Serie im Weltexpresso
INFO:
ANTON DAS ZEBRA-PFERD
Text und farbige Illustrationen
von Stephanie Lunkewitz
32 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-89603-458-8
12,90 EUR
Verlag leiv, 2015
Donnerstag, 25. Juni 2015,
16 Uhr,
in der Buchhandlung Buchplatz
Ziegelhüttenweg 2
60598 Frankfurt
Mit Einführung und Moderation:
Stephanie Lunkewitz hat im Gespräch mit der Redakteurin und Publizistin Petra Kammann, Frankfurt, ihre Arbeit als Illustratorin und Kinderbuchautorin vorgestellt
www.buchplatz.com