ANTON das ZEBRA-PFERD von Stephanie Lunkewitz aus dem Leipziger Kinderbuchverlag, Teil 3
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Kinder, wie die Zeit vergeht. Mit und ohne Anton, das ZEBRA-PFERD. Aber mit noch schneller. Denn immerhin besuchten wir die von Weltexpresso angekündigte Lesung schon Ende Juni im BUCHPLATZ, in einer recht neuen und angenehmen Buchhandlung in Sachsenhausen, wo die Autorin und Zeichnerin Kindern ihr Buch vorstellte und Petra Kammann die Leute ins Gespräch brachte.
Die U-Bahn war schuld. Die kommt in Frankfurt derzeit alleweil zu spät, ja, man ist sogar froh, wenn sie überhaupt kommt. Wie am Donnerstag, wo sie im Tunnel stecken bleibt. Da hilft gar nichts. Beten haben wir nicht probiert. Südbahnhof, Endstation und dann sich zu Fuß sputen. Sündhaft heiß war es auch. Und das Zuspätkommen hätten wir lieber nicht erlebt, aber die Kinderschar war gnädig und die beiden am Podium bekamen das überhaupt nicht mit, denn es war schon richtig losgegangen.Mit dem Magnolienbaum, über den Stephanie Lunkewitz erzählte, daß er eigentlich der aus ihrem Garten sei. Das ist schon auf der zweiten Umschlagseite und sicher war der uns fehlende Anfang der Grund, daß wir das Buch am Schluß gleich mitnahmen und erst einmal für uns selber eine Besprechung machten (Teil 2).
Hier wußten wir noch von gar nichts, aber Magnolien, damit sind auch wir aufgewachsen, allerdings waren die weiß´- und in Frankfurt. Hier aber sind wir in Köthen und es war wirklich niedlich, wie die kleinen und mittleren Kinder Großstadtkinder darauf reagierten als die Köthenerin Stephanie von dem allerliebsten Stadtbild von Köthen sprach und alle die Spitze des Halleschen Turms bestaunten. Aber eigentlich ging es um die Tiere und vielleicht macht nichts Kindern so viel Spaß, wie Tiere zu benennen, ihre Laute auszustoßen und sie auch zu beschreiben, wozu sie die Zeichnerin motivierte. Und sie erzählt auch, wie es ist, wenn sie solche Tiere malt. Dann versetzt sie sich so in die Tiere hinein, daß sie auf einmal eine Schnute zieht, wenn sie dem Tier solche Gefühle ins Gesicht malt.
Die Kinder sind übrigens ganz schön gut. Pfau, na, das finden wir leicht, aber Nashorn und Rabe und Flußpferd und ...das ist doch für ein Großstadtkind durchaus ungewöhnlich. Aber die Meute hier, die waren alle schon im Frankfurter Zoo und tun so, als ob sie täglich mit den Riesenviechern Umgang hätten. Und als die Vorleserin zu der Stelle kommt: ...sie hat sich in ein Pferd verknallt, sodass man bald ein Fohlen kennt, das seine Mama „Anton“ nennt ..da lachen die Kleinen so, als ob sie genau wüßten, um was es geht.
Die Kleinen? Die Großen? Das ist eine Sache der Perspektive. Rund 15 Kinder sind versammelt, meistens ist eine Mama mit dabei, doch auch ein Vater, die ganz Kleinen sitzen vorne und die Größeren sind auf jeden Fall des Lesens mächtig und überhaupt diejenigen, die genau Bescheid wissen in der Welt. Etwas mehr Mädchen, aber die Jungens sind deutlich vorwitziger. Das ändert sich in der Schule. Das könnten wir denen schon jetzt sagen.Allerhand, wie es den beiden da vorne gelingt, eine solche Ruhe weit über die erste halbe Stunde zu erreichen. Das liegt daran, daß Stephanie Lunkewitz ihr Buch nicht vorliest, sondern den Zuhörern einmal die Reime lautmalerisch ins Ohr träufelt und daß sie darüberhinaus die Handlung mit eigenen Worten erzählt oder von den Zuschauern erfragt, indem sie auf die Tiere deutet und sich deren Tun und Gefühle erklären läßt. Dazu ist auf der Folgeseite viel zu sagen, denn da kommt der Großauftritt von Anton, über das sich die absolut konformistische Tierwelt nur wundern kann, wobei Wundern die nettere Variante ist, richtig böse sind diese 'rassereinen' Tiere, daß so ein Anton mit Zebrakopf und Zebrahintern ihre wohlgeordnete Tierwelt stört.
Die Kinder verstehen sofort, warum Anton auf dem nächsten Bild soooo traurig guckt und weshalb das wiederum nächste so duster, so grau, eigentlich beige, auf jeden Fall auch traurig ist. Der Rabe, der im Papierkorb hockt, direkt auf dem Müll, weiß, daß hier der Weg zum Schlachthof verläuft, den so viele Tiere trotten müssen. Aber Anton ist ja etwas Besonderes – und das ist die andere Seite der Medaille vom Besonderssein – er wird ein Zirkustiere: „So geht er denn für kleines Geld in die große weite Welt.“, nicken die Kinder einverstanden zum Reim.
Übrigens gelingt Stephanie Lunkewitz hier ein Husarenritt. Denn einerseits wird der wie ein Gefängnis vergitterte und verrammelte Schlachthof gezeigt, mit den Begriffen der französischen Revolution versehen und gleichzeitig hängt ein Plakat in Grün auf der linken Seite: NIEDER MIT DEM SCHLACHTHOF. DEMO. Damit schlägt sie zwei Fliegen mit einer Zeichnung. Gerade Kinder reagieren heftig auf den Tod und das Aufessen von Tieren, bekommen aber auch Vegetarier und Tierschützer mit. Eine gegensätzliche Welt. Das Zebra-Pferd trottet vorbei. Sein Ziel ist der Zirkus.
Wie beschwerlich so ein Zirkus sich durch den Winter bewegt, ist im Bild festgehalten, wo nun die Kinder lachen, daß der Löwe seinen Pelzmantel schon an hat. Hier kommt es zu einer lebhaften Arbeitsteilung zwischen der Autorin und Petra Kammann. Die eine liest und erklärt ihre Vorgehensweise beim Zeichnen, die andere stellt den Zusammenhang her.
Denn auch ein Zirkus ist heutzutage eine doppelgesichtige Sache. Wir waren früher davon bezaubert. Der Zirkus in der Stadt, das war eine Sensation. Abgesehen davon, daß Kinder heute dem unterliegen, was man Reizüberflutung nennt, ist auch der schöne alte Zirkus nicht mehr das, was er war. Ein Ort des Behagens für die Menschen, die sich an den possierlichen Tieren ergötzen. Wir sind mitten in einer gesellschaftlichen Umdeutung so vieler Institutionen und Geschichten mit Tieren, was eine ganz einfach Ursache hat: der Mensch ist nicht länger selbstverständlich die Krone der Schöpfung, die sich die Welt, sprich: die Tiere untertan macht. Mehr und mehr setzt sich eine geistig-ethische Umdeutung der Welt fort, daß dies ein gemeinsamer Platz für Menschen, Tiere und die Natur ist, die es zu pflegen und zu bewahren gilt. Fortsetzung folgt.
Unsere kleine Serie im Weltexpresso
http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=5097:der-aussenseiter&catid=78:buecher&Itemid=470
INFO:
ANTON DAS ZEBRA-PFERD
Text und farbige Illustrationen
von Stephanie Lunkewitz
32 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-89603-458-8
12,90 EUR
Verlag leiv, 2015
Donnerstag, 25. Juni 2015,
16 Uhr,
in der Buchhandlung Buchplatz
Ziegelhüttenweg 2
60598 Frankfurt
Mit Einführung und Moderation:
Stephanie Lunkewitz hat im Gespräch mit der Redakteurin und Publizistin Petra Kammann, Frankfurt, ihre Arbeit als Illustratorin und Kinderbuchautorin vorgestellt
www.buchplatz.com