HERZSAMMLER, der neue Krimi um Fabian Risk von Stefan Ahnhem aus dem List Verlag

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Ist das fair? Nämlich den ersten Roman um Kommissar Fabian RiskUND MORGEN DU so ruhmreich zu besprechen und sich dann über den zweiten nur noch zu ärgern? Dennoch gibt es genug Spannung und vor allem so viele furchtbar zugerichteten Leichen, daß wir unsere Enttäuschung erklären müssen. Obwohl dies hart zu lesen ist, an den Leichen liegt es nicht.

 

Man nehme: das inzwischen übliche Personal der skandinavischen Krimis, die man derzeit auf die schwedischen und dänischen eindampfen kann. Wie auch in Fernsehkrimis arbeiten nämlich die südschwedischen Ermittler mit den dänischen Hand in Hand, was sicher an den grenzüberschreitenden Kriminellen liegt. Das übliche Krimipersonal besteht aus schwachen Männern und starken Frauen, wenigstens in der Regel. Und es ergibt sich dann daraus, daß die polizeiliche Aufklärungsarbeit, um die es ja im Krimi geht, inzwischen so mit Ehe- und anderen Beziehungsproblemen vollgefüllt, einfach zu kurz kommt. Dafür aber lesen wir Krimis.

 

Uns langweilen inzwischen einfach die Eheprobleme von Fabian Risk, die sich immer um dasselbe drehen, nämlich, ob er mit Ehefrau Sonja noch möchte und die mit ihm vice versa. Erst einmal auf jeden Fall nicht, denn sie ist in ihr Malatelier gezogen und er bleibt mit den Kindern zu Hause. Und wieso hat er auf einmal am Schluß die eigene Wohnung, wo Sonjas Rivalin und von Fabian angeschmachtete Schönheit und superintelligente Kollegin Niva im Wohnzimmer sitzt, als morgens Frau Sonja erscheint und er aus dem Schlafzimmer kommt. Wenn das alles wäre, aber dann kommt noch die hochschwangere Kollegin Malin Rehberg dazu, der wir die ständige Thematisierung ihres langweiligen Ehemannes Anders deswegen verzeihen, weil diese Malin die einzig interessante und auch zum Lachen verführende Person im Buch bleibt.

 

Der verzeihen wir also die Privatissima, aber ganz sicher nicht Dunja, die Kollegin aus Kopenhagen. Die ist selbst nicht unrecht, aber daß sie erst durch die klaren Worte der Malin aus Schweden – beide treffen sich auf einem Lehrgang – auf die Beziehung zu ihrem Carsten gestoßen wird, was sich dann bis zum Schluß dahinquält, nein, wir wollen das nicht, daß diese Privatleben so öde dahinwelken, während die echte Problematik von einer Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben viel zu kurz kommt. Denn das sind auch bei Fabian Risk die einzig glaubwürdigen, wie man sagt: authentischen Szenen, wenn er nämlich gerade einen supergefährlichen Massenmörder gleich zur Strecke bringen wird, er aber durch das Telefon hört, er müsse seine Kinder sofort von der Schule abholen oder irgendwohin fahren. Was tun? Schlimmer noch, wenn sich das häuft und seine Gedanken bei der Ermittlung bleiben, auch wenn er mit den Kindern gerade gemütlich leben will.

 

Sie haben sicher längst verstanden, wo unser Ärger liegt, aber wenn die handelnden Personen wie Schablonen abgehandelt werden, Seitensprünge, Alkoholiker, und der Alltag so Übermacht gewinnt, langweilt uns das. Obwohl, es gibt immer ein Obwohl.“ Sie selbst benutzte die Maschine nie. Nicht, weil sie sich Sleizner (ihr Chef, E.R.) Belehrungen ersparen wollte, sondern sie den Kaffee nicht so köstlich fand wie offenbar alle anderen. Ihr war es ein Rätsel, wieso sich mehr oder weniger die gesamte westliche Hemisphäre einer Gehirnwäsche unterzogen und Mitglied in einer Sekte geworden war, die ihren Kaffee nur in edlen Geschäften kaufte und das Dreifache dafür bezahlte. Vom Umweltaspekt ganz zu schweigen.“ Richtig, Autor Stefan Ahnhem, das mußte gesagt werden und das meinen für völlig unironisch! Es stimmt einfach, wie schlecht diese Kaffees dann auch noch schmecken.

 

Sie wollen wissen, um was es in HERZSAMMLER eigentlich geht. Da muß man einen großen Kreis ziehen, der sich am Schluß tatsächlich etwas sagenhaft und hochdramatisch schließt. Traurig, das schon, aber auch grandios von der Anlage her. Es fängt nämlich in Palästina Ende 1999 an, wohin aus dem israelischen Militärlager unser erst einmal Unbekannter gewechselt ist, der so verletzt ist, daß er um seinen eintretenden Tod weiß und nun noch an die Geliebte einen Brief schreibt, der uns zeigt, daß Liebe und Leben in dieser Region nicht möglich ist, wenn der Geliebte von der eigenen Familie, den eigenen Brüdern, den Eltern gemordet wird. Dieser Brief erreicht „ein Jahr, vier Monate und sechzehn Tage“ später Aisha Shahin in Schweden.

 

Und nun haben wir das Problem, daß man den Plot einfach nicht erzählen darf, weil dann die Spannung für den Leser dahin ist, aber man kann die Thematik umschreiben als eine, die zu dem Furchtbarsten gehört, was derzeit in der Welt passiert: daß eher unscheinbare und arme Menschen gemordet werden, weil ihre Organe für eine reiche Klientel im Westen der Welt 'gebraucht' werden. Und da die ordentliche Tour der Beantragung von 'frischen' Organen für kaputte in einer Rangliste erfolgt, blüht das Schwarzmarktgeschäft in besonderer Weise. Und zur reichen westlichen Welt gehört auch Schweden. Dänemark auch.

 

In beiden Ländern gibt es aber auch – nur in den Krimis oder 'in echt'? - besonders grausame Massenmörder. Und derjenige, der hier eine Mordserie in Gang setzt, der weiß nun mit den Spuren so zu spielen, daß die Kriminalpolizei einfach draufkommen muß, daß in Schweden und in Dänemark je ein Massenmörder wieder zuschlägt. Der eine ist – völlig unverständlich für die Kriminalen – frei gesprochen worden und der andere? Ach, das ist nicht wichtig, denn beide Male sind die Spuren so überdeutlich, daß unser Hauptärgernis endlich zur Sprache kommen muß.

 

Der Leser wird immer wieder mit Absicht auf die falsche Fährte gelockt. Grundsätzlich ist das ja erst einmal ein gewohntes Verfahren, denn daraus entsteht eben Spannung und die Lust, endlich den Täter zu fassen, als Leser möglichst noch vor dem Kommissar. Aber, wenn sich das derart häuft, daß immer wieder schon beim Lesen sich die Vermutung einstellt, da will uns Ahnhem wieder in die Irre schicken und sich das bewahrheitet, dann bleibt nach der xten Volte einfach Überdruß übrig. Man will als Leser eines Kriminalromans nicht derart verarscht werden, wie es hier geschieht. Zu sehr synthetisch erscheint einem dann alles, zu wenig echt und lebendig.

 

Als uns das das erste Mal auffiel, haben wir uns die Stelle notiert und dann alle weiteren Stellen, die wir benennen wollten. Aber das jetzt aufzuführen wird uns selbst langweilig und wir wollen die Leser nicht langweilen mit dem, womit uns der Autor langweilt. Aber auf Nachfrage geben wir gerne die Seitenzahlen an und verweisen jetzt nur auf Seite 414, wo Dunja ihrem Carsten nachreist und wir automatisch wissen, wie es weitergeht. Nicht weil es im Leben so wäre, sondern weil so was längst zum Versatzstück von skandinavischen Krimis geworden ist.

 

Wir hatten dann noch ein Problem. Daß Kommissar Fabian Risk in einer entscheidenden Situation mit bösen Folgen nicht schießen kann und deshalb am Schluß seinen Abschied von Stockholm nehmen muß, legt nahe, daß er sich mit der zusammengeschweißten Familie wieder zurück nach Helsingborg begibt, wo zudem das letzte Kapitel spielt, weshalb wir fürchten müssen, daß es einen dritten Teil geben wird. Das sollte sich der Autor gut überlegen! Der gesamte Schluß ist zudem völlig unbefriedigend, läßt auch vieles offen, geradezu lieblos das Ganze. Sehr schade, denn lieber liest man Spannendes und lieber lobt man.

 

P.S.:

 

Auch der Titel ist beziehungslos. Denn da wird mehr gesammelt als Herzen.

 

Info:

 

Stefan Ahnhem, Herzsammler, List Verlag 2015