Der erste Fall für Kommissar Leblanc von Catherine Simon im Goldmann Verlag

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) - Wir wollen nicht behaupten, daß dieser Kriminalroman neue Welten erschließt oder literarisch eine Sensation sei, aber hier haben Sie ohne das Aufgemotzte und zum Höhepunkt des Krimisommers Stilisierte einen gut gemachten Krimi, der keinen anderen Anspruch hat, als Sie gut zu unterhalten.

 

Daß Sie dabei auch noch etwas lernen können, zum Beispiel über die Normandie, ihre Bewohner, deren Sitten und einen berühmten Gast, das ist ja ein gutes Nebenprodukt, zumal es unauffällig daherkommt und beileibe nicht mit dem Zeigefinger vorgeführt wird. Und die Toten, die Morde, die handelt die Autorin auch so ab, daß das alles etwas unglücklich verläuft, was als Täteranalyse nach dem großen Unbekannten in Gang gesetzt wird, von unserem Kommissar Jacques Leblanc, der sich von Paris ins Ferienparadies hat versetzen lassen.Der Reihe nach.

 

Eigentlich nicht wichtig, aber für diesen ersten Fall schon, soll der Leser erfahren, daß der Verfassername Catherine Simon ein Pseudonym von Sabine Grimkowski ist. Sicher erst einmal deswegen, weil sie schon Bücher geschrieben hat, auch Bücher zur Normandie und so wie manche Romane über Filme schreiben, tatsächlich Romane über Fernsehserien schreibt. Zudem ist sie Redakteurin des Südwestrundfunks und beruflich mit Literatur beschäftigt. Sie selbst beschreibt auf der letzten Seite, wie es sie in die Normandie verschlagen hat, in der sie jedes Jahr mehrere Wochen verbringt. Jedes Mal als Gast im Hotel des Roches Noires und da langt es nicht mehr, nur Normandie zu sagen. Da muß man Trouville hinzufügen – oder ordentlich Deauville-Trouville, den beiden Badeorten an der Mündungsbucht der Seine.

 

Ihr Bezug zu Trouville und dem Roches Noires ist nicht nebensächlich, denn dort war wohl zwölf Jahre hintereinander Marcel Proust zur Sommerfrische und alles, was wir Proustleser mit dem Ort Balbec verbinden, ist Trouville nachempfunden. Davon lebt der Ort für die Aficionados a Proust, von denen es viele gibt, zu denen die Autorin gehört. Und ihre Spezialkenntnisse über den Dichter und auch die Gesellschaft in seinem Namen sind nicht unwesentliche Füllsel der Erzählung, die zudem atmosphärische Dichte bringen und eben den Hauch einer Welt vermitteln, der dann tatsächlich einer zum Opfer fällt.

 

Erst einmal lernen wir diesen etwas luftigen Kommissar kennen, der jedem Rock hinterherstarrt – was nicht genug ist, denn er versucht, ohne das Risiko, sich wirklich binden zu müssen, jeden Abend mit einer anderen Frau zu verbringen, zumindest essen zu gehen, wobei, das ist dann schon interessant, wie schlüssig diese Person entwickelt wird, für seine Ängste, allein im Dunkeln schlafen zu müssen, interessante Hintergründe aufscheinen, die wiederum dezent untergebracht werden. Die Autorin vermeidet es überall, zu dick aufzutragen oder die psychischen Sperenzchen ihrer Protagonisten mit dem Holzhammer zu erklären.

 

Was wir auch kennenlernen, ist Land und Leute, wobei die Fischer erst einmal die wichtigsten werden, denn mit dem Toten am Strand beginnt es, der, wie jeder dort weiß, als Tagelöhner Pfennige verdiente und den Fischern immer wieder aushalf. Wie schwer die Fischer es heutzutage haben, entdeckt der Kommissar zwangsläufig und muß so viel über das Leerfischen der Meere und die falsche Aufzucht von 'Kunstfischen' erfahren, daß ihm, der jeden Tag zweimal Essen geht, Fisch nicht mehr schmecken wird. Sozial gesehen geht es eben auch um die kleinen Fischer und die großen Finanzhaie, die alles aufkaufen und ihre Preise und ihr System diktieren zu Lasten der Menschen und der Fische. Wie dann allerdings zweie, die eigentlich gegensätzliche Positionen einnehmen, doch eine Gemeinsamkeit haben und was das mit dem Mord, dem der eine zum Opfer fällt, zu tun hat, ist auch eine Volte, die jemand erst einmal schlagen muß. Wir sprechen hier von dem zweiten Toten, dessen Identität man noch nicht verraten darf, denn er hat als Figur gleich mit mehreren Personen im Krimi zu tun.

 

Wir können diesen Krimi richtig gut als Sommerlektüre empfehlen, für diejenigen, die in die Normandie reisen, sollte er Pflicht sein – und haben trotzdem noch eine gewaltige Kritik! Auf die wären wir vielleicht gar nicht gekommen, wenn wir uns nicht so gefreut hätten, daß auf den beiden ersten Umschlagseiten eine Landkarte uns die Orte der Normandie und auch die der Erzählung zeigt. Das vermissen wir fast immer, daß dieser Service geboten wird. Darum ein großes Kompliment. Das wollten wir schreiben. Doch dann das. Als wir nämlich genauer hinschauten und zwar Caen und Bayeux sowie Deauville-Trouville fanden und auch Le Havre, sogar Harfleur, da vermißten wir auf einmal HONFLEUR. Gut, Pont l'Eveque, das muß man nicht einzeichnen, nur besuchen, aber HONFLEUR, das darf man nicht vergessen und es kommt auch auf jeder herkömmlichen Karte vor. Außerdem fahren Leblanc und seine clevere Mitarbeiterin Nadine auf Seite 204 f nach Honfleur, um einen Verdächtigen zu verhören. Der wird dann übrigens in Le Havre aufgefunden. Man kommt also rum, die Karte hat eine wichtige Orientierungsfunktion für den Leser. Noch einmal: die Idee ist gut.

 

Spätestens, wenn die Literatin Catherine Simon sich mit der Kunst beschäftigt und ihren Kommissar in diesem Umfeld ermitteln läßt, spätestens dann wird HONFLEUR eine Rolle spielen, ist es doch dieser Ort, der im 19. Jahrhundert ob seines Licht alle angezogen hat: Monet, Pissaro, Courbet, Renoir, Cézanne, Sisley und andere, weshalb HONFLEUR auch als Impressionistenhochburg gilt. Wir sind sicher, daß wir darüber in einem anderen Krimi mehr hören werden. Erst einmal ist der zweite Fall von Kommissar Leblanc angekündigt: WINTERGÄSTE IN TROUVILLE und der vorliegende erste Fall macht Lust auf mehr.

 

 

Info:

Catherine Simon, Kein Tag für Jakobsmuscheln. Der erste Fall für Kommissar Leblanc, Goldmann Verlag 2015