Jean Bagnol, Commissaire MAZAN und die Erben des Marquis, im Knaur Verlag

 

Adelheid Haase

 

Stuttgart(Weltexpresso) – Das ist doch eine Gemeinheit. Wie soll man da eine möglichst objektive Kritik dieses Krimis schreiben, mit dem nicht nur ein neuer Kommissar das Licht der Krimiwelt erblickt, sondern auch ein neuer Autor. Gemein, weil unser Commissaire MAZAN nichts anderes ist als ein dahergelaufener schwarzer Kater, der ob seiner Raffinesse und seiner Katzentricks alle Katzenfreunde sofort in Kritiklähmung versetzt und sie mitfiebern läßt, daß er überlebt und dabei auch noch die Morde aufklärt.

 

Sie haben das Vorgehen unseres Autors mit dem Commissaire in der Provence verstanden, also durchschaut, dieser Autor, der noch dazu französisch klingt, auch wenn sich dahinter ein deutsches Schreibehepaar verbirgt, das in Berlin lebt und als Einzelwesen Nina George und Jens Kramer sowie Jo Kramer heißen– nein kein flotter Dreier, sondern der Ehemann hat gleich zwei Schreibnamen, die der Dame verraten wir nicht – und einzeln schon bisher eine Menge von Büchern verfaßt haben. Und wie wir die Leser kennen, werden sie diesen Commissaire MAZAN so lieben lernen, daß wir uns auf weitere Fortsetzungen gefaßt machen dürfen, müssen, sollen.

 

Sie merken schon, wie wir da herumeiern. Denn eigentlich ist dieser neue Krimi mit seinem Commissaire MAZAN ein Machwerk, was kein Negativum ist, sondern hier mit Hochachtung ausgesprochen wird. Auf die Idee muß man erst mal kommen, es einen Streuner in die schöne Stadt Mazan verschlagen zu lassen, wobei nicht der Kater allein das Ereignis ist, sondern, wie er sich in der kleinen Stadt voll von Katzen zu deren Chef mausert, weswegen aus dem Wanderer der Commissaire wird, strategisch eine Meisterleistung, aber gar nicht mit Absicht so hinbekommen, unser Schwarzer ist eher einer, der zur richtigen Zeit am richtigenOrt ist und dann auch noch das Richtige tut.

 

Und natürlich sprechen die Katzen ihre Katzensprache so, daß wir sie lesen können, und es sind just jene Gedanken, Absichten und Taten dieses Katzenvolkes, die wir ihnen schon seit jeher unterstellt haben. Da gibt es eine so liebevoll und differenziert dargestellte Katzenvielfalt, daß jedem Katzennarren – und wer eine Katze liebt, liebt mir ihr alle – das Herz aufgeht. Das ist aber nur das eine, denn selbstverständliche könnte das bei aller Katzeneuphorie nicht einen ganzen Roman tragen, der ein Krimi sein will – und ist!

 

Wenn dem Buch zum Geleit Worte von Marquis de Sade (1740-1814) vorangehen: „Sich keinen Deut um Gesetze zu scheren, sie samt und sonders zu brechen, mein Freund, dies ist die wahre Kunst, Wollust zu empfinden. Erlerne diese Kunst und zerreiße alle Zügel!“, dann wissen wir, auf wen sich die Überschrift des Krimis von den Erben bezieht. Und in dieser Melange von Sex, besserer Gesellschaft und Verbrechen geht es nun heftig her, mit einer Handlung, die plausibel ist und den Leser mitreißt , ja ihn zwingt, nach den Verdächtigen zu suchen, wobei er aber gekonnt von den Autoren immer wieder in der Handlungsabfolge überrascht wird.

 

Doch das wäre alles noch immer nichts ohne Zadira Matéo, die aus Marseilles strafversetzte Lieutenant, eigentlich Drogenfahnderin, der nun der Posten im Vaucluser Weinstädtchen Mazan angedreht wird. „Wenig später hatte sie auch herausgefunden warum. Mazan war kein Posten. Mazan war ein Witz.“(12) Wie sie mit der Kleinstadtsituation zurechtkommt, verfolgen wir mit, genauso wie die Mißgunst, die ihr von Ihrem Vorgesetzten entgegengebracht wird oder die Annäherungen an ihren Nachbarn, den Tierarzt.

 

Eigenartig, vielleicht ist unsere Sympathie für diese unkonventionelle Polizistin einer Ähnlichkeit geschuldet, die wir automatisch beim Lesen vor Augen hatten: die junge Kriminalkommissarin Hannah Maes (Veerle Baetens) der Fernsehserie Code 37 in ZDF neo. Sie ist uns wie die Verkörperung dieser französischen widerspenstigen und gegen bestimmte Männer spröden und den Tieren und Frauen zugetanen jungen Frau, die zwar lange schwarze Haare hat und keine kurzen blonden, aber genauso extrem und differenziert zugleich auf ihre Umwelt reagiert.

 

Daß sie den Wanderer erst zum Commissaire MAZAN befördert und ihn damit herausfordert, macht sich für sie bezahlt. Denn der bei ihr eine Heimat gefundene Streuner ist es schließlich, der mit der ganzen Katzengemeinde ihr den Täter liefert.

Mit der einen Frauenleiche beginnt es. Völlig ungewöhnlich für MAZAN, wo nie etwas passiert. Auch deshalb nicht, weil alles hinter dicken Mauern verborgen bleibt, was andere nicht wissen sollen. Und sie bleibt nicht die einzige Leiche, weil die Lust ihre Opfer fordert. So hatte das de Sade zwar nicht gemeint. Aber so ist es in Mazan. Und da es dort doch gutbürgerlich zugeht, ist der Täter dann auch keiner der üblichen Verdächtigen aus dem Sexgeschäft der Oberen, sondern einer, den wir nicht verraten werden, denn dieser Krimi lebt einfach vom Selberlesen.

 

Wer die Gegend kennt und oder das französische Leben liebt, liegt mit dem Buch sowieso richtig, denn es wird fachgerecht gegessen und getrunken, daß sich die Balken biegen.

 

Daß man vom benachbarten Mont Ventoux aus das ferne Meer sieht, sehen kann, wundert nur den, der nicht dort war oder Petrarca nicht gelesen hat. Daß sich das belesene und kulturell aufgepeppte Autorenpaar entgehen ließ, auf den frühen Humanisten Petrarca zu verweisen, der im Jahr 1336 den Berg Ventoux bestiegen hat und wunderschön darüber schreibt, wundert einen, aber das können die beiden nachholen, denn die Gemeinde Mazan mit rund 6000 Einwohnern gibt es wirklich und es liegt auch im Département Vaucluse sozusagen zu Füßen des Mont Ventoux, sechs Kilometer von Carpentras und etwa 20 von Avignon entfernt. Und spätestens jetzt weiß jeder, wo wir uns hier in der Provence befinden.

 

Übrigens, dieser Krimi wird es nicht auf die KrimiBestenListe schaffen – und das ist auch nicht intendiert. Es geht um gekonnte Unterhaltung, gleichzeitig Länderkunde und manches, was man erfährt und zuvor nicht wußte, in eine Krimigeschichte eingebunden. Und gleich kommt der nächste Streich.

P.S. Ach, müssen wir die Überschrift wirklich kommentieren. Vordergründig geht es um den Aufstieg des Katers und den Abstieg der Lieutenant durch die Strafversetzung nach Mazan. Aber wie das mit Auf- und Abstiegen so ist, mancher Abstieg entpuppt sich als Aufstieg. Warten wir es ab.

 

Info:

Jean Bagnol, Commissaire Mazan und die Erben des Marquis, Knaur Verlag