Frank Witzel erhält den Deutschen Buchpreis 2015 für seine ERFINDUNG, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Interessant die Ausführungen des Börsenvorstehers Heinrich Riethmüller, was Ralf Rothmann angeht. Denn der hatte ausdrücklich abgelehnt und dies von seinem Verlag Suhrkamp verlangt, daß sein IM FRÜHLING STERBEN nicht eingereicht werde. Er entzieht sich dem Deutschen Buchpreis und das darf er.Für den Buchhandel in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sei der Buchpreis eine Säule des Bücherjahres (für den Verkauf).
Der Verweis auf Rothmann hatte einen netten Schlenker. Wörtlich hieß es: „Daß ein Autor, der zudem auch noch ein ernster Kandidat für die Nominierung zum deutschen Buchpreis gewesen wäre, das Prozedere in Barleby'scher Attitüde – ich mag lieber nicht (I would prefer not to) – gar nicht erst mitmacht, ist respektavel. Es ist eine freie Entscheidung. Ralf Rothmann entziehst sich dem Deutschen Buchpreis und dem damit zusammenhängenden öffentlichen Auswahlprozeß. Und das ist dem Feuilleton eine Meldung wert.“ Gerne geschehen.
Riehtmüller verwies auch darauf, daß noch nie eifriger in den Sommer- und Herbstmonaten gelesen wurde, wie seit der Einführung des Deutschen Buchpreises. Es könne sich zudem keine Buchhandlung leisten, zumindest die letzten Sechs Nominierten für den Preis nicht auf Lager zu haben. „Jeder, der sich für Bücher interessiert, wird die Liste zur Hand nehmen und mit seinem Buchhändler oder im Freundes- und Familienkreis darüber sprechen und streiten. Er oder sie wird neugierig gemacht, weil nicht nur ein einzelner Rezensent über ein Buch urteilt, sondern weil sich eine Gruppe von sieben kundigen und lesebegeisterten Kritikern und ausgewiesenen Fachleuten durch die wichtigen Neuerscheinungen der letzten Monate gelesen hat. „ Deren Ergebnis sind sozusagen Destillate dieses Diskussions- und Meinungsbildungsprozesses.“
Daß Riehtmüller ausdrücklich der siebenköpfigen Jury dankte, hat allen Grund. Denn so schien es, der Zusammenhalt und die intensiven Diskussion miteinander war noch nie so spürbar wie in diesem Jahr. Davon gleich mehr.
Jetzt begann ja eigentlich erst die Veranstaltung vom Inhalt her. Auch zum elften Mal war es Gert Scobel, der durch die gute Stunde im Kaisersaal führte, was hervorragend vorbereitet war. Diesmal mußte Scobel nämlich nicht alles in Personalunion selbst sprechen. Ihm oblag es, die Autoren mit ihren Büchern alphabetisch vorzustellen: also Jenny Erpenbeck für Gehen, ging, gegangen, bei Knaus August 2015, Rolf Lappert, Über den Winter, (Hanser August 2015), Inger-Maria Mahlke, Wie ihr wollt (Berlin Verlag März 2015, Ulrich Peltzer, Das bessere Leben, Fischer Juli 2015, Monique Schwitter, Eins im Andern (Droschl August 2015) und Frank Witzel, Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (Matthes & Seitz Februar 2015).
Nach jeder Personen- und Bucheinführung las Franziska Junge, Schauspiel Frankfurt die Romananfänge vor. Das ist schon etwas anderes, wenn dies eine geschulte Sprecherin tut. Nach dem Verlesen kommt jeweils in informativer kurzer Fernsehfilm. Es wird der Autor gezeigt, der etwas zu seinem Buch sagt, es wir vor allem dann ein Jurymitglied darüber sprechen, weshalb dieser Roman für die letzten Sechs ausgewählt wurde, von denen jeder den Buchpreis erhalten kann.
Nimmt man nun einmal das Verlesen der Romananfänge selbst, so hätte man glauben können, die Sprecherin hätte das Ergebnis schon gewußt. Denn sie nahm das letzte Buch, Witzels ERFINDUNG, auch zum Anlaß in einer Tour de Force rhythmisch und atemlos das Publikum geradezu schwindelig zu reden. Verbunden mit dem Film über Witzel, in dem dieser so richtig in gepflegtem Hessisch souverän seinen Roman mit einem der Höhepunkte des Überfallens des Spielzeugladens durch den Ich-Erzähler schmackhaft machte und dem zum Abschluß aufbrandenden Beifall, hätte man glauben können, die hätten das Ergebnis: Preis für Witzel schon vorher gewußt. War aber nicht so. War einfach eine gute Programmgestaltung des deus ex machina, wobei wir eher an eine dea ex machina glauben. Fortsetzung folgt.
INFO:
Der Jury für den Deutschen Buchpreis 2015 gehören an: Markus Hinterhäuser (Wiener Festwochen), Rolf Keussen (Mayersche Droste, Düsseldorf), Ursula Kloke (Botnanger Buchladen, Stuttgart), Claudia Kramatschek (freie Kritikerin), Ulrike Sárkány (Norddeutscher Rundfunk), Christopher Schmidt (Süddeutsche Zeitung) und Bettina Schulte (Badische Zeitung).
„Der Deutsche Buchpreis und sein Findungsverfahren rücken nicht nur den eigentlichen Preisträger in den Mittelpunkt, sondern vielmehr eine ganze Reihe von Büchern, die sonst nicht diese Aufmerksamkeit der Leser erhalten hätten. Jeder, der sich für Bücher interessiert, wird neugierig gemacht, weil nicht nur ein einzelner Rezensent über ein Buch urteilt, sondern weil sich eine Gruppe von sieben kundigen und lesebegeisterten Kritikern und ausgewiesenen Fachleuten durch die wichtigen Neuerscheinungen der letzten Monate gelesen hat. Die Long- und Shortlist sind Destillate dieses Diskussions- und Meinungsbildungsprozesses. Und das Endergebnis, die Wahl des Romans des Jahres, rückt dabei ein Buch ins Rampenlicht, ohne die anderen vergessen zu machen“, sagt Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Frank Witzel hat sich durchgesetzt gegen: Jenny Erpenbeck (Gehen, ging, gegangen, Knaus), Rolf Lappert (Über den Winter, Carl Hanser), Inger-Maria Mahlke (Wie Ihr wollt, Berlin Verlag), Ulrich Peltzer (Das bessere Leben, S. Fischer) und Monique Schwitter (Eins im Andern, Droschl)
Er erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro; die fünf Finalisten erhalten jeweils 2.500 Euro. Der Preisträger wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Die sieben Jurymitglieder haben 199 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2014 und dem 16. September 2015 erschienen sind. Aus diesen Romanen wurde eine 20 Titel umfassende Longlist zusammengestellt. Daraus haben die Juroren sechs Titel für die Shortlist gewählt.
Mit dem Deutschen Buchpreis 2015 zeichnet die Börsenverein des Deutschen Buchhandels Stiftung zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse den deutschsprachigen Roman des Jahres aus. Förderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind zudem die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main. Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland.
Exklusive englische Übersetzungen von Leseproben der sechs Shortlist-Titel sowie ein englischsprachiges Dossier stehen unter www.new-books-in-german.com bereit.
www.deutscher-buchpreis.de.