Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. November 2015, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – James B. Donovan heißt im Film BRIDGE OF SPIES – DER UNTERHÄNDLER die Hauptperson, der Rechtsanwalt, der die zweite Hauptperson, den UdSSR-Spion Rudolf Abel, vor Gericht verteidigt, sein Todesurteil mit dem Argument eines potentiellen Gefangenenaustauschs abwenden kann und ihn dann wirklich gegen zwei US-Angehörige austauschen kann. Die Filmpersonen kommen den geschichtlich verbürgten sehr nahe.

 

Das kann man wunderbar im Buch von James B. Donovan Strangers on a Bridge. Der Fall Rudolf Abel nachlesen, das nach der Neuauflage in Amerika bei Goldmann jetzt 2015 erschienen ist, versehen mit gelbem Aufkleber: Die Hintergrundgeschichte zum großen Kinofilm. Und warum wir jetzt so gerne davon berichten, hat auch damit zu tun, daß das Buch die Gelassenheit und Menschenfreunde ausstrahlt, die im Film der Verkörperung des Donovan, Tom Hanks, zukommt. Vor allem aber erkennen wir diesen Rudolf Abel wieder, der im Film in Gestalt des Mark Rylance mit seinem nüchternen, zurückhaltenden, schweigenden, aber die passenden Worte findenden Habitus den Film absolut trägt, wir erkennen also Abel mit seinem hintersinnigen Humor im Buch wieder.

 

Natürlich ist es ja eigentlich umgekehrt. Denn der Strafverteidiger James B. Donovan hat seine Geschichte über den Prozeß und den späteren Austausch minutiös aufgeschrieben, auf 565 Seiten samt Anhang mit der Belobigung vom amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy vom 12. März 1962 und dem Händedruck der beiden zum selben Datum auf dem beigefügten Foto. Das Buch ist in den USA schon 1964 unter dem Titel STRANGERS ON A BRIDGE. THE CASE OF COLONEL ABEL erschienen und trägt als Widmung: „Allen amerikanischen Anwälten gewidmet, die hilflosen, armen und verachteten Menschen Beistand gewähren.“

 

Für Normalbürger ist immer so schwer verständlich ist, daß es zum Ethos des Anwaltsberufes gehört, sich mit voller Kraft der Verteidigung seines Mandanten hinzugeben, unabhängig davon, ob dieser gemäß seiner Anklage schuldig ist oder nicht. Ja, es ist dem Strafverteidiger sogar lieber, wenn er die 'wahren' Tatsachen gar nicht kennt. So ging es auf jeden Fall unserem echten Donovan, der ausdrücklich betont, daß Rudolf Abel mit keinem Wort je ein Eingeständnis seiner Schuld über die Lippen kam, weshalb allein die Indizien sprachen, die allerdings erdrückend waren und in ein Todesurteil münden sollten wie Jahre zuvor beim der Spionage beschuldigten amerikanischen Ehepaar Rosenberg.

 

Rudolf Abel aber war russischer Staatsangehöriger, weshalb es Donovan gelang – der Film folgt hier in allem dem Buch – den Richter davon zu überzeugen, daß das Strafmaß in eine Gefängnisstrafe münden sollte, damit unter Umständen Abel gegen einen in der UdSSR inhaftierten US Bürger ausgetauscht werden könne. Es wurden 45 Jahre. Damit sind wir jetzt dem Buch schon weit voraus. Nach dem schnellen Urteil vom Oktober 1957 dauerte es vier Jahre, bis es genau zu dem Ereignis kam, weswegen Steven Spielberg diesen Film drehte, dessen Höhepunkt der Austausch auf der Glienitzer Brücke des Spions Rudolf Abels gegen den U-“-Piloten Francis Gary Powers, der 1960 abgeschossen wurde, ist, einschließlich der Übergabe des Amerikaners Frederic Pryor, eines naiven völlig unschuldigen amerikanischen Studenten am Check Point Charly durch die DDR.

 

Der 1916 in New York geborene James B. Donovan war Assistent des US-Hauptanklagevertreters bei den Nürnberger Prozessen gewesen und zuvor im Zweiten Weltkrieg Marine-Offizier und Berater des militärischen Nachrichtendienstes. Seine Reputation brachte die Anwaltskammer dazu, ihn als Pflichtverteidiger vorzuschlagen, dem das Gericht und vor allem der Angeklagte folgte. Bei der Festnahme Abels am 21. Juni 1957 wurden 22 886,22 Dollar in bar gefunden. 10 000 Dollar einschließlich der Spesen vor Gericht wurden als Honorar – wiederum mit der Zustimmung Abels – vereinbart, die Donovan von Anfang einer wohltätigen Organisation spenden wollte, was er tat. Daß er überhaupt dieses Buch hatte schreiben können, verdankt sich seinen minutiösen Tagebüchern, weshalb auch dieses Buch in Jahre und die wichtigsten Tage unterteilt ist. Er ist übrigens schon acht Jahre nach der Übergabe 1970 verstorben, hatte aber in diesen Jahren vor allem einen personell umfangreichen Gefangenenaustausch mit Kuba möglich gemacht.

Fortsetzung folgt

 

Foto: Der Russe Abel (Mitte) und sein Verteidiger Donovan (rechts) vor amerikanischem Gericht


 

 

Info:

James B. Donovan, Stranger on a Bridge. Der Fall des Oberst Abel, Goldmann 2015