Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 26. November 2015, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Jason Matthews faßt in seinem Vorwort den Ablauf der Geschichte zusammen und so bekommen wir mit, daß Donovans Buch 1964 erschien und ein Bestseller war, was angesichts des dramatischen Geschehens nicht nur stimmig ist, sondern sich einreiht in die klassischen Kalte-Krieg-Thriller der 60/ und 70er Jahre, die seit dem 2. Weltkrieg und dem Auseinanderdriften der ehemals gegen die Nazis verbündeten USA und UdSSR literarische Konjunktur hatten.

 

Rudolf Abel war ein Paradebeispiel für einen Illegalen-Nachrichtenoffizier. Er sprach fließend Englisch, Russisch, deutsch, Polnisch und Jiddisch. Als Jugendlicher hatte er Talent für Maschinenbau, Musik, Malerei, Fotografie und Funktechnik gezeigt...“. Die Person des Angeklagten bleibt im Buch wie im Film ein Mysterium, woher er nämlich seine Ruhe, seine nicht nachlassende Überzeugung und seine Distanz zum Geschehen hatte.

 

Eine der Fragen zum Film und Buch liegt genau in der Person des Angeklagten, dem das Drehbuch der Brüder Coen Fragen in den Mund legt wie : „Would it help?“, bei dessen Wiederholung jeder Zuschauer entlastend losprustet. Es geht dann immer um eine potentielle Verteidigungsstrategie von Donovan. Tatsächlich heißt es im Buch an diesen Stellen: „Ist das für meine Verteidigung erforderlich?“ (29), was zwar nicht so witzig, aber in dieselbe Richtung weist. Wir können uns gar nicht genug freuen darüber, daß dieses Buch den Abstand vom hysterischen Geschehen der Zeit wahrt, der auch die leisere Ironie im Film auszeichnet, bzw. die Menschlichkeit die sich hier bewähren muß, wenn ein Pflichtverteidiger den spionierenden Angehörigen eines anderes Staates herauszupauken versucht, der im staatlichen Leben des Amerikaners sein russischer Gegner ist.

 

In diesen Kontext paßt es, daß im letzten Eintrag, am Dienstag, 6. März 1962 für den Verfasser von einem sowjetischen Kurier in Berlin ein Paket übergeben wird, in dem Rudolf Abel dem Anwalt zwei seltene Pergamentbände aus dem 1^6. Jahrhundert mit Kommentaren zum „Kodex Justinian“ in lateinischer Sprache zukommen läßt, verbunden mit einem so höflichen wie innigen Dankesbrief.

 

Inhaltlich sind wir nicht einverstanden mit den Ausführungen des Vorworts, das ja 2015 zur Neuausgabe geschrieben wurde, wo auf Seite 15 mehrfach über das Ehepaar Rosenberg informiert wird,: „wichtige Kuriere und Aufklärer es Agentenrings“, die deshalb zum Tode verurteilt wurden, was im Juni 1953 geschah. Heute weiß man, daß Ethel Rosenberg keine Spionin war, daß sie nicht eingebunden war in geheimdienstlichen Handeln, daß sie von ihrem eigenen Bruder, der in die Spionage führend involviert war, fälschlich bezichtigt wurde, woraufhin sie den Tod erlitt, ihr Bruder mit ein paar Jahren Gefängnis davon kam.

 

Selbst Wikipedia schreibt: „Der New Yorker Staatsanwalt Roy Marcus Cohn, der die Anklage führte, soll aus Geltungssucht einen unfairen Prozess gegen Ethel Rosenberg geführt haben.“ Es kommt noch schlimmer. Denn die heute veröffentlichten Unterlagen der Russen belegen, daß Ethel Rosenberg unschuldig war. Im Jahr 2008 wurde zudem bekannt, daß Richard Nixon eingestanden hatte: „daß im Prozeß erhebliche Fehler gemacht wurden“ und „Belastungsmaterial manipuliert wurde.“, was dann 1993 zu einem weiteren Prozeß führte, „es habe damals keine wirklichen Beweise für eine Beteiligung der Rosenbergs gegeben.“ Sie sind als einzige hingerichtet worden und heute wird ganz offen darüber gesprochen, daß es auch darum ging, daß sie jüdische Amerikaner waren und antisemitische Gründe für die Verurteilung sprachen.

 

Das muß ein aktuelles Vorwort bei einem solchen Buch berücksichtigen, statt den Stand der 50er Jahre zu belassen. Überhaupt ist es um die Rosenbergs merkwürdig still geworden. Das fällt einem schon im Film auf, daß da kein Bezug vorhanden ist, wo es doch beidemale um Spionage für die Russen geht. Und dann fällt einem nach dem Lesen der zugrundeliegenden Ereignisgeschichte vom James B. Donovan auch auf, daß der Film anders als das Buch den amerikanischen Patriotismus gar zu deutlich betont. Und liest man das Buch, vertiefen sich diese Eindrücke, die man beim Zuschauen eher intuitiv wahrnahm, daß der Film viel stärker diesem, von sich selbst als rechtschaffen überzeugten Amerika entspricht. Der Spion Abel wird im amerikanischen Gefängnis behandelt wie ein Edelmann, der amerikanische Pilot wird in der UdSSR gefoltert und geschändet. Ist Guantanamo der Unterschied zu 1957?

 

P.S. Neben diesem massiven inhaltlichen Problem – allerdings nur im Vorwort - gab es einige eher nebensächlichen sprachlichen Anmerkungen. Es muß am Schluß auch Codex Justinianus heißen, aber eigentlich – so lernen wir es in der Schule – handelt es sich um den Corpus Iuris Civiles von 529. Das war die Zusammenfassung aller römischen Gesetze mitsamt ihrer Kommentierungen. Diese Kodifizierung des römischen Rechts ist deshalb so wichtig, weil sie die Rechtsvorgaben in den einzelnen europäischen Ländern bestimmte, die vom Gewohnheitsrecht, Grundlage des englischen Rechts und das der Germanen, auf der einen Seite und Rechtsnormen auf der anderen Seite ausgehen. Das deutsche BGB enthält römischrechtliche wie auch deutschrechtliche Bestimmungen.

 

Foto: Der Amerikaner Powers vor russischem Gericht

 

 

 

 

Info:

James B. Donovan, Stranger on a Bridge. Der Fall des Oberst Abel, Goldmann 2015