Serie: 6. literaTurm wird zum Literaturfestival Frankfurt RheinMain vom 2. bis 13. Mai 2012, Teil 3/ 10

 

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Endlich geht es los mit dem Literaturfestival LAKONIE UND LEIDENSCHAFT, die so manchem schon den Mund wässrig gemacht haben, denn für das büchererprobte Frankfurt es es dennoch neu, eine so anspruchsvolle Reihung mit 47 Veranstaltungen unter einem Motto und einer Reihe gewichtiger und auch neuer deutscher Schriftsteller und Gäste aus dem Ausland lesen und diskutieren zu hören.



Hélène Grémillon mit DAS GEHEIME PRINZIP DER LIEBE, der 256 Seiten starke Roman aus dem Verlag Hoffmann & Campe beginnt am 3. Mai um 18 Uhr im OpernTurm das Lesefestival. Obwohl das Gespräch auf Französisch geführt wird – mit Zusammenfassung auf Deutsch, ist es schon jetzt ausverkauft. Ein guter Auftakt und man hört, daß so manche Veranstaltung schon voll ist. Aber, die Bücher lesen, kann man immer und darum werden wir jetzt mehr über die Bücher schreiben, als über die Lesungen, die zudem von uns angekündigt wurden und auf der Webseite gut zu verfolgen sind.



Mit DAS GEHEIME PRINZIP DER LIEBE, hat die 1977 in Poitou geborene Französin ihren ersten Roman vorgelegt, der auf Anhieb mit dem Prix Roblès ausgezeichnet wurde. Sie arbeitet als freie Journalistin, Drehbuchautorin und Regisseurin. Auf andere Art als die wunderbar lakonische Hanna Krall aus Polen, arbeitet auch Hélène Grémillon die menschlichen Verwicklungen in der Vorkriegszeit und der folgenden Besatzungszeit durch die Nazis auf. Wenn sie als Motto mit dem schönen Lorcazitat beginnt:

Das Vergangene legt an

Seinen eisernen Harnisch

Und mit Windwatte stopft's sich

Die Ohren.

Nie entringen wir ihm

Ein Geheimnis.

wissen wir, daß wir, daß wir eintauchen werden in eine Geschichte, in der wir stärker mit Ahnungen konfrontiert sind als mit schnöder Realität, die aber aufzuklären unser und auch der Autorin Interesse ist, die das stellvertretend für die auktoriale Erzählerin Camille tut.

 

Eine durchaus raffinierte Erzählkonstruktion, die stärker raffiniert, als durchsichtige Struktur bleibt. Die Mutter stirbt 1975, was das Leben der Verlegerin Camille durcheinanderwirbelt. Erst schon einmal des Todes wegen, dann aber wegen der einsetzenden Flut von anonymen Briefen wegen, die der Mann schreibt, der Annie liebte, die wiederum immer wieder ihrer Gönnerin nach Paris danke und aus Dankbarkeit dann für sie ein Kind zur Welt brachte, damals. Es ging aber übel aus, denn die Muttergefühle übermannen – müßte es nicht überfrauen heißen? - diese Annie und das kostete die Liebe und mehr.

 

Annette Pehnt ist ebenfalls am Donnerstag um 18.30 zu hören und zu sehen in der BHF-Bank mit ihrem jüngsten Roman CHRONIK DER NÄHE aus dem Piper Verlag. Auch sie, die 1967 in Köln Geborene, beginnt in den Kriegstagen, wenn das unaufhörliche Spiel dieser Frauenriege beginnt, Mutter-Tochter, die Tochter wird erneut zur Mutter und deren Tochter Annie hat wiederum ein Kind. Kann diese Annie den Kreislauf der Erpressungsliebe unterbrechen? Schockierend beschreibt Annette Pehnt diese besitzergreifende Liebe, die so tut, als ob sie gar keine sei und unterschwellig, ja und dann ganz offen die Frage stellt:“Liebst du mich?“, von deren Antwort oder Antwortverweigerung das eigene leben abhängt.

 

Geradezu unheimlich existentiell wird das Geschehen zwischen diesen Frauen, die sich derart aufeinander konzentrieren, daß Außenbeziehungen – immerhin sogenannte Ehemänner – fast irrelevant werden. Die Sprach ist nüchtern, geradezu lakonisch und greift damit den Titel des Festivals auf, mit unaufhörlicher direkter Rede, erzeugt dies einen Lesesog, der einen weitertreibt, gerade weil man derartige Frauenverhältnisse selbst nicht kennenlernte und zufrieden konstatiert, daß einem nichts verloren ging und sich ein wenig ängstlich fragt, ob man nicht doch etwas verpaßt habe.

 

Benjamin Lebert ist um 20 Uhr am 3. Mai im OpernTurm zu erleben. IM WINTER DEIN HERZ, sein mindestens vierter Roman, bei Hoffmann& Campe erschienen, klingt, als ob man ihn schon kenne, was an der poetischen Formulierung liegt, die sowohl als WINTER wie auch HERZ in anderer Kombination bekannt ist. Dabei fahren sie gen Süden, diese drei, zwei Männer Robert und Kudowski und eine gleichaltrige Frau, Annina, aber, um in den Süden zu gelangen, muß man sehr sehr lange durch den deutschen Winter fahren, zumal der Roman beginnt mit: „In Hamburg lebte ich nahe der Innenstadt.“

 

Aber nein, als Zwischenstation geht es erst nach Waldesruh, das das ist wie es klingt, eine Ruhestation für Kranke. Dort treffen sich die, die dann gemeinsam im schwarzen Suzuki Samurai auf die Reise gehen und Lebert die Winterlandschaft, Eis und Schnee als Metapher nimmt für die eisige Kälte, die im Inneren der drei wohnt. Besser müßte man sagen, daß sie selbst voller Sehnsucht nach anderen Gefühlen sind, aber sie die Welt um sich herum eben als gefühllos, als trist und kalt empfinden und in sich nur Melancholie und Traurigkeit verspüren.


Aber es sind drei und da kann schon einiges unterwegs passieren, denn Lebert sagt von sich selbst im Zeit Magazin: „Eigentlich bin ich immer einem Gefühl auf der Spur...(...). Dann versuche ich, eine Geschichte oder Bilder zu finden, die diesem Gefühl entsprechen.“



Der Weltexpresso wird kontinuierlich über alle Veranstaltungen berichten.

Unter www.literaturm.de sind alle Informationen zu Veranstaltungen und Teilnehmenden abrufbar.