Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 10. März 2016, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das muß man einfach unter die Leute bringen, zumal wir den Film schon für Februar erwartet hatten, aber glauben, daß das Buch zum Film nach dem Schauen dieser unglaublichen Natur und der vielfältigen ganz aus der Nähe zu beobachtenden Tiere – verletzlich, schön, beängstigend – einfach noch mehr interessiert.
Wenn das Buch heißt: UNSERE WILDNIS.EUROPA SEIT DER EISZEIT, nach einem Film von Jacques Perrin und Jacques Cluzaud, also die Filmverfasser, so ist als erstes wichtig, daß im Buch folgt: „Texte von Stéphane Durand“. Denn neben den hinreißenden Bildern aus dem Film, dessenwegen sich das Buch schon sowieso lohnt, wird das, was im Film zwar erzählt wird, aber doch nur rasch im Gedächtnis vorbeirauscht – schon weil der Blick auf die Schönheit, Erhabenheit und Vielfältigkeit der Wälder und Tiere gerichtet ist – noch einmal in notwendiger Tiefe wiedergegeben. Ein echtes Wissensbuch also, über die exzellenten Tierfotots hinaus.
Wir haben die großformatigen Fotos übrigens ganz kleinen Kindern zum Anschauen gegeben, die sich tief über die Tierkinder beugten, sie streichelten und sich nicht einholen konnten, wie süß und knudelig sie die finden: die kleinen Wölfe, Bären und das Füchslein, die dann zu so gefährlichen wilden Tieren werden.
Doch wollen wir erst auf etwas anderes heraus. Wenn – stilsicher im Eisblau gesetzt – es am Angang zur EISZEIT heißt...“Eine Herde Rentiere bis zur Brust im Pulverschnee versunken, zieht eine tiefe Furche durch die weite Ebene. Der Boden ist von einem dicken weißen Mantel bedeckt“ , steht demgegenüber ganzseitig das Bild dieser Rentierherde, wo uns ein Rentier völlig verblüfft anschaut. Aha, denken wir uns, damals gab es noch keine Menschen und das Rentier wundert sich nun über uns Zuschauer, erst einmal natürlich über den Fotografen, ist der zweite Gedanke.
Das ist nämlich ein Buch, wo Sie – und das nun völlig unabhängig vom Film – unbewußt mitmachen, ein aktives Lesen sozusagen, was der Leser liebt, denn er erfährt in dem Buch nicht nur viel Neues, sondern eben auch etwas über sich. „Vor zwanzigtausend Jahren war der Norden Europas von einem gigantischen kilometerdicken Gletscher bedeckt.“, naja, wann die Eiszeit war, das hätten wir nicht so genau hinbekommen, aber nachdem über das damalige Eismeer, das den Durchschnittswert von minus 20 Grad hatte, was über den Meeren Packeis bedeutete und an Land als Permafrostboden bezeichnet wird, hat uns folgender Satz völlig aus den Latschen gekippt: Eiszeiten folgen in der nördlichen Hemisphäre seit über zwei Millionen Jahren aufeinander. Die, von der der Film und dieses Buch erzählen, ist die letzte einer langen Reihe.“
Wie, es gab schon mehrere Eiszeiten? Ja und im Exkurs DIE ERDE, EIN SCHLECHT EINGESTELLTER KREISEL“ wird davon erzählt. In einer Million Jahre gab es in Europa zehn (!) Eiszeiten! Dazwischen jeweils Wärmeperioden, wo sich der Wald über den ganzen Kontinent ausdehnen konnte. „Auch heute leben wir in einer dieser begünstigten Zwischeneiszeiten.“ Die anschließende doppelseitige Karte zeigt sehr gut, wo Arktischer Eisschild, Tundra und Steppe Europa überziehen, wobei in der Steppe, ja sogar vereinzelt auch in der Tundra Tiere leben konnten, daß aber Südeuropa bis zum Schwarzen Meer hin auch damals grün war.
Und wenn wir jetzt ins Detail gehen wollen, geben wir gleich auf, denn wir müßten viele Seiten füllen, von dem, was wir über das damalige Leben, die damaligen Tiere, wie sich Tiere gegenseitig auffressen, über die Photosynthse, über das Goldene Zeitalter, wie die Zeit heißt, als die Jäger und Sammler verschwinden und seßhafte Ackerbauern sich ausbreiten.Das Neolithikum! Alles Begriffe, die Sie kennen, die aber hier ein Leben erhalten, daß es eine Freude ist, weil diese schönen Bilder einfach mehr transportieren als die nackten Buchstaben. Ein herrliches Buch! Ein erfreuliches Buch.
Info Buch:
Unsere Wildnis, Europa seit der Eiszeit. Nach dem Film von Jacques Perrin und Jacques Cluzaud, Text: Stepháne Durand, Verlagshaus Jacoby & Stuart 2015-16
Info Film:
Unsere Wildnis (Frankreich 2015)
Originaltitel: Les Saisons
Genre: Naturdokumentation
Filmlänge: 95 Minuten
Regie: Jacques Perrin
Drehbuch: Jacques Perrin, Jacques Cluzaud
Sprecher: Sebastian Koch
Verleih: Universum Film GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 10.03.2016