KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio für März 2016, Teil 2

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Doch, das ist ein tiefer Fall von Malla Nunns TAL DES SCHWEIGENS, aber sie war im Januar erstmals benannt, auch auf dem 5. Platz eingruppiert und schoß im Februar nach oben. Solche Sachen passieren und auch die Jury weiß meistens nicht genau, wie es zu dem Hin und Her kommt.

 

Zum dritten Mal dabei, wollen wir zu diesem Buch aus der Gruppe Ariadne im Argumente Verlag nicht wiederholen, was wir im Vormonat schrieben, eben auch, daß die im Aufbau Verlag – genauer Rütten & Loenig - bekanntgewordene aus Südafrika stammende Australierin nun ihren Verlag gewechselt hat. Sie ist gut geblieben. Der Link zum Februar siehe unten.

 

Daß wir den Viertplazierten vergessen hatten, ist Ergebnis, wie sehr uns Ross Thomas mit PORKCHOPPERS überrascht hat. Auch hier liegen noch keine eigenen Erfahrungen vor und wir schreiben diese Kommentierung der Liste aus Hamburg und der ZEIT auch deshalb, weil wir immer wieder zu anderen Einschätzungen kommen. Ganz interessant übrigens die Entwicklung im Krimiwesen, das ja nicht unter zu wenigen Romanen leidet, weshalb manche auch Krimiunwesen dazu sagen, also, interessant ist es, daß verstärkt schon vor längerer Zeit auf Deutsch erschienene Werke erneut übersetzt – diesmal nicht zusammengestrichen – werden und einen anderen Eindruck von der literarischen Kraft des Originals vermitteln.

 

Zum Beispiel die erste deutsche Ausgabe dieses Romans. Sie erschien unter dem Titel Wahlparole: Mord 1972 als Ullstein-Taschenbuch und hatte 142 Seiten. Dieser damals gängigen Unsitte verdanken wir, dass wir einen der besten Verfasser von Politthrillern aller Zeiten auf der KrimiZEIT-Bestenliste vorstellen können: Ross Thomas (1926-1995). Denn erst jetzt, in der neuen Übersetzung von Jochen Stremmel im Rahmen der verdienstvollen Werkausgabe des Alexander-Verlags, kann man Porkchoppers auf 310 Seiten vollständig und in allen raffinierten Feinheiten lesen.Es geht darin um eine Präsidentenwahl in den USA 1972. Es ist zwar „nur“ der Präsident einer Gewerkschaft, aber man sollte nicht davon ausgehen, dass sich seitdem irgendetwas verbessert hat. Porkshoppers sind übrigens „Absahner“. Demnächst mehr.

 

Der vierte auf Anhieb neue Autor unter den ersten Sechs ist Cormac McCarthy, DER FELDHÜTER aus dem Rowohlt Verlag. Nach dem Ankündigung seiner Qualität freuen wir uns auf die Besprechung das nächste Mal. Vom dritten Rang auf den siebten Platz gerutscht ist EXODUS AUS LIBYEN von Tito Topin aus dem Distel Literaturverlag. Im Januar kam er auf die Liste, auf Platz 6 und eroberte im Februar sogar den dritten Rang. Ein ganz eigenes Buch, ein Muß für Wüstenliebhaber und auch für die, denen das Schicksal der Libyer nahe geht. Wir sind zufrieden, daß sich EXODUS AUS LIBYEN das dritte Mal auf der Liste hält, egal auf welchem Platz.

 

Auch DER SCHLAFMACHER von Michael Robotham aus dem Verlag Goldmann ist neu auf der Liste. Das verdanken wir allerdings dem Mitdenken der Kolleginnen aus dem Hörverlag, daß wir das Hörbuch sofort lesen konnten und dann im Verbund mit dem Roman schnell durch waren, weil wir wieder einmal alle Gelegenheiten nutzten, zu hören oder zu lesen. Auch Michael Robotham ist Australier und hierzulande wohlbekannt. Deshalb wird sein neuestes Werk gleich mit dem Aufkleber Der SPIEGEL Bestseller verkauft. Zu sagen, er schreibt mit einer Masche, ist ungerecht, aber man sieht sich schon als Leserin und Hörerin in den Fallstricken der Handlung, die zwar linear verfolgt, aber eben nicht vom Verbrechen berichtet und alles aufbietet, was zu einer Lösung führen kann, sondern uns einlullt, in dem wir zum einen einen erfolgreichen, aber nun an Parkinson erkrankten klinischen Psychiater Joe O'Loughlin als den eigentlichen Ermittler haben, der ja aber weder Polizei noch Staatsanwalt ist und von daher von den Behörden erst einmal zur Mitarbeit aufgefordert wird und uns den Roman über begleitet – tatsächlich wird er es sein, der den Täter entlarvt. Allerdings auf Kosten seiner beiden Töchter, die dem Verbrecher entgehen, aber Schlimmes durchmachen. Von seiner Frau, von der er getrennt lebt, die sich ihm aber wieder annähert, wollen wir hier schweigen und nur verweisen, daß man mehr in den zuvorigen acht Romanen über Joe in der Vergangenheit erfährt. .

 

Wir Leser und Hörer sind dem Psychiater bei der Aufklärung aber um Längen voraus, denn der Roman beginnt mit den Erinnerungen des Täters, Kommentar des Geschehens, was sich wiederholt und im Buch durch das Schriftbild klar wird, beim Lesen ist das immer schwieriger. „Meine Mutter starb mit ihrem Kopf im Schoß eines anderen Mannes. Der Wagen prallte frontal mit einem Milchlaster zusammen….“ Was ihm die Tante nicht sofort erzählt, ist, daß „seine Mutter mit einem Penis im Mund gestorben ist. Solche Details werden gerne ausgelassen….“(7) In diesem Roman nicht, denn es geht um die Folgen von Ehebruch, Fremdgehen und welche Formulierungen der Sohn hier noch im, nachträglichen Haß auf die Mutter erfindet. Seine Rache an den Frauen hat hier ihren Grund, er mißtraut ihnen grundsätzlich und ist berufliche in einer Situation, wo er immer wieder die Liebespaare, die zu Hause mit anderen verheiratet sind, Kinder haben etc. erwischt.

 

Kennen Sie Nathaniel Hawthorne? Ein amerikanischer Schriftsteller der Romantik, der vor allem wegen seines Romans DER SCHARLACHROTE BUCHSTABE für Literaturfreunde ein Begriff ist. Da geht es um eine Kennzeichnung, also eine Markierung – und das im Gesicht von Menschen, die unser Täter mit dem Messer und anderem als rotes A auf die Stirn tätowiert, bez. einfach in die Haut ritzt. Das A hat eine Bedeutung, die Sie schnell mitbekommen, aber alles wollen wir hier nicht erzählen. Obwohl durchgängig sinnvoll erzählt wird, hatten wir zu schnell Lösungen parat und der Hintergrund war so offensichtlich, daß wir beim Hören und Lesen doch leicht ermüdeten.

 

 

Auch der Rang 9 ist mit Eugene McCabes DIE WELT IST IMMER NOCH SCHÖN aus dem Steidl Verlag ebenfalls ein Neuling aufgetreten, immerhin sechs neue unter zehn Krimis. Das braucht Zeit, bis es gelesen ist und wir hoffen, daß der Steidl Verlag, der ein toller Verlag ist, aber nicht unbedingt für Krimis steht, beim nächsten Mal wieder dabei ist!

Daß es Joseph Kanon mit LEAVING BERLIN von C. Bertelsmann, erstmals im Februar auf Rang 9, wieder auf die Liste geschafft hat, freut uns. Bitte auch hier die Besprechungen der Vormonate aufrufen.

 

 

Die KrimiZEIT-Bestenliste März 2016

 

 

 

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(-)

Garry Disher: Bitter Wash Road

Aus dem Englischen von Peter Torberg

Unionsverlag, 352 S., 21,95 €

Tiverton, Südaustralien. Paul „Hirsch“ Hirschhausen ist degradiert, auf einen Ein-Mann-Posten versetzt. Eine Sechzehnjährige wurde totgefahren. Hirsch (fast) allein gegen Sheriff, Vorgesetzte, Dorfbonzen. Weizen, Wolle, früher Kupfer, leeres Land. Ganz, ganz fein, staubtrocken und herzenswarm.

2

2

(2)

Ryan Gattis: In den Straßen die Wut

Aus dem Englischen von Ingo Herzke

Rowohlt Polaris, 528 S., 16,99 €

Los Angeles 1992. Aufruhr. Stadt ohne Staat. Hier: Feuerwehr, Nationalgarde, Killercops. Dort: Latino-Gangs. Kids als Mobster. Im Tumult Blutrechnungen begleichen. Ernesto, Bruder, guter Mann totgeschleift. Unterm Qualm rennen, schießen sie: Trauer, Fluchtversuche, Machokampf. 6 Tage Wahnsinn. Unbelievable.

3

3

(-)

Andreas Pflüger: Endgültig

Suhrkamp, 459 S., 19,95 €

Barcelona, Moskau, Berlin. In Barcelona wird Spezialagentin Jenny Aaron angeschossen. Verrat, Mord, Bosheit. Jahre danach: Die erblindete BKA-Profilerin stößt erneut auf den Widersacher ihre Lebens. Perfekter, intelligenter Showdown über 48 Stunden. Pflüger kann Action und mehr, so unique in D.

4

4

(-)

Ross Thomas: Porkchoppers

Aus dem Englischen von Jochen Stremmel

Alexander, 310 S., 14,90 €

Chicago, Washington D.C. Gewerkschaftswahlen: Spielfeld für gewitzte Absahner. Ross Thomas, der wusste, wie man’s macht, mixt einen Mordplan, eine gekaufte Wahl, eine Medienintrige, eine traurige Vater-Sohn-Geschichte und das Porträt eines charmanten Säufers. Erstmals vollständig auf Deutsch.

4

5

(1)

Malla Nunn: Tal des Schweigens

Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski

Ariadne im Argument-Verlag, 318 S., 13,00 €

Drakensberge, Südafrika 1953. DS Cooper und DC Shabalala sollen den Mord an einer schwarzen Land-Schönheit aufklären – die Arschkarte für Kriminalisten im Apartheid-Staat. Fallstricke überall: Zulu-Traditionen, Rassisten-Traditionen, Frauenunterdrückung sowieso. Behutsam, fein und klug: Nunn.

6

6

(-)

Cormac McCarthy: Der Feldhüter

Aus dem Amerikanischen (sic!) von Nikolaus Stingl

Rowohlt, 288 S., 14,99 €

Knoxville, Tennessee. McCarthys Debüt: Ein Junge, ein Schnapsschmuggler und ein alter Knorz ziehen ihren Weg. Ohne es zu wissen, verbunden durch einen Toten. Drei Männer, Teil der Natur, fern von Zivilisation und law, unterworfen kosmischem Gesetz. Dabei: eine Katze, ein Hund, ein Habicht.

7

7

(3)

Tito Topin: Exodus aus Libyen

Aus dem Französischen von Katharina Grän

Distel Literaturverlag, 233 S., 14,80 €

Libyen 2011. Acht Menschen fliehen vor dem Bürgerkrieg, bloß raus. Zwangsstop in einer umkämpften Wüstenstadt. Jetzt müssen sie sich ihrer persönlichen Wahrheit stellen. Was hat Gaddafis „Verderbtheit“ aus ihnen gemacht? Wie frei können sie werden? Der erste Kriminalroman der „Arabellion“.

8

8

(-)

Michael Robotham: Der Schlafmacher

Aus dem Englischen von Kristian Lutze

Goldmann, 414 S., 14,99 €

Bath, Somerset. Psychiater Joe O’Loughlin zerrissen zwischen Sorge um seine krebskranke Frau, seine Töchter und um den Fall: Wo Harper Crow und ihre Mutter ermordet wurden, gibt es mehr Spuren als nötig – ein oder zwei Serienkiller? Folgt nicht dem Geld, spürt nach Familiengeheimnissen.

Auch als Hörbuch aus dem Hörverlag!

9

9

(-)

 

Eugene McCabe: Die Welt ist immer noch schön

Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser

Steidl, 136 S., 16,00 €

Fermanagh 1975. Doppelte Belagerung: Fünf IRA-Provisionals besetzen das Haus des britischen Colonels Armstrong, um IRA-Gefangene freizupressen, belagert von der Army. Harter Roman über das Sterben. Über Hass, Ideologie, Verrat und innere Verwirrung. Späte Entdeckung eines Juwels.

10

10

(9)

 

Joseph Kanon: Leaving Berlin

Aus dem Englischen von Elfriede Peschel

C. Bertelsmann, 448 S., 19,99 €

Ost-Berlin 1949. Exil-Schriftsteller Alex Meier soll in CIA-Auftrag Kulturbund und Kommunisten bespitzeln. Atmosphärisch genau rekonstruiert: ein Mann im Kalten Krieg mit eigener Agenda zwischen den Stühlen. Cameos: Brecht, Weigel, Janka, andere Kulturgrößen. Clever und ideologieresistent.

 

 

 

INFO:

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenListe

 

Die KrimiZEIT-Bestenliste März wird am 3.3.2016 in der Wochenzeitung DIE ZEIT, auf ZEITonline unter www.zeit.de/krimizeit-bestenliste und im Nordwestradio veröffentlicht, am Donnerstag, den 3.3.2016 gegen 9.20 live mit Tobias Gohlis und in den Sendungen der „Buchpiloten“, nachzuhören unter www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/bestenliste100.html

 

 

Monatlich wählen einundzwanzig auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:

 

Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt

Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*

Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*

Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich

Thekla Dannenberg, Perlentaucher

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Michaela Grom, SWR

Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lore Kleinert, Radio Bremen 

Elmar Krekeler, Die Welt

Kolja Mensing, Dradio Kultur

Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*

Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*

Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin

Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien

Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*

Jochen Vogt, NRZ, WAZ

Hendrik Werner, Weser-Kurier

Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden.

Das Prozedere der Platzverteilung für die Liste ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2015 hier ebenfalls kommentierten.

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6227:die-jahresbestenliste&catid=78:buecher&Itemid=470

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6228:vier-der-besten-haben-frauen-geschrieben&catid=78:buecher&Itemid=470

 

 

 

Der letzte Monat in Weltexpresso

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6522:an-der-spitze-tal-des-schweigens-von-malla-nunn&catid=78&Itemid=470

 

 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6523:exodus-aus-libyen-von-tito-topin-aus-dem-distel-literaturverlag-auf-platz-3&catid=78&Itemid=470