Die 10 besten Kriminalromane des Jahres 2015 der KrimiZEIT-Bestenliste, Teil 2

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Nachdem unsere Freude schon laut wurde, daß die beiden ersten Plätze zwei deutsche Titel einnehmen, werden wir gleich wieder leiser, denn sie bleiben die einzigen deutschen Krimis auf der Zehnerliste. Freuen wir uns also lieber, daß von den zehn Autoren vier Schreiberinnen sind, und unter den drei beste Krimis gleich zwei von Frauen sind.

 

Überhaupt ist eine kritische Analyse von Titeln und Texten interessant. Zudem ist immer verständlicherweise auffällig, daß die Bücher der letzten Monate stärker benannt sind, als die von Anfang 2015. Das ist nicht nur der so kurzgedächtnisse Zug der Zeit, sondern liegt auch daran, daß die Fülle dessen, was im Krimibereich gelesen werden muß, manch gutes Stück einfach ins Vergessen drängt, weil so viel nachkommt.

 

Schauen wir mal nach den Sprachen, bzw. den nationalen Herkünften der Ausgewählten. Sie finden dabei 4 amerikanische, 1 englischen, 1 französischen, 1 mexikanischen, 1 koreanischen und wie schon gesagt 2 deutsche Titel. Daß die amerikanischen Krimis von der Jury durchaus bevorzugt werden, hatten wir schon angemerkt, aber da nur ein englischer – auch wenn es hier schottischer heißen müßte – hinzukommt, ergibt sich zwar, daß die Hälfte aller ausgewählten Krimis aus der englischen Sprache übersetzt sind, aber eben auch, daß kein australischer, kein kanadischer und vor allem kein südafrikanischer dabei ist. Das fällt auch deshalb auf, weil in diesem Jahr viel südafrikanischen Kriminalroman sehr gut plaziert waren – und darüberhinaus auch sehr lesenswert waren wie z.B. Deon Meyer mit ICARUS aus dem Verlag Rütten & Loening.

 

ICARUS ist zwar erst im Dezember auf die Liste gekommen, aber das gilt für den koreanischen auch, den wir, anders als ICARUS noch nicht gelesen haben und deshalb dazu nichts sagen können. Das gilt leider auch für DIE UNANTASTBAREN von Richard Price, der uns als Autor natürlich gut bekannt ist und der für gutes Schreiben steht. Also es bleibt dabei, Deon Meyer hätten wir benannt und uns fehlen einfach die sozial so zugespitzten Krimis aus Süd-Afrika, die es ja auch nur deshalb auf den Weltmarkt schaffen, weil sie auf Englisch geschrieben sind. Aus Kenia war mal ein Krimi, der die Verbindung USA zur Heimat des Vaters des gegenwärtigen US-Präsidenten in durchschlagend verrückter Manier zog und auch Geisterbeschwörungen machen sich dort gut. Nun gut, nichts aus Südafrika dabei.

 

Schauen wir mal genauer auf die Inhalte der ausgewählten Krimis. Zwei Romane HAVARIE und DIE VERBRANNTEN handeln explizit von Migranten und Migration, auch Glut und Asche spielt an der Grenze zwischen USA und Mexiko. Die beiden letzteren setzen das fort, was in unserem kulturellen Gedächtnis als Krimis der letzten Jahre sich völlig festgesetzt haben: die Drogen, die Morde und Verwüstungen in Mexiko.

 

Fast das Gegenteil einer politisch motivierten Verbrecherstory sind die Bücher des schottischen Autors William McIlvanney, der zudem unverhofft gerade am 5. Dezember starb. Damit ist die Auszeichnung seines dritten Kriminalromans FREMDE TREUE aus der Laidlaw-Trilogie auf Platz 5 der Jahresliste zugleich eine posthume Würdigung eines großen europäischen Autors.

 

Und worüber schreiben Frauen. Die Prämierten von 2015. Fred Vargas schreibt immer von heute und stellt immer Bezüge zum gestern her. Ihre Romane sind psychologisch und kulturhistorisch. Es ist Menschheits-, Familiengeschichte mit Hintergrund. Ähnlich ist es wohl auch bei Jeong Yu-jeong aus Korea. Das Buch kennen wir ja noch nicht, haben jetzt aber eine Flut von Bildern der Autorin gesehen, einer jungen hübschen Frau, die sich in eine Familiengeschichte stürzt, die antik-griechische Ausmaße haben soll. Wir sind gespannt.

 

Das ist letzten Endes auch das Thema vom DER NAMENLOSE TAG, wobei aber die Verflechtungen mit deutscher Geschichte, mit der Nazi-Geschichte wesentlich sind. FAMILIE ist als Thema immer wieder der Ort, wo etwas ausgetragen wird, was unterschiedliche Wurzeln hat. Historisches Grauen stellt sich auch bei PERFIDIA ein, womit Großmeister James Ellroy es gerade noch auf den 10. Platz geschafft hat. Eine ganz schlimme Geschichte, die einen hineinzieht in Dinge, von denen man lieber nichts wüßte.

 

So eher in den pathologischen Bereich, also den Wahnsinn, zu dem Menschen fähig sind, geht es bei Carol O'Connell mit KREIDEMÄDCHEN – denn wir wollten ja berichten, worüber Frauen schreiben. Das ist wirklich harte Kost, aber beim Lesen wird verständlich, warum die Autorin so und über solches schreibt. Merle Kröger hingegen hat mit ihrer HAVARIE alles verbunden, was man sich zu Situation von Flüchtlingen derzeit vorstellen kann.

 

Jetzt müssen Sie nur noch lesen. Und diejenigen, die so manches Buch der monatlichen KrimiBestenListe aufnahmen, kauften und lasen, die können sich jetzt überzeugen, ob ihr Buch weiterkam und wie sehr sie die anderen prämierten überzeugen. Und bald kommt die erste KrimiBestenListe für Januar 2016! Dann ist das schon wieder Schnee von gestern. Krimis sind leider vergängliche Ware, aber gut, daß wenigstens die Spitze für 2015 festgehalten wurde. Welche wir dabei wirklich vermissen, kommt noch.

 

 

 

 

 

 

INFO I :

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenListe

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 17. Dezember 2015 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr sowie später in den Sendungen der „Buchpiloten2, nachzuhören unter

http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

- für die Wochenzeitung DIE ZEIT am 17. Dezember 2015.

 

 

Monatlich wählen einundzwanzig auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:

 

Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt

Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*

Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*

Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich

Thekla Dannenberg, Perlentaucher

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Michaela Grom, SWR

Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lore Kleinert, Radio Bremen 

Elmar Krekeler, Die Welt

Kolja Mensing, Dradio Kultur

Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*

Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*

Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin

Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien

Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*

Jochen Vogt, NRZ, WAZ

Hendrik Werner, Weser-Kurier

Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2015 hier ebenfalls kommentieren.