Die 10 besten Kriminalromane des Jahres 2015 der KrimiZEIT-Bestenliste, Teil 1

 

Elisabeth Römer

 

Hamburg (Weltexpresso) – Wie immer hat sich am Schluß des Jahres die untenstehende Krimi-Jury getroffen, um miteinander zu vereinbaren, was denn gemeinsam als die zehn besten Kriminalromane dieses Jahres gelten soll. Eine Auswahl ist immer schwer. Klar ist, daß die Auswahl nur innerhalb der 10 x 12 im Monatsturnus vorgeschlagenen Kriminalromane stattfinden kann.

 

Doch muß man das nicht multiplizieren, denn die Art und Weise, wie die Krimis auf die Liste kommen und wie lange sie maximal bleiben dürfen, bedeutet, daß die richtig guten eine Weile präsent bleiben, so daß diejenigen, die länger auf Platz 1 waren auf jeden Fall Anwärter für einen Spitzenplatz sind.

 

Die drei besten Krimis des Jahres 2015

 

Merle Kröger: Havarie (Ariadne im Argument-Verlag)

 

In ihrem vierten Kriminalroman Havarie lässt die Dokumentarfilmerin und Autorin Merle Kröger (Deutscher Krimipreis und KrimiZEIT-Jahresbestenliste 2013 für Grenzfall) vier Schiffe beinahe miteinander kollidieren: einen Frachter, ein Seenotrettungsboot, ein Kreuzfahrtschiff und ein Schlauchboot voller algerischer Flüchtlinge. Handlungsstränge und Lebenslinien von Flüchtlingen, Seeleuten, Kreuzfahrtgästen kreuzen sich an diesem Punkt im Meer vor der Küste Spaniens.

 

Havarie ist der Roman der Stunde.“ (Thekla Dannenberg, Freitag)

Eine Hoffnung zieht sich durch Havarie. Dass man sich immer entscheiden kann, dass moralisches Handeln möglich ist – auch in einer manch einem angesichts der Nachrichtenlage dystopisch erscheinenden Gegenwart.“ (Elmar Krekeler, Die WELT)

 

Friedrich Ani: Der namenlose Tag (Suhrkamp)

 

Mit dem Wechsel zu Suhrkamp hat Friedrich Ani (mehrfacher Deutscher Krimipreis) nach Tabor Süden und Polonius Fischer einen neuen Ermittler erfunden. Jakob Franck ist pensionierter Kommissar, ehemals Mordkommission. Als Franck vom überlebenden Vater einer Familie, in der sich Mutter und Tochter umgebracht haben, gebeten wird, nachträglich einen Schudigen zu finden, erschließt er die Geschichte eines ungeheuren Verschweigens in dieser Familie. Schweigen als Verbrechen, Einsamkeit und Selbstmord waren schon immer Themen Friedrich Anis. Mit Der namenlose Tag erreicht Ani eine neue Intensität.

 

Bei Ani ist ein Todesfall nicht Anlass für eine Ermittlung, sondern eine große Tragödie. Mit ungeheurer Zärtlichkeit erzählt er von diesem Ludwig Winther, der seine Familie verlor und noch zwanzig Jahre später hilflos und verzweifelt darum kämpft, ein neues Leben zu finden.“ (Thekla Dannenberg, Perlentaucher)

 

Der namenlose Tag“ ist eine Geschichte von Vergeblichkeit. Und die einer kleinen Familie, deren Mitglieder sich gegenseitig gar nicht guttaten. Eine sich in weniger dramatischer Form vieltausendfach ereignende Geschichte also, wunderbar erzählt.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

 

Fred Vargas: Das barmherzige Fallbeil (Limes)

 

Vier Jahre nach ihrem letzten Roman um Kommissar Adamsberg und seine Brigade Criminelle – Die Nacht des Zorns – ist die erfolgreichste Autorin (erst recht: Krimi-Autorin) Frankreichs wieder ermittelnd, konstruierend und phantasierend unterwegs. Diesmal ist die 1957 geborene Pariserin auf den Spuren der französischen Revolution: Bei den Leichen zweier vorgeblicher Selbstmörder wird das Symbol einer Guillotine gefunden. Dieser Hinweis auf eine Gesellschaft von Revolutionsforschern, die Werk und Leben Maximilien Robespierres in lebenden Bildern, geheim und kostümiert nachstellen, kreuzt sich mit einer sehr fremden anderen Spur. Beinahe kommt es zur Palastrevolte im 13. Arrondissement, weil Adamsberg seiner Nase auf eine Insel am Polarkreis folgt, wo ein Afturganga (isländisch für Wiedergänger) im Nebel auf ihn wartet. Die „Eiszeiten“ des französischen Titels kollidieren mit dem Humanfeuer der Empörung.

 

So wie Commissaire Adamsberg, das Genie der Intuition, mit all seinen Spleens in die Reihe der unvergesslichen Detektive gehört, so unverwechselbar ist Madame Vargas mit ihrer Kombination von Alltagsrealismus und skurriler, fast surrealistischer Phantasie.“ (Jochen Vogt, Westfälische Allgemeine Zeitung)

 

So hat es die Jury weitergegeben. Und an der Auswahl dieser drei ist auch gar nicht zu mäkeln. Das kann man unseren Besprechungen dieser Krimis das Krimijahr 2015 über nachlesen. NUR. Ja, es gibt ein nur: wir hätten an Platz 1 die Französin Vargas gesetzt. Andererseits sind wir hochzufrieden, daß die Jury, der wir immer latent vorwerfen, sie würde den amerikanischen Hardboiledkrimi favorisieren, zwei deutsche Romane an die Spitze setzt. Hardboiled sind natürlich nicht die Romane, sondern die Detective, die in diesen Krimis agieren, weshalb wir sie auch immer Detective schreiben, während wir für „Emil und die Detektive“ beispielsweise die deutsche Schreibweise nutzen. Fortsetzung folgt.

 

 

Fortsetzung folgt.

 

 

 

 

 

INFO I :

 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht.

 

Vorgestellt wird die KrimiZeit-JahresBestenListe

- im NordwestRadio am Donnerstag, den 17. Dezember 2015 mit Tobias Gohlis gegen 9.20 Uhr sowie später in den Sendungen der „Buchpiloten2, nachzuhören unter

http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html

- für die Wochenzeitung DIE ZEIT am 17. Dezember 2015.

 

 

Monatlich wählen einundzwanzig auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt inzwischen über 1800 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 

 

Die Jury der KrimiZEIT-Bestenliste auf dem aktuellen Stand:

 

Tobias Gohlis, Kolumnist DIE ZEIT, DeKrPr*, Moderator und Jury- Sprecher der Krimiwelt

Volker Albers, Hamburger Abendblatt, DeKrPr*

Andreas Ammer, „Druckfrisch“, Dlf, BR, DeKrPr*

Gunter Blank, Sonntagszeitung Zürich

Thekla Dannenberg, Perlentaucher

Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Michaela Grom, SWR

Hannes Hintermeier, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Lore Kleinert, Radio Bremen 

Elmar Krekeler, Die Welt

Kolja Mensing, Dradio Kultur

Ulrich Noller, Deutsche Welle, WDR, DeKrPr*

Jan Christian Schmidt, www.Kaliber 38.de, DeKrPr*

Margarete v. Schwarzkopf, Freie Literaturkritikerin

Ingeborg Sperl, Der Standard - Wien

Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau, DeKrPr*

Jochen Vogt, NRZ, WAZ

Hendrik Werner, Weser-Kurier

Thomas Wörtche, Plärrer, culturmag, Dradio Kultur, Penser Pulp bei Diaphanes, DeKrPr*

 

In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie in der RUBRIK BÜCHER auf dem Titel oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Das Prozedere der Platzverteilung ist ganz einfach. Dreimal darf ein Kritiker aus der Jury einen Roman benennen. Wenn das gut verteilt ist, kann ein Buch einige Monate überwintern, dann hat es nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die jeweils Ende Dezember herauskommt und die wir für 2015 hier ebenfalls kommentieren.