Zum neuen Buch von Joachim Meyerhoff aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch
Hanswerner Kruse
Berlin (Weltexpresso) - Man wird so oft gefragt, welches Buch man besonders empfehle. Vor allem vor und in den Sommerferien. Kein Problem: das neue Buch von Joachim Meyerhoff „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke.“
Im ersten Roman über sein Leben schilderte der Autor bereits seine seltsame Kindheit in einer psychiatrischen Klinik, die von seinem Vater in Schleswig-Holstein geleitet wurde (ebenfalls von hwk in Weltexpresso vorgestellt, siehe Link). In diesem dritten, vermeintlichen Roman - der aber stark autobiografische Züge trägt - widmet sich Meyerhoff der Beschreibung seiner Ausbildung an der Münchner Theaterakademie.
Neulich sagte Jürgen Vogel in einem Interview, er habe die Schauspielschule bereits nach einem Tag abgebrochen: „Ich wollte geile Filme drehen und nicht drei Jahre lang so komisch sprechen. Für mich war das völlig unsinnig.“ Abgebrochen hat Meyerhoff seine Ausbildung an der Akademie zwar nicht, aber unsinnig fand er die Zeit dort auch: Das beschreibt er selbstironisch und sarkastisch im Buch.
Obwohl Meyerhoff bei der Aufnahmeprüfung völlig versagte, wird er trotzdem genommen. Entweder fanden die Prüfer sein verwirrtes Gestammel experimentell oder, aber das fällt dem Schauspielschüler erst sehr viel später ein, könnte seine Großmutter auch die Prüfer beeinflusst haben. Denn die war eine berühmte Münchner Schauspielerin, die im hohen Alter auch noch im Privatleben den ganzen Tag lang Theater spielte:
„Die tiefrot geschminkten Lippen meiner Großmutter setzten aus einzelnen Buchstaben Worte zusammen, schmeckten sie ab und ließen sie als Sätze aus ihrem Mund gleiten. Am Ende ihrer Sätze blieb etwas in der Schwebe, was dazu führte, dass man dachte, sie sei noch nicht fertig, da käme noch was. Wie Turmspringer federten die Sätze vom Sprungbrett ihrer vitalen Zunge aus dem Mund heraus. Sie ließ sie in die Höhe schnellen, Salti und Schrauben machen, dann aber nicht etwa ins Wasser abstürzen, sondern vielmehr wundersam in der Luft stehen.“
Meyerhoff wohnte in der Studienzeit bei den Münchner Großeltern und genoss das großbürgerliche Leben, das bereits vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit Alkohol durchtränkt war. Punkt neun Uhr gab es Champagner, irgendwann kam er dahinter, dass Oma und Opa bereits nach dem Aufstehen mit Enzian gurgelten und die vermeintliche Medizin dann herunterschluckten.
Das Buch beschreibt ausschließlich liebevoll, aber ironisch die schrägen Großeltern sowie die seltsamen Mitstudenten und Lehrer. Wahrscheinlich hat die Kindheit in der Psychiatrie Meyerhoffs Blick für den alltäglichen Irrsinn geschärft. Das normale Leben kommt in seinem Buch kaum vor, wir erfahren nicht, ob der Autor jemals eine Reise unternahm oder eine Geliebte hatte. Die Sprache des Autors ist meist genauso elaboriert, wie er die Redeweise seiner Oma beschreibt - aber was er beschreibt, ist einfach umwerfend.
Info:
Joachim Meyerhoff „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“, Kiepenheuer & Witsch, Leinen gebunden, 348 Seiten, 21,99 Euro
Die Rezension des ersten Bandes in Weltexpresso:
http://weltexpresso.wurzelknoten.de/index.php/buecher/4884-joachim-meyerhoff