»Geschichte ohne Epochen. Ein Essay«des berühmten französischen Mittelalterexperten, erschienen im Verlag Philipp von Zabern - WBG

Gerhard Wiedemann

Darmstadt (WEltexpresso) - Wer seinen Namen kennt, dem muß man nichts mehr hinzufügen, denn der Name steht einfach für Qualität. Und Mittelalterliebhaber werden das eh klaufen. Aber wir schreiben dies auch für diejenigen, die das Lebenswerk des 2014 verstorbenen Historikers nicht kennen. In seinem letzten Buch beschäftigt sich Jacques Le Goff mit der Einteilung der Geschichte in Epochen.

Vor allem stellt er die Frage, ob die Renaissance nach dem Mittelalter wirklich als neue Epoche gesehen werden sollte. Seine Antwort lautet - überraschend für alle, die Geschichte in anderen Schritten gelernt haben - nein! – die Renaissance war für ihn nur eine letzte Unterperiode eines langen Mittelalters, das seiner Meinung nach erst Mitte des 18. Jahrhunderts endete.


Dafür fügt Le Goff viele Argumente zusammen, aus wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht. Er überprüft die verschiedenen geistigen, technischen und wirtschaftlichen Veränderungen bis zur Französischen Revolution. In seiner Argumentation kommen die großen Dichter, Humanisten und Historiker zu Wort, die für die Einteilung der Epochengrenzen in der Geschichtswissenschaft entscheidend waren. Etwa der Dichter Petrarca, der bereits im 14. Jahrhundert als erster den Begriff „Mittelalter“ für die Epoche zwischen der Antike und seiner Lebenszeit verwendet hat. Oder der französische Historiker Jules Michelet und der deutschschweizerische Kunsthistoriker Jacob Burckhardt, die erst im 19. Jahrhundert den Begriff „Renaissance“ für die Periode nach dem „Mittelalter“ erfanden.
Diese Einteilungen sind nach Le Goff sehr subjektiv geprägt und enthalten auch jeweils ein Werturteil über die Epochen. So hatten die Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts den Wunsch, sich von der vorangehenden Periode abzugrenzen. Aus der Verachtung für die Zeit zwischen der von ihnen verehrten Antike und ihrer eigenen Zeit der Rückbesinnung auf die antike Kunst der Griechen und Römer entstand der Begriff des dunklen Mittelalters bzw. der „dark ages“.
 
Bis heute hält die Zunft an diesen Epocheneinteilungen fest. So ist das letzte Werk dieses großen Historikers auf jeden Fall ein Plädoyer dafür, die althergebrachten Überzeugungen in der Geschichtswissenschaft auch wieder auf den Prüfstand zu stellen. Denn die Globalisierung mache eine flexiblere Periodeneinteilung notwendig, wenn es auch grundsätzlich zur Periodisierung in der Geschichtswissenschaft keine Alternative gäbe.

 

Über das Buch:
    
Jacques Le Goff
Geschichte ohne Epochen. Ein Essay
Verlag Philipp von Zabern - WBG
2016. 192 S., Bibliogr. und Reg., geb. mit SU.
Aus dem Franz. von Klaus Jöken
Preis: € 24,95 [D]
ISBN 978-3-8053-5036-5
Erscheint am 12. September 2016
 
Über den Autor


Jacques Le Goff war bis zu seinem Tod 2014 der weltweit bekannteste Mittelalterexperte.  In Frankreich leitete er die Pariser Reformuniversität EHESS, war Mitherausgeber der "Annales" und gab zu, eine Schwäche für Krimis und Kreuzworträtsel zu besitzen. Er war der erste Historiker, der für sein innovatives Denken mit der "Goldmedaille des CNRS“, der größten europäischen Forschungseinrichtung ausgezeichnet wurde.