Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. September 2016, Teil 8
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nein, wir wollen zum Film nichts mehr hinzufügen, der so unnötig wie ein Kropf ist, denn dann wäre es besser gewesen, man hätte den historischen BEN HUR noch einmal im Großangebot laufen lassen. Warum muß eigentlich inzwischen alles, was einmal erfolgreich war, noch einmal neu gemacht werden?
Diese Frage führt zum eigentlichen Ärgernis, das wir aber erst mitbekommen haben, als wir das bei den Pressevorführungen überreichte Buch näher betrachteten. Erst einmal passiert das ganz ganz selten, daß Literaturverfilmungen bei den Pressevorführungen den Service bieten, auch das der Verfilmung zugrundeliegende Buch mitnehmen zu können. Wenn überhaupt, dann wird in den Presseunterlagen auf dieses Buch verwiesen, wo es erschienen ist und an wen man sich wendet, wenn man es im Rahmen der Filmbesprechung denn rezensieren wolle. Natürlich.
Wie hilfreich also, daß der Verlag einem gleich BEN HUR von Wallace mitgab, wenn man dies vom Pressetisch mitnehmen wollte. Da Weltexpresso bei fast allen Literaturverfilmungen gerne auch die literarische Vorlage präsentiert, war ausgemacht: ja, da besprechen wir halt noch mal den alten Roman BEN HUR von Lewis Wallace, den wir in Kinder- und Jugendtagen gelesen hatten.
Noch heute können wir uns an die Ausgabe erinnern und finden sie beim Suchen sofort im Bücherregal. „BEN HUR – eine Erzählung aus der Zeit Christi“ heißt die rote Leinenausgabe aus dem Paul Franke Verlag, Berlin, 408 Seiten lang und leider ohne Erscheinungsdatum. Da hilft vielleicht eine Suchmaschine?
Nein, das hilft uns nicht weiter, aber immerhin steht dort, daß es eine vollständige Ausgabe gibt mit einem Nachwort und Anmerkungen von Günter Jürgensmeier, der auch neu übersetzt hatte, und wir schwören uns, uns diese im Jahr 2002 bei dtv erschienene zeitgenössische Übertragung zu besorgen und den Originalroman zu besprechen, denn in unserem originalen Original, wie wir dachten, finden wir: neu bearbeitet von Ilse Leutz. Da ist schon mal ein wenig Dampf aus unserem grundsätzlichen Ärger entwichen, von dem der Leser ja immer noch nichts ahnt.
Denn das uns bei der Pressevorführung in die Hand gedrückte solide festgebundene Exemplar von BEN HUR ist gar nicht von Lew Wallace!! Aber doch, da steht doch in diesem 456 Seiten Roman deutlich Wallace auf dem Titel, der BEN HUR lautet. Darunter steht: „Ein Roman aus der Zeit Christi“, nun gut, „Erzählung“ darf gerne zu „Roman“ werden, aber nicht Lew oder Lewis zu Carol, wie diese Carol Wallace auf dem Titel heißt. Denn dieser Roman BEN HUR aus dem Verlag adeo ist überhaupt nicht BEN HUR von 1880, das Buch, das einen Siegeszug durch die Welt antrat und nun zum zweiten Mal aufwendig von Hollywood verfilmt wurde.
Ein gemeiner Schachzug, denkt man gleich, eine Autorin namens Wallace schreiben zu lassen oder sogar eine fiktive Autorin, nur damit der kaufwillige Leser glaubt, hier sei Wallace drinnen, wenn draußen Wallace steht. Also rundum eine genauso fragwürdige Geschäftemacherei mit BEN HUR, wie die Neuverfilmung es sowieso ist, die auf die Erinnerung der Alten baut, an ihre damaligen Empfindungen, die sie dazu treiben, mit den Kindeskindern nun noch einmal ins Kino zu gehen oder die Kinder und Enkel aufzufordern, dies zu tun.
Ganz so schlimm ist es nicht, oder – wenn man sich es recht überlegt – sogar doch noch schlimmer. Denn die Autorin Carol Wallace gibt es wirklich und im Vorwort schreibt sie: „Auch ich bin mit Ben Hur aufgewachsen, aber anders als die meisten anderen. Denn er war mein Ururgroßvater Lewis Wallace, der dieses Werkt verfaßt hat. Veröffentlicht wurde es im Jahr 1880 und mehr als fünfzig Jahre war es DER Bestsellerroman. Das bedeutete, daß ich überall in unserem Haus auf die unterschiedlichsten Ausgaben des Buches stieß, denn ständig machten wohlmeinende Menschen sie uns zum Geschenk. Doch gelesen hatten alle diesen Roman zugegebenermaßen nicht. Unsere Familie liebte Bücher, und mit Freude verschlangen wir fast alles, was zwischen zwei Buchdeckeln zu finden war, aber Ben Hur stelle eine zu große Herausforderung dar.“ (Seite 7)
So weit, so ungut. Und dann endlich nimmt die Ururenkelin so mehr aus Versehen ein schöne blaue Ausgabe von 1892 in die Hand, vertieft sich in sie und kann dann doch nachvollziehen, warum diese Buch, dessen Dialoge ihr ein wenig antiquiert erscheinen, so erfolgreich war. Das ist ja nett von der Ururenkelin und sie wird noch netter: „Trotzdem erkannte ich beim Lesen, warum Ben Hur über so lange Zeit hinweg die Menschen faszinierte: Die Geschichte ist genial. Spannend und bewegend.“ Fortsetzung folgt
Info:
Lewis Wallace, Ben Hur, Eine Erzählung aus der Zeit Christi, neu bearbeitet von Ilse Leutz, Paul Franke Verlag, Berlin o.J.
Carol Wallace, Ben Hur, Ein Roman aus der Zeit Christi, adeo Verlag 2016
Ben-Hur. Eine Erzählung aus der Zeit Christ. Vollständige Ausgabe. Herausgegeben, mit einem Nachwort und Anmerkungen von Günter Jürgendmeier, dtv München 2002