Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 1. September 2016, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Dann führt die Ururenkelin von Lew Wallace aus, aus welchen Gründen unsere schnellebige Zeit mit langen Passagen zu exotischen Gegenden heute nichts mehr anfangen kann. Die Welt sei ja klein geworden und die von Wallace gebotenen Informationen könne man sinnvoller durch Fotos erreichen und brauche nicht langatmige Beschreibungen: „Sie verzögern die Handlung“. Das ist eine Unverschämtheit und dumm dazu.


Auch geht nicht an, sagt die Ururenkelin in ihrem Vorwort, daß das berühmte Wagenrennen, einfach die bekannteste Szene, im Original nur elf Seiten lang ist und erst im letzten Drittel des Originalromans vorkommt. So lange kann man einen Leser einfach nicht warten lassen – heutzutage. Aber. „Als Schriftstellerin konnte ich das Potenzial in dem viel beachteten Buch meines Ururgroßvaters erkennen. Mit war klar. An der Story selbst sollt man auf keinen Fall etwas verändern...aber durch...mehr Tiefgang vor allem für die weiblichen Charaktere, eine etwas schnellere Gangart und eine zeitgemäße Sprache ließe es sich für unsere heutige Zeit lesbar machen.“

Und dann endet sie, die neue Autorin: „Und hier ist sie, die lebendige Neufassung einer Geschichte, die mehr als 125 Jahre lang Millionen Leser auf der ganzen Welt erfreut und unterhalten hat.“

Und genau diese Impertinenz hat uns angehalten, den Originalroman, der ja auch, wie beschrieben überarbeitet ist, aber immerhin den Autorennamen Lewis Wallace noch über BEN HUR stehen läßt, zu lesen und wir müssen der Neuautorin sagen: Wir auf jeden Fall haben ihn verstanden und brauchen ihre Neufassung nicht.

Aber schön immerhin, daß dem Nicht-original-Lew-Wallace von BEN HUR als Leitspruch ein Zitat vom echten Lew Wallace von 1885 vorgesetzt wurde, das lautet: „Wenn ich mich eines Tages im Morgenmantel und mit den Pantoffeln eines alten Mannes niedersetzte und mit der Katze zusammen den Kamin warm halte, werde ich auf BEN HUR als mein bestes Werk zurückblicken.

Immerhin konnte Lew Wallace das dann noch 20 Jahre tun, denn der 1827 im Bundesstaat Indiana Geborene starb im nämlichen Indiana am 15. Februar 1905 und er, der Rechtsanwalt, Politiker, General und Schriftsteller war, hat durch BEN HUR überlebt, wobei für die letzten über 50 Jahre es die Verfilmung ist, die sein bekanntestes Werk am Leben hielt. Für die Vereinigten Staaten war er eine wichtige Person, denn er gehörte dem Militärtribunal an, das die Attentäter von Präsident Abraham Lincoln verurteilte. Seinen fiktiven Roman BEN HUR schrieb er als Christ, denn ihm war wichtig, die ersten Jahre der Christenverfolgung mitzubeschreiben.

Sein Held jedoch ist ein fiktiver jüdischer Fürst namens Judah Ben Hur, der zu Beginn der Zeitenwende wegen eines angeblichen Attentats – kein Wunder, daß Attentäter, auch wenn sie keine waren, den Autor faszinierten – auf den römischen Statthalter von Judäa verurteilt wird, zeitgemäß zu einer Galeerenstrafe, was einen entweder zum Abkratzen bringt oder so stark macht, daß man fast unbesiegbar wird. Auf jeden Fall hat dieser Judah genug Wut im Buch, um seinen ehemals besten Freund und familiären Bruder namens Messala zum berühmten Pferdewagenrennen heauszufordern.

Der nämlich ist, nachdem er ihn verraten hatte, zum Feind, den Römern übergelaufen und wird von denen protegiert. Doch nun geschieht das Wunder. Es erscheint Jesus Christus, noch in seinen Anfangsjahren, und dem kampfbereite Ben Hur wird klar, daß man Gewalt nicht mit Gewalt aus der Welt schaffen kann, daß es für Christen einen anderen Weg geben muß, den er gehen will, so sehr hat ihn die Glaubensbotschaft des dann gekreuzigten Gottessohnes überzeugt.

Man braucht über den Inhalt kein Wort zu verlieren, der in die Schublade von weltlich-religiöser Erbauungsliteratur gehört. Aber dem heutigen Schulterzucken steht gegenüber, daß BEN HUR nach der Bibel für das 19. Jahrhundert das meistgedruckte Buch blieb!!! Der erste Film entstand dann übrigens 1907, noch zeitnah an dem großen Leseerfolg, nachdem der historische Stoff noch vor dem Film sogar zu einem Theaterstück verarbeitet wurde. Der nächste Film kam dann 1925 mit dem bekannten Stummfilmstar Ramón Novarro in der Titelrolle. Die bis heute bekannte Filmversion war dann die von 1959. Dieser BEN HUR gilt nicht nur als Klassiker, sondern hat den Begriff des Monumentalfilms geprägt.

Es gibt also schon Gründe, warum wir uns mit dem gegenwärtigen Film und der literarischen Vorlage solche Mühe geben. Zu erwähnen ist noch, daß der Ben-Hur-Darsteller von 1959 Charlton Heston noch einmal zum Zuge kam. Im Jahr 2003 sprach er in einem Zeichentrickfilm für das amerikanische Fernsehen erneut die Hauptrolle. Sieben Jahre später war es dann Joseph Morgan, der für eine Fernsehverfilmung Ben Hur darstellte. Fortsetzung folgt



Info:

Lewis Wallace, Ben Hur, Eine Erzählung aus der Zeit Christi, neu bearbeitet von Ilse Leutz, Paul Franke Verlag, Berlin o.J.

Carol Wallace, Ben Hur, Ein Roman aus der Zeit Christi, adeo Verlag 2016

Ben-Hur. Eine Erzählung aus der Zeit Christ. Vollständige Ausgabe. Herausgegeben, mit einem Nachwort und Anmerkungen von Günter Jürgendmeier, dtv München 2002