Lamya Kaddor, Die Zerreißprobe. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht, bei Rowohlt Berlin,Teil 1/6

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Seit dem 21. September ist meine Rezension des Buches von Lamya Kaddor „DIE ZERREISSPROBE. Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht“ erst einmal geschrieben. Nach vielen Widerständen. Widerständen in mir selbst, auf die ich in der Buchkritik eingehe.


Aber ich wollte sie nach dem öffentlichen Tohuwabohu um die Autorin aus anderen Gründen erst einmal nicht veröffentlichen, weil sie eine schlichte Buchkritik ist, allerdings eine sehr ablehnende.

Wahrscheinlich hätte ich angesichts von KrimiBestenListen und dem Deutschen, den Österreichischen und dem Schweizer Buchpreis und den entsprechenden zu lesenden und zu rezensierenden Literaturlisten das Buch vergessen. Zu lesen und zu rezensieren vergessen.

Aber wie gut für Verlage und Autoren, wenn Pressevertreter einen rechtzeitig anschreiben, das war am 16. September:

„Liebe Frau Schulmerich,
nur, damit Sie es nicht übersehen: Nächste Woche  (Mittwoch 21. 9.) erscheint das neue Buch von Lamya Kaddor. Und das Besprechungs-Exemplar müsste auch inzwischen bei Ihnen angekommen sein?  Falls Sie noch was brauchen (Foto und Cover ?) oder Fragen haben, dann melden Sie sich bitte.“



Natürlich ist das genau der Wink mit dem Zaunpfahl, den unsereiner braucht. Ich habe also gelesen und gelesen und am Erscheinungstag, dem 20. September zurückgemeldet: „Wenn die Autorin nur so sorgfältig wäre wie Sie!! Pflichtgemäß lese ich weiter. Das Buch gefällt mir, der die meisten Bücher gefallen, überhaupt nicht. So besserwisserisch und irgendwie mit falscher Einvernahme. Haben Sie es gelesen?  Ich quäle mich ganz schön.“

Und erhalte anderntags Antwort

Liebe Frau Schulmerich,
quälen Sie sich nicht - das geht zu weit für ein Buch  Ich habe es in diesem Fall gern gelesen - flotte Sprache und einige ganz einsichtige Argumente. Manches Neue habe ich auch gelernt. Aber sicher, man kann immer was dran kritisieren. Und kann vor allem anderer Meinung sein.
...
Also bitte: Entweder kritisch besprechen oder einfach lassen - das ist keine Problem, und manchmal durchaus in Ordnung…“



Das hat mir Auftrieb gegeben. Auftrieb durch diese Rückantwort, meine eigentlich fertige Besprechung noch mal auf Eis zu legen, zumal ich in der Presse, die ich hier im Frankfurter Raum lese, nichts über das Buch fand. Aber dann ging es los. In ganz anderer Richtung. Ich habe nämlich  überhaupt nichts über DIE ZERREISSPROBE mitbekommen, aber fast täglich etwas zur Person Lamya Kaddor, die ich vor dem Lesen des Buches gar nicht kannte. Das was ich nun täglich erfuhr, will ich hier nicht alles wiederholen, denn für mich hat das mit meiner Buchrezension überhaupt nichts zu tun. Ich kritisiere nicht das Islamverständnis der Autorin, weil ich viel zu viel anderes zu kritisieren habe, weiß nicht, ob sie eine islamische Republik Deutschland will, finde, wer so austeilt, muß auch einstecken, was für sie und Henry M. Broder beiderseits gilt und wundere mich dann nur, daß sie zu ihren Feinden den verstorbenen so aufrechten Ralph Giordano zählt und die türkischstämmige und außerordentlich integrierte Necla Kelek, die unsereiner gerade für ihren Einsatz für Frauen in arabischen Kulturen und islamischen Ländern schätzt.

Von all den inzwischen gelesenen Vorwürfen , daß sie nicht ausgebildet und ihre pädagogische Aufgabe nur auf Grund vom sattsam bekannten Ditib und anderen islamistischen Vereinen erhalten hat, ist mir in Erinnerung geblieben, daß 2011 fünf ihrer Schüler in den Djihad für den IS zogen und daß es nicht geklärte Geldgeschäfte gibt, die sie doch hoffentlich mit den Tantiemen aus dem Verkauf des neuen Buches, das jetzt durch sie als Person so viel Publizität gewinnt, bereinigen kann. Wenigstens dann hätte das Buch doch ein Gutes.

Mir ist als Rezensentin von DIE ZERREISSPROBE völlig egal, ob sie sich anmaßt, Islamwissenschaftlerin zu sein, oder daß sie keine pädagogische Ausbildung besitzt und trotzdem Kinder und Jugendliche unterrichtet (nein, so etwas ist mir nicht egal, aber in diesem Zusammenhang einer Buchbesprechung irrelevant), mir ist schon nicht mehr so egal, in welcher Art sie ihr Buch als Anlaß von Haßmails und Morddrohungen vorschiebt. Das Buch ist dümmlich, das werde ich im Folgenden darlegen, aber sicher kein Grund für Haß, denn dazu ist es zu durchsichtig gestrickt in einem Muster, in dem sie, aus welchen Gründen auch immer, zu viele Maschen fallen ließ. Dann wird ein Gewebe löchrig. So kommt mir ihr Buch vor.

Ich wollte dies gerne der Buchbesprechung vorausschicken, in der also absichtlich vom Islam, vom guten oder bösen, vom fortschrittlichen oder reaktionären Islam keine Rede ist, obwohl er dauernd vorkommt. Darin bin ich nicht Expertin, und ich will nicht auf den Leim derer treten, an dem andere bei der Buchbesprechung über den Islam – so oder so – kleben bleiben, weil sie  von der Autorin irgendwelcher Abweichungen oder religiöser Feindschaft bezichtigt werden.

Ich habe das Buch als Expertin gelesen

für das Rezensieren von Büchern
im Deutschsein
als kundig in Deutscher Geschichte
als erfahren in Europäischer Geschichte
als Zeitzeugin der Bundesrepublik
als bewandert in der deutschen Sprache und Kultur.

Und was ich da an Unsinn in DIE ZERREISSPROBE  gefunden habe und was mich ärgerlich gemacht hat, zeigt die folgende ernsthafte Buchrezension von einem Buch, das es nicht verdient, ernst genommen zu werden.
Fortsetzung folgt.


Foto:


Info:
Lamya Kaddor, Die Zerreißprobe
Wie die Angst vor dem Fremden unsere Demokratie bedroht
Originalausgabe, 240 Seiten
€ 16,99 (D)/ € 17,50 (AT)
ISBN: 978-3-87134-836-5
Erstverkaufstag 21. September 2016




Die Verlagsankündigung
Alle reden davon, wie Flüchtlinge, Einwanderer sich integrieren können - Lamya Kaddor dreht die Frage um: Muss sich nicht auch die Mehrheitsgesellschaft ändern? Geht es nicht für alle darum, liberale Grundsätze zu leben? Mit Sorge beobachtet Kaddor, dass die Angst vor den Flüchtlingen, dem Islam, die Demokratie in Deutschland schwächt; dass sich Denkweisen etablieren, für die die Beschränkung der Freiheit zugunsten einer angeblichen Sicherheit legitim ist. Wer hinnimmt, dass Nordafrikanern der Zutritt zu Schwimmbädern verwehrt wird, läuft Gefahr, bald auch über die Beschränkung ganz anderer, fundamentaler Rechte sprechen zu müssen. Umgekehrt gilt, dass keine Ideologie, keine Weltanschauung über unserem Grundgesetz stehen darf: Auch hier droht der Demokratie in Deutschland Gefahr.

Die "Verfassungspatriotin" Lamya Kaddor ist Tag für Tag mit der Integrationswirklichkeit konfrontiert; sie sieht, welche Probleme, aber auch Chancen auf die deutsche Gesellschaft zukommen. Eines ist für sie klar: Wir brauchen ein neues deutsches Wir. Und wir müssen uns mehr über Identität und Integration unterhalten, weniger über Religion. Dieses Buch ist ein streitbarer, ganz persönlicher Bericht - ein Blick auf die Gesellschaft von einer Deutschen mit syrischen Wurzeln.

Die Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin LAMYA KADDOR, 1978 als Tochter syrischer Einwanderer in Ahlen/Westfalen geboren, ist Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Sie prägt die Debatten zu Islam in Deutschland, Salafismus und IS-Terror als Expertin mit. Ihr Band "Zum Töten bereit - Warum deutsche Jugendliche in den Dschihad ziehen" wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung 2016 als "Das politische Buch des Jahres" ausgezeichnet. 2010 erhielt sie den European Muslim Woman of Influence Award, 2016 den Integrationspreis der Stiftung Apfelbaum. Lamya Kaddor lebt mit ihrer Familie in Duisburg.