Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 20. Oktober 2016, Teil 6
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - – Zwischen der Erinnerung an Kindheitslektüre und dem, wenn man die Texte heute liest, klafft ein Abgrund. So ging es uns, als wir DAS KALTE HERZ wiederlasen, eines der eindrücklichen Märchen von Wilhelm Hauff, das 1827 erschien und Kindern in die Glieder fährt, Erwachsenen sogar noch mehr, finde ich heute.
Der klaffende Abgrund hat damit zu tun, wie stark in der Erzählung der Bezug zur Religion, zur Kirche ist. Daran erinnerte sich niemand mehr in unserer Runde, denen alle der eigentliche Vorgang mit dem Austausch von Herz und Stein gegen Geld und Ansehen gegenwärtig war, gleichzeitig war einem Teil noch bekannt, daß DAS KALTE HERZ kein eigenständiges Märchen ist, sondern als Binnenerzählung im DAS WIRTSHAUS IM SPESSART dient.
Es ist sinnvoll, auf den Handlungsverlauf des Märchens vor der Betrachtung des Films erst noch einmal einzugehen. Peter Munk heißt der Kohlenmunk-Peter genannte rußige Geselle, der brav seine anstrengende und dreckige Arbeit macht. Sein Vater ist schon tot und er muß jetzt die Köhlerei seines Vaters alleine betreiben. Das bringt wenig ein, die Mutter darbt und der junge Mann flucht vor sich hin, welch schlechtes Los er gezogen hat. Auch bei den Mädchen kann man damit nicht punkten, als rabenschwarzer Kohlebub.
Als er aber hört, daß es da einen gibt, der seinen Wunsch, reich und berühmt zu werden, erfüllen könne, da will er alles wissen: es ist ein Waldgeist, der sich Glasmännchen nennt, auch als Schatzhauser ist er bekannt. Doch dessen Zauberkräfte stehen nicht jedem zur Verfügung. Man muß nämlich – wie Peter – an einem Sonntag zwischen elf und zwei Uhr geboren worden sein. Dann – wenn derjenige zudem die richtige Ansprache an das Glasmännchen wählt - stehen ihm drei Wünsche frei, die der Zauberer erfüllt.
Auf der Suche nach dem Glasmännchen tief im Wald, bekommt er erst einmal mit einem anderen merkwürdigen Gesellen zu tun, einem riesengroßen Kerl, der als Holländermühle der gefährlichste Waldgeist der Gegend ist, ein absolut niederträchtiger Typ mit bösen Zauberkräften. Doch beim Aufeinandertreffen von Kohlenmunk-Peter und Holländermühle, kann sich der junge Mann erst einmal des aufdringlichen Geistes, der eine massive Gestalt hat, entgehen.
Die Ansprache an den guten Geist, die hat ihm die Mutter verraten.„Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist schon viel hundert Jahre alt. Dir gehört all Land, wo Tannen steh – läßt dich nur Sonntagskindern sehne“, soll er laut und deutlich in den Wald tief drinnen rufen. Und als das kleine dünne durchsichtige Männlein erscheint, da packen den Peter die aller dümmsten Gedanken und er wünscht sich als ersten, als wichtigsten Wunsch doch tatsächlich, daß er besser tanzen kann als der „Tanzbodenkönig“ und im Wirtshaus genauso viel Geld in der Tasche habe wie Ezechiel, wobei man wissen sollte, daß der Tanzbodenkönig der Sohn des reichen Ezechiel ist.
So ein dummer Wunsch, doch der zweite, der kann es dann vielleicht bringen. Denn da wünscht er sich eine repräsentative Glashütte mit einem Batzen Geld dazu, damit er sie auch betreiben könne. Ein dritter Wunsch wird aufgeschoben. Man weiß ja nie, was noch kommt. Und erst geht das Leben ja locker weiter. Peters Glashütte läuft ausgezeichnet, er verdient Geld, ist im Wirtshaus, das er immer mied, ein gern gesehener spendierfreudiger Gast. Doch ist ihm das alles geschenkt und er kümmert sich nicht weiter darum, bis er merkt, daß er mit der Glashütte in eine Katastrophe schlittert. Nur, wenn der reiche Ezechiel im Wirtshaus auftaucht, dann sind auch die Taschen des Peter voll. Doch er sonnt sich weiter, nicht mehr in den Erfolgen, jetzt in den Mißerfolgen.
Eines Abends – ein toller Trick in der Geschichte – ist ihm endlich das Glück hold. Er gewinnt endlich im Spiel – natürlich ist das alles gezinkt durch den fiesen Kapitalisten Ezechiel. Und als er diesen arm gespielt hat und Ezechiel nichts mehr im Beutel hat, bemerkt der Peter, daß auch seine Taschen leer sind. Ach ja, er hatte sich ja gewünscht, in deinen Taschen immer das zu haben, was auch der reiche Holzhändler besitzt. Dann kommt der Amtmann, will die Glashütte pfänden, die Mutter auf die Straße, bzw. in den Wald setzen etc. Also macht sich der Unglückspeter auf den Weg in den Wald zum Holländermichel. Ruckzuck ist das Geschäft gemacht, denn der Michel gibt ihm alles, was er verlangt, will nur im Austausch dafür sein Herz.
Sein Herz? Nichts wie weg mit dem Herzen, dafür bekommt Peter einen kalten Stein in die Brust, was ihm nicht wehtut, aber den anderen. Denn der weiche Peter wird nun zu einem kaltherzigen Reichen, der die 100 000 Taler vom Michel für seine Weltreise nutzt. Weg ist er und hat noch nicht einmal seine Mutter versorgt, die dahinvegetiert. Aber, was so ein richtiges kaltes Herz ist, das hat auch von Weltreisen keinen Gewinn, alles ist schal und sinnlos. Er bekommt weiteres Geld, baut ein schönes großes Haus, und läßt sein Kapital für sich arbeiten, will sagen, nimmt gemein hohe Zinsen und gibt nichts ab von seinem Reichtum. Zu seiner Mutter verhält er sich niederträchtig und jagt sie davon. Er heiratet die schönste und reichste Tochter der Gegend, die er unglücklich macht.
Und als sie einem armen Männlein einen Schluck Wasser gibt, schlägt er sie und schlägt sie dabei tot. Er erschrickt zutiefst und das Männlein entpuppt sich als Glasmännlein. Aber nach wie vor freut ihn nichts und sehnsüchtig denkt er zurück, wie das war, als er sich noch von Herzenslust an etwas erfreute und auch mit klopfendem Herzen auf etwas hoffte. Er will sein Herz zurück, das wird ihm klar. Erst einmal ruft er im Wald das Glasmännlein, denn da war ja noch ein dritter freier Wunsch. Doch den kann dieser nicht erfüllen, denn über den Holländermichel hat er keine Gewalt. Aber er verrät ihm einen Trick.
Also zieht Peter weiter. Doch der Holländermichel gibt es ihm nicht zurück, sein Herz, zeigt ihm stattdessen seine stattliche Sammlung von Herzen aus dem Schwarzwald. Es sind just die der reichen Leute, auch der Ezechiel ist dabei. Peter macht Radau, sagt, er habe gar keinen Stein in der Brust, sondern noch sein Herz – und als ihm das der auf einmal strohdumme Holländermichel zeigt und in die Hand gibt, ja sogar einsetzt, um zu beweisen, daß er es hat, streckt ihm Peter sein Glaskreuz entgegen, das der Teufel scheut wie das Weihwasser. Peter aber tut Buße beim Glasmännlein und – wir sind im Märchen! - weil Peter so bereut, wird die Frau wieder lebendig, die Mutter stellt sich ein und alle leben glücklich miteinander.
Info:
Wilhelm Hauff, Das kalte Herz. Ein Märchen