Die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte von Peter Köhler bei C.H. Beck, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Im Ernst, dieses Buch ist eine der Grundlagen für Familien von heute, damit die Eltern ihren Kindern einen Schritt voraus sind – oder, damit die Kinder ihren Eltern zeigen können, wie clever und gescheit sie sind. Und auch für Paare findet sich hier viel Gesprächsstoff und durchaus auch intellektuelle Konkurrenz.


FÄLSCHUNGEN, denn darum geht es, wenn leider auf Englisch der Vorgang jetzt wohl besonders interessant klingen soll, Fälschungen gibt es, seit es Menschen gibt. Aber erst, seit sie die Schrift haben, kann man das nachvollziehen, worin die einen den anderen übertölpeln mit Informationen, die so echt und wahr klingen, daß man sie glauben muß. Das klingt einsichtig und ist doch auch eine bewußte Fälschung von der Autorin dieser Zeilen.Denn natürlich ist so was wie Fälschung überhaupt nicht auf Worte beschränkt.

Denn seit der Antike kennen wir das bewußte Nachmachen, die Kopien, die Römer beispielsweise von griechischen Marmor- oder Bronzestatuen nachbilden ließen – und doch oft so taten, als ob sie 'echt', also original seien. Wir sind heute um die römischen Kopien froh, weil viele der Originale verloren sind – und haben mit der Bezeichnung Kopie auch den Begriff der Fälschung umgangen, der ja immer etwas Negatives, bewußten Betrug beinhaltet – was ja auch meistens stimmt! Eine Kopie dagegen ist eine offizielle Doppelung eines Originals und nicht mehr ehrenrührig, wenn man sie nicht als Original ausgibt. Nein, nein, auf den heutigen Kunstmarkt mit seinen irren Fälschungen wollen wir nicht eingehen, sondern in die Antike, sogar vor die Antike zurück.

Vor den Römern führt Köhler einen Vorgang aus dem Neolithikum – da Steinzeitaussagen fehlen – an, die er Schummelei nennt. Ein weiterer Begriff für Fälschungen, die man aber wohl nicht weiter ernst und schon gar nicht verfolgen muß. Hierbei geht es um „eine Schmuckkette aus 183 Hirschzähnen, von denen allerdings 65 aus Knochen täuschend echt nachgemacht waren.“ (12) Das ist sicher ein gutes Beispiel, was bis heute mit Schmuck passiert.

 Auch das, was wir heute Plagiat nennen, nämlich das Abkupfern der Texte von anderen und veröffentlichen unter eigenem Namen ist seit der Antike bekannt. Wichtig ist dabei, daß der Begriff des geistigen Eigentums ein moderner Begriff ist, der die Anerkennung der individuellen Autonomie und die Einmaligkeit der Schöpfungskraft eines Menschen voraussetzt. Erst nach Urheberfragen und Urheberrechtsansprüchen sind Fälschungen überhaupt als solche zu kennzeichnen.

Zwei literarische Formen sind dafür besonders bekannt. Das eine sind Fabeln und Märchen - denken Sie daran, wie offen die Brüder Grimm von ihren mündlichen Vorgaben von alten Frauen, auch anderen Ländern, sprachen und dennoch sind die Märchen durch sie geschaffen zu den Grimmschen Märchen geworden - und das andere sind epische Erzählungen, von denen beispielsweise die Ilias und die Odyssee zwar offiziell Homer zugeschrieben werden, aber die Forschung schon sehr lange davon spricht, daß es Kompilationen aus sehr unterschiedlichen Vorlagen seien, die aber sozusagen harmoniert sind und als Homer verkauft werden. Was man daraus auch lernen kann, das ist, daß wir Heutigen es sind, die Fälschungen evozieren, weil wir gerne Namen, abgeschlossene Vorgänge und  klare Zuordnungen haben wollen.


Der Autor fängt erst einmal mit historischen Themen an, Fälschungen, die sich durch die Geschichte hindurchziehen, manche x-mal widerlegt und dann doch immer weitergeglaubt, denn wenig ist so fälschungssicher wie Fälschungen.  Diese Absurdität können wir schon einmal festhalten. Genauso, wie täglich weitere Fehlmeldungen und bewußte Unwahrheiten das Falsche in der Welt vergrößern. Insgesamt stellt Peter Köhler 70 dieser Fälschungen aus aller Welt und allen Zeiten in Kapiteln vor, was bei einem Umfang von 245 Seiten natürlich bedeutet, daß diese Fälschungsvorgaben kurz gehalten sind. Das macht das Lesen oft etwas anstrengend, weil man im Kopf noch bei dem einen Fall ist, aber schon den nächsten aufnehmen will. Das nun führt wiederum dazu, daß man mehr vergißt, als man selber möchte. Denn man möchte diese Fälschungen unbedint in der Erinnerung behalten. Deshalb ist es auf jeden Fall angebracht, lieber an 70 Tagen je eine Fälschung sich vorzunehmen und zu memorieren, am besten gleich anderen weiterzuerzählen. Dann nämlich ist durchaus eine Gewähr dafür, dies dann wirklich ins eigene Gedächtnis zu übernehmen, ins eigene kulturelle Gedächtnis. Aber so logisch und psychologisch gehen wir selten vor. Außerdem sind auch wir viel zu neugierig auf die Fälschungen, um einen so weiten Blick und solch langen Atem zu haben.

Deshalb neigten wir zur anderen Methoden, nämlich die uns bekannten Themen als erste herauszupflücken und unter die Lupe zu nehmen, gerade weil sie uns nicht neu waren und sind, kann man besser beurteilen, wie der Verfasser die Fälschung darstellte. Man kann aber auch einfach danach auswählen, was einem an den Kurzkapiteln als Überschrift besonders neugierig macht, wie z.B. „Als Aldi und Suhrkamp sich fanden“ aus Seite 84. Von heute her ein famoser Spaß, den zwei Witzbolde als Zusammenarbeit von Suhrkamp und Aldi in die Welt setzten und dadurch die jeweiligen Herren, Siegfried Unseld und die Brüder Albrecht, öffentlich vorführten und auch lächerlich machten.

Die meisten niedergelegten Fälschungen kennt man aus Geschichte oder Überlieferung. Aber wie nötig es ist, solche Fälschungen auf dem Hintergrund laufender Geschichtswissenschaft zu überprüfen, zeigt das Beispiel der KONSTANTINISCHEN SCHENKUNG (27-30), das direkt nach DAS GEFÄLSCHTE MITTELALTER kommt. Erst seit beispielsweise Eigentum an Grund und Boden in Urkunden festgehalten wurden, wurden Fälschungen interessant, von denen, was die Merowingerzeit angeht, Zweidrittel gefälscht sein sollen. Eine stolze Zahl. Mit der KONSTANTINISCHEN SCHENKUNG hat es nun eine besondere Bewandtnis, weil seit 1455 bekannt es, daß diese eine Fälschung ist.

Und hier nun haben wir massiv den Text von Peter Köhler zu kritisieren, weil er nicht die neuesten Forschungsergebnisse aufnimmt, die immerhin schon vor 9 Jahren hinsichtlich der Konstantinischen Schenkung in die Welt kamen. Fortsetzung folgt.

Info:

Peter Köhler, Fake, Die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte, C.H. Beck Verlag 2015

Johannes Fried, Die Konstantinische Schenkung. In: Johannes Fried, Olaf B. Rader (Hrsg.): Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends. C.H. Beck, München 2011, S. 295–311.