Der neueste Fabian Risk-Kriminalroman von Stefan Ahnhem erscheint heute im List Verlag

Elisabeth Römer

Hamburg (Weltexpresso) – Nein, so kalt ist es derzeit noch nicht, aber wenn der schwedische Erfolgsautor seinen dritten, 2016 original ARTON GRADER MINUS erschienenen Kriminalroman um diesen zwischen Weichei und sensiblen Ermittler angelegten Fabian Risk so schnell auf Deutsch vorlegt, weiß man, er kommt auch hier an.


Dabei kann man sich beim Lesen die Haare ausraufen. Auch diesmal ist der innere Schweinehund in Fabian sein größter Feind, wo doch er der Feind dieses gnadenlosen Paares sein müßte, das systematisch, also unerbittlich, zäh und mit großem technischen Wissen und einer blühenden Phantasie ausgesuchte Reiche in Schweden zu Minus 18 Grad verdonnert und sich an ihre Stelle setzt, will sagen, ihr Vermögen an sich nimmt.

Das ging jetzt viel zu schnell und der Roman läßt einem auch 539 Seiten Zeit, bis zum Schluß dann doch wieder der schludrige und schußunfähige Fabian Risk in seinem Dauerclinch mit seinem Sohn Theodor und dessen Aufforderung: „Schieß doch endlich, verdammt noch mal. Schieß!“ diesem gehorcht und den Krimi zu einem guten Ende führt, auch wenn einer daran glauben mußte, oder zwei? Nein, das verraten wir noch nicht, zumal ja das Weiterlebenmüssen, noch dazu ohne den einen, als das Grausamere gilt.

Von vorne. Das wären die ersten Romane HERZSAMMLER und UND MORGEN DU,  in denen wir das Geschehen um den Kommissar Fabian Risk kennengelernt haben. Und wenn der Verlag ausdrücklich empfiehlt, in dieser Reihenfolge die Romane auch zu lesen, hat das damit zu tun, daß am Ende des ersten Buches sich Risk mitsamt seinen zwei Kindern, einer lieben Tochter und einem aggressiven Sohn sowie der nervigen Ehefrau Sonja in die Provinz verabschiedet, eben, um auch ein Familienleben haben zu können. Wir sind also in Helsingborg  im südschwedischen Schonen, wo Malmö den Ton angibt, aber die Fähre von Helsingborg über den Öresund einen viel schneller nach Dänemark und auch Kopenhagen bringt, wobei einem wieder auffällt, daß Dänemark wie die Slowakei und andere die Hauptstadt direkt an ihrer Staatsgrenze haben.

Doch, doch diese geographischen Angaben sind wichtig, denn jenseits des Öresunds spielt die dänische Kollegin Dunja Hougaard eine wichtige Rolle, mehr als das, eigentlich arbeiten beide – sie und Risk- an dem selben Fall, wie sich später herausstellt. Und das hat damit zu tun, daß hier nun eine Leiche nach der anderen gefunden wird, die alle den Anschein geben, als seien sie gerade gestorben, mit Hilfe oder noch besser von alleine dazu, – was aber der geniale Pathologe durchschaut und feststellt, daß alle doch so frisch erscheinenden  Leichen über einen längeren Zeitraum tiefgefroren waren. Ehrlich gesagt, läßt einen dann das Brummen von Tiefkühlschränken und -truhen, das wir auch kennen, nicht mehr los. Hier wird die Tiefkühltruhe zu einem Mordinstrument, denn die meisten kommen noch lebendig hinein und erfrieren – nein,eben nicht, sie ersticken, das ist das Erste, was man nebenbei lernt und längst nicht das Letzte. Da ist ein Serienmörder zu Gange, der die Opfer als Mörder, als Selbstmörder, als ...inszeniert.

Ahnhem ist ein versierter Schreiber, der weiß, wie man Spannung erzeugt. Und mit dem PROLOG vom 28. Oktober 2010 und Teile I vom 9. bis 15. Mai 2012 ist ihm ein hinreißendes Stück Krimigeschichte gelungen. Wie die Kripochefin, gerade vom Idioten Gunnar verlassen, selbst im Alkoholrausch noch fahrtüchtig, ihren Aufbruch vollzieht, wie sie ins Auto steigt, fährt…“Nichts verabscheute sie so sehr wie kleine neureiche Männer mit teuren Autos...“ und dann von diesem „Arschloch“ im roten BMW gerammt wird. „Sie überholt ihn auf der rechten Spur, fädelte sich mit eingeschalteter Warnblinkanlage wieder auf der linken...Er sollte anhalten...Stattdessen zog der BMW auf der rechten Spur an ihr vorbei, als wäre es ein Kinderspiel. Willst du Krieg, du alter Sack? Kannst du haben...“(15), das gehört zum Lustigsten, Deftigsten und Wahrhaftigsten des Genres, was ja nur deshalb so hervorgehoben wird, weil das Ende dieser Dienstfahrt noch skandalöser wird als die Fahrt ist.

Der rote BMW schießt nämlich über die Kaimauer, fliegt durch die Luft und klatscht dann auf die Wasseroberfläche und versinkt im Hafen. Das ist schon mal Action, aber das Dolle kommt ja erst. Der Fahrer wird tot aus dem Wasser gefischt, aber er war einer dieser aufgetauten Leichen.  Noch Fragen?

Also, das Unterhaltungspotential von Ahnhem ist schon gewaltig und immer wieder muß man laut lachen, aber dann kommt einem beim familiären Zwist innerhalb der Familie des Fabian auch das Gähnen, Dauerproblem Theodor genauso wie diese Sonja. Beide bekommen es in dieser Geschichte so knüppeldick, daß sie danach wissen, was sie an ihrem Vater und Ehemann haben. Auch die gute Kripochefin raubt einem Nerven, wie überhaupt dieser Krimi geeignet ist, auch noch den letzten Rest von Hoffnung auf die Polizei über Bord zu werfen. Über Bord werfen, nah am Wasser bauern, hier fallen einem so viele Metaphern ein, wenn die Reise auf der Fähre von Theodor und seiner Flamme dann auch noch eine Rolle. spielt

Wenn Ahnhem nicht so ein guter Geschichtenerzähler wäre, dann würde man das Buch immer wieder in die Ecke pfeffern. Aber die eigentliche Geschichte, um die wir uns hier herumschreiben, weil man sie selbst entdecken muß, die ist so schräg wie scharf. Es geht um Identitätsdiebstahl reihum, wo wirklich sehr intelligent und mit künstlerischen Fähigkeiten dazu, sich Menschen in ihr Gegenüber verwandeln, was spätestens dann hochnotpeinlich wird, wenn im Gefängnis aus dem Gefangenen die Anwältin wird, die nach dem Besuch seelenruhig aus der Zelle geholt wird und draußen wegfährt, während der männliche Gefangene sich auf einmal als Frau entpuppt und die Gefängnisleitung ihn dazu noch einfach in die Freiheit spazieren läßt – wo der Spezi im Wagen schon auf sie gewartet hat.

Wenn man mit etwas am Schluß dann doch nicht ganz zufrieden ist, dann ist es das Innenleben dieser Zwei, die ständig ihr Äußeres wechseln, so perfekt, daß fast jeder drauf reinfällt. Ihr Motiv bekommen wir auch mit, tatsächlich spielt der schwedische Adel dann auch noch eine Rolle, aber das ist uns alles zu schematisch, das hätten wir gerne genauer gewußt. Kann aber gut sein, daß das auf Kosten der Dramatik gegangen wäre, denn wie es sich für einen guten Krimi gehört, steigert sich die Spannung unerträglich, bis…

Also, dolle Geschichte und doch waren wir vom Vorgänger, dieser entsetzlichen Geschichte mit dem Klassentreffen und den Fotos wegen des inneren biographischen Zusammenhangs noch mehr gepackt. Darum gilt: wer das Familienleben der Risks weiterverfolgen möchte, ist hier richtig. Die anderen kann MINUS 18° kalt lassen.


Info:

Stefan Ahnhem, MINUS 18 °, List Verlag, ab 2. Januar 2017.

Für seinen ersten Fabian-Risk-Roman DER HERZSAMMLER hatte Ahnhem den Krimi-Publikumspreis des deutschen Buchhandels, die MIMI 2016 erhalten.
Der Autor ist Ende Februar 2017 in Deutschland auf Lesereise, worüber wir berichten werden.