Serie: Sein Leben in seinen eigenen Worten, in denen er nicht auf bessre Zeiten warten will, Biermann II

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zwei-drei Tage war Wolf Biermann auf der Frankfurter Buchmesse und leistete ein Mammutprogramm. Und das alles zur Vorstellung seiner Autobiographie, die auf über 500 Seiten von einem Leben erzählt, das alleine für die 24 Jahre in der DDR 345 Seiten braucht.



Das ist schon mal wichtig, denn die Tragik – und dieses Wort ist nicht zu hoch gegriffen – des Wolf Biermann war und ist, daß er in der damaligen DDR einer der wichtigsten Menschen seiner Zeit war, von dem jedes Wort gesellschaftliche Explosionsstoff enthielt und jedes gesungene Wort noch eins drauflegte – und daß Wolf Biermann dann, als er nach dem Kölner Konzert nicht mehr in seine Heimat zurückdurfte, längere Zeit in der Bundesrepublik noch eine wichtige öffentliche Person blieb, seine Konzerte auch weiter gut besucht wurden, er aber hätte singen können, was er wollte und herausschreien, was ihm wichtig war, aber niemand - über die Anwesenden hinaus - mehr groß zuhörte. Denn, wenn allen alles zu sagen erlaubt ist, dann hören die meisten gar nicht mehr hin. Ganz klar, daß er für die DDR der Dorn im Fleisch war, und ja doch auch blieb.

Seine Autobiografie heißt "Warte nicht auf bessre Zeiten!", und daß sie nur etwas mehr als 500 Seiten hat, das nennt Biermann an diesem Nachmittag abwechselnd "einen Witz", "verrückt" oder "lächerlich", nämlich lächerlich wenig. 10 000 Seiten hätte das Buch haben müssen, sagt er. Und das darf man ihm abnehmen, denn er war für die Staatssicherheit lange Zeit das wichtigste Observationsobjekt. Die Staatssicherheit, die Stasi abgekürzt fast etwas Liebevolles erhält, aber eklig und schlüpfrig war. Und als geborene Deutsche waren sie nicht nur obrigkeitshörig, sondern auch bürokratisch vom Vollständigkeitswahn befallen. Denn immerhin hat die Stasi mehr als 30 000 Seiten zusammengeschmiert, was ein Riesenaktenberg ist, dem gegenüber so schlappe 500 Seiten wirklich kaum etwas entgegensetzen können.  Von der Quantität her. Allerdings sind seine Erinnerungen vom geborenen Poeten Wolf Biermann wunderbar niedergeschrieben worden, also von exquisiter Qualität.

Auf der Buchmesse ging der Biermannmarathon gleich am Mittwoch, dem 19. Oktober los, wo drei Termine anstanden und setzte sich am Donnerstag, 20. Oktober fort.

Am Mittwoch
19. 10. 2016
11.00-12.00 DLR Stand, Wolf Biermann im Gespräch mit St. v. Oppen
13:00 - 13:30 Spiegel Stand, Wolf Biermann im Gespräch mit Volker Weidermann
14:00 – 14:30 Blaues Sofa, Wolf Biermann im Gespräch mit Volker Weidermann


Donnerstag
20.10.2016  Frankfurt, Buchmesse, Lesezelt
12-13:00 Buchpräsentation mit Wolf Biermann. Das Gespräch führt Andreas Öhler
17.00-17.30 ARD Bühne, Gespräch mit R. Stäblein vom HR

Freitag
21. 10.
17.00 Uhr
Wolf Biermann
»Warte nicht auf bessre Zeiten! Die Autobiographie«
Moderation: Josef Joffe

Wir waren bei allen Veranstaltungen  und als Wichtigstes gilt: wir sind des Wolf Biermann immer noch nicht überdrüssig. Eigentlich kennen wir ihn ja in den mündlichen Passagen, in den Texten, mit denen er seine Lieder ankündigt oder sie moderiert und analysiert. Und da halten wir auch stundenlange Konzerte begeistert aus. Seine Schriftsprache knüpft an die Unmittelbarkeit seines Sprechens an. Von daher sind Lesungen, die von ihm,  wie er sagt, von seiner Kodderschnauze eingeführt und kommentiert werden, dann das Non plus ultra.


Volker Weidemann hatte im Spiegel Biermanns Autobiographie auch rezensiert. Sein Vorteil ist, daß er in der DDR aufgewachsen ist. Allerdings zu junge, um die damaligen Vorgänge zu erinnern. Aber aufgewachsen mit den Erinnerungen der anderen. Für ihn ist Biermanns Buch ein großer, ein überwältigender Deutschlandroman. Das Buch ist viel zu groß für einen einzelnen, kleinen Menschen. Das ganze verdammte deutsche Jahrhundert ist durch diesen Wolf hindurchgegangen.


Ein Biermann braucht allerdings keinen Moderator oder jemanden, der ihn befragt, „“Mit roter Brause im Kopf bin ich als Halbstarker in den Osten gegangen, um die DDR und den Kommunismus aufzubauen, was mir aus so fruchtbare Weise mißlang“, seine Gitarre ist das Holzschwert des Drachentöters Biermann. Auffällig – und doch normal -, daß je älter Biermann wird, desto stärker seine Kindheit und die Erinnerung an die Eltern zum Thema werden.  Fortsetzung folgt.


Foto: © wikipedia.de

Info:


Dieser Beitrag wurde zur Buchmesse im Oktober geschrieben, aber wie die Geburtstagsgratulation noch nicht veröffentlicht.

Wolf Biermann, Warte nicht auf bessre Zeiten,. Die Autobiographie, Propyläen 2016