Malte Welding, Hat Deine Mutter Kinder?, im Rowohlt Taschenbuch Verlag

Eric Fischling

Hamburg (Weltexpresso) – Der Untertitel 'Neue Sekundenschafe'  setzt voraus, daß es schon ein Vorgängerbuch 'Sekundenschafe' gibt, was richtig ist. Aber nach der Sichtung dieser Zweitversion sind wir auf den Vorgänger nicht neugierig.


Es kann natürlich auch umgekehrt sein, daß das Erstbuch hervorragend ist, der Autor dort aber schon sein gesamtes Pulver verschossen hat. In den 'Neue Sekundenschafe' auf jeden Fall möchte man so gerne von interessanten Sekundenschafen lesen, um lachen zu können und sich seiner eigenen zu erinnern. Und genau dies: das Einverständnis mit dem, was man gerade erfährt, das fehlt. Zu umständlich, zu hergeholt kommt einem das vor, was doch theoretisch höchst witzig ist, und was sicher schon jedem passiert ist und was Malte Welding: Sekundenschafe nennt.

Also gut, dann definieren wir mal, gut auch, daß man nicht allein damit bleibt, daß man hin und wieder den größten Unsinn verzapft, weil man zwei Dinge koppelt, die nichts miteinander zu tun haben, aber im eigenen Kopf eine Verknüpfung herstellt oder eine Frage stellt, die sich durch Dummheit von selbst erledigt, wie der Buchtitel so plastisch darstellt: „Hat Deine Mutter Kinder?“  Das ist herrlich und über die generelle Dummheit kommt gleich noch etwas, diese Alltagsdummheit, wo man ohne Sinn und Verstand statt eins und eins zwei sein zu lassen auf 0 oder 3 kommt.


Damit das klar ist, den Ansatz finden wir spannend und zutreffend, nur die Beispiele sind dann unlustig und absolut hergeholt. Auch das sogar auf dem Vorblatt zitierte: „Als ich eben das Wort 'catholic' las, dachte ich mir nur: 'Wow, verrückt, dass es echt Menschen gibt, die süchtig nach Katzen sind.“  Soll das witzig sein? Schade, das ist nur überkandidelt, aber kein echtes Sekundenschaf. Besser ist schon der Anfang, wenn der Autor ein Päckchen vom Rowohlt Verlag bekommt und er sich freut, daß das Buch nun fertig ist – und dann daran denkt, daß er ja das Manuskript noch gar nicht abgeschickt hatte.

Da hätte ich in der Folge erwartet, daß statt einer Unmenge von lahmen oder sogar unzutreffenden Beispielen so etwas wie eine Struktur dieser sekundenlangen Fehlschlüsse geboten wird, eine Analyse, wie es zugeht im eigenen Kopf, daß zwei sich ausschließende, bzw. zeitlich nicht passende, logisch nicht verknüpfbare Dinge von einem selbst zusammengebracht werden, was meist schnell als töricht auffliegt und in einem das Gefühl zurückläßt, daß man sich gerade als außerordentlich dumm, ja geradezu blöde angestellt hat. Einfach doof.

DUMMHEIT. Was kennzeichnet die Dummheit. Autor Welding spricht schon im Vorwort von einem Vortrag von Robert Musil  'Über die Dummheit', der direkt auf die Situation des Verfassers, aber auch des Buchrezensenten abhebt: „daß er nicht dumm sei; und also zur Schau trägt, daß er sich für klug halte, obwohl es allgemein für ein Zeichen von Dummheit gilt, das zu tun!“  Und natürlich muß  man beim Stichwort DUMMHEIT sofort an die wunderbare Sotisse von Bert Brecht denken: „Unsichtbar wird die Dummheit, wenn sie genügend große Ausmaße angenommen hat.“

Und doch, so stark diese beiden Definitionen sind, sie passen überhaupt nicht auf das eigene sekundenschnelle Aussetzen von Logik und Verstand, über das man selber nur den Kopf schütteln kann, wenn es einem sofort darauf auf- und einfällt. Noch einmal, vielleicht hat ja Autor Welding in seinem Vorgängerbuch schon eine physiologische und psychologische Analyse dessen geleistet, was im eigenen Kopf falsch läuft – wie gesagt in Sekundenschnelle selbst entdeckt und als peinlich mit Kopfschütteln über einen selbst quittiert.

Stattdessen beschränkt sich das Buch darauf, in fünf Kapitel thematisch zu differenzieren: AAAW Schafe!, Schafe und ihr Körper, Schafe in der Moderne, Schafe und die große weite Welt sowie Wilde Schafe. Und dann wird auf 242 weiteren Seiten und in weiterer Untergliederung der fünf Kapitel eine Geschichte nach der anderen gebracht, mal als kurzer Sketch wie

„Beim Aufräumen finde  ich einen Puppenschuh und denke mir,  daß der sicher auch bald zu klein sein wird. Kinderfüße wachsen ja so schnell.“

mal als längere Erzählung“

„Mitten in der Nacht stehe ich auf der Terrasse und rufe laut immer und immer wieder: 'Juuuulia!Juliaaa!Juuuliaaa! Jetzt komm endlich rein, draußen wird es kalt heute Nacht', um unsere Katze, wie jeden Abend, ins Haus zu holen. Nur blöd, daß unsere Katze Lizzy heißt und Julia der Name meiner Tochter ist, die natürlich schon seit Stunden schläft.“

Das reißt einen nicht vom Hocker, zumal solche Namensverwechslungen für uns überhaupt nichts mit dem zu tun haben, was 'Sekundenschaf' im Eigentlichen ausmacht, daß nämlich zwei Sachverhalte fälschlich von jemandem verknüpft werden und daraus ein falscher Schluß gezogen wird, gilt für das letztere Beispiel schon mal gar nicht und für das erste ist es nicht besonders witzig.

Das müssen wir so deutlich sagen, weil trotz der so guten Voraussetzungen, daß wir zugewandt und mit großem Interesse diese 'Sekundenschafe' lesen wollten, zunehmend gelangweilt, ja angeödet waren. Dann probiert man es bei den anderen Kapiteln, aber auch dort hauen die Erzählungen nicht rein, haben keinen Witz und schrammen unaufhörlich am Thema vorbei. Rundherum eine herbe Enttäuschung, dieses Buch. Das hat dieses doch eigentlich tolle Thema nicht verdient.

Info: Malte Welding, Hat deine Mutter Kinder? Neue Sekundenschafe, Rowohlt Taschenbuch Verlag 2017