Eva Rossmann UNTER STROM aus dem Folio Verlag Wien

 

Elisabeth Römer

 

Berlin (Weltexpresso) – Doch, einen Mira Valensky Krimi, von denen der vorliegende der 14. Fall ist, hatten wir schon gelesen, haben aber nicht mehr wirkliche Erinnerung daran. Dieser also, der ganz neue, mit dem haben wir uns sehr schwer getan. Vor allem am Anfang, bis dann die Dynamik des Geschehens um alternative Energiegewinnung und die kriminellen Machenschaften darum die Überhand und auch die Spannung gewinnen.

 

Warum schwer getan? Das können wir genau begründen. Da wird uns eine Journalistin, die investigativ – so nennt man das heute – ermittelt in einer Ausführlichkeit als älter werdende Frau vorgestellt, als Räsoniererin über das Leben und ihre Beziehung zum Ehemann Oskar, einem kleinen Flirt mit Christoph einbeschlossen, die dauernd ißt und trinkt und das Essen auch noch aufwendig gestaltet, also dauernd die tollsten Menüs kreiert, einkauft, kocht – über den Abwasch wird an keiner Stelle ein Wort verloren – die so sehr aus einem ganz speziellen oberen Mittelschichtsniveau stammt, wo man die besten Weinsorten auswendig kennt – wo überhaupt immer getrunken wird -, wo die Küche der Umschlagplatz für die örtlichen Märkte wird und gleichzeitig Abnehmen und Joggen zum Dauerthema und insgesamt so sehr das Ambiente einer gut verdienenden zwischen Geist, Geld, Politik und Dazuzugehören chanchierenden Kollegin vermittelt wird, das man sich – als Journalistin verzweifelt fragt, wann diese Mira Valensky eigentlich ihre Artikel schreibt, denn sie wird gut bezahlt, spricht aber nur von 2 Seiten in der Wochenzeitung das MAGAZIN, die dann – wenn sie in der Redaktion bleibt – auch dort runtergerasselt werden. Uns ist dies ganze literarische Personal etwas zu selbstgefällig, zu sehr selbstgefällige Schickeria.

 

Man sieht also, wir haben im Kern zwei Einwände: Das Private nimmt uns gegenüber der die Krimihandlung vorantreibenden beruflichen Journalistin einfach zu viel Raum ein, was wir wahrscheinlich nie monieren täten, wenn uns diese Mira besser gefiele. Für uns – die wir also im Ernst erst jetzt eingestiegen sind – ist sie einfach nicht interessant genug, als Person, als daß uns ihre Gedanken und Gefühle und auch ihr phantasievolles Kochen so überaus interessieren könnten, daß wir die immerhin 292 Seiten lesen. Doch, doch, das haben wir dann getan, denn wir schreiben nur über Dinge,die wir auch gelesen haben und darum kommt als Fortsetzung auch viel Interessanteres, als wir zuerst dachten, denn Eva Rossmann hat sowohl inhaltlich ihr Ohr an gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemen mit allem Für und Wider und sie bringt interessantes Begleitpersonal.

 

Ach so, Sie wollen die Geschichte? Bitte sehr. Mira Valensky bekommt zufällig mit – wo? Beim Joggen natürlich – daß das österreichische Bundesheer eine Übung abhält, mit fünf Hubschraubern, was schon was ist, und das Ganze rund um eine Gasstation. Darüber wissen wir alle viel zu wenig, ist eine der Erkenntnisse beim Lesen des Buches, wie gefährlich wir leben, wenn unterirdisch und überirdisch Riesenleitungen und -röhren durchs Land laufen. Hier auf jeden Fall, ist diese Reserveübung der Auftakt zu wirklichen, meist kleineren, dann aber auch größeren Attacken. Da wird im Weinviertel eine Pipeline gesprengt, hier wird eine Leitung abgefackelt, da gibt’s ein nächtliches Picknick auf dem Friedhof mit Feuerwerk, da wird aber wirklich einer ermordet und heimlich in die energieerneuerbare Maischmaschine gesteckt, denn insgeheim und dann auch ganz offen geht es um die Ressourcen für die Energiekonzerne, die weltweit und zumindest europanah sich die Macht erhalten wollen, während es neue Gruppen gibt, die lokal und trotzdem global vernetzt, den Strom dort erzeugen wollen, wo er auch gebraucht wird, was nicht nur Energiegewinnung bedeutet – lange Leitungen bringen nämlich Verluste um die Hälfte – sondern für die Kunden auch eine andere Verantwortung für ihren Stromverbrauch, denn die Erzeugung findet vor ihrer Haustüre statt..

 

Das ist der Hintergrund, der nun regional um Wien herum ausgetragen wird, wo ein eigentlich belangloses Dorf sich in SONNENDORF umbenennt, weil dort mit „Pro!“ die kleine Firma sitzt, die mit ihrem Emblem, die Sonne, alles zupflastert, aber eben auch mit einer energiegeladenen Öffentlichkeitssprecherin die guten Taten der örtlich Strom Produzierenden an die große Glocke hängen kann. Der von Anfang an zwielichtige international aufgestellte Gegner ist „Pure Energy“, der kauft die Politiker, hat windige Expolitiker als Lobbyisten und Mittelsmänner zu den Großen der Welt. Alles bekannt, alles widerlich.Nun wird aber im Ablauf des Geschehens auch die doch eigentlich saubere Seite der kleinen Aufbegehrer potentieller Übeltäter verdächtigt, was einem beim Lesen albern vorkommt, weil kein Krimi um solche Machenschaften dann die Schuldigen ausgerechnet bei den Kleinen, seien sie auch noch so sehr Ökoaktivisten bis Ökoterroristen, finden kann. Das wäre gegen das System. Gegen das System des Krimischreibens. Die Folge ist halt dann hier das Klischeehafte, auch das des Übeltäters und Mörders, der erst am Schluß herauskommt, worüber wir jetzt kein Wort verlieren.

 

Kommen wir zu dem, was uns freute. Katzen mögen wir immer, auch wenn sie etwas blaß bleiben wie Miras Schildpattkatze Gismo. Wir wissen nämlich, daß das Eigenleben dieser Katze doch sehr viel vielfältiger ist, als es im Krimi vorkommt. Mit der Freundin Vesna, aus Ex-Jugoslawien – das Wort fällt nie, es sind ordentlich die Balkanländer aufgeführt, sie kommt aus Bosnien – hat diese Mira nun eine Freundin, wie sie jede Frau braucht und auch so manche hat. Eine unbestechliche, wahrheitssuchende, Lebensgefährten und Kinder – Hauptpersonen hier: die studierenden Zwillinge Fran und Jana, Experten für Rechner und Internet und das moderne Leben – ziemlich streng behandelnde Frau, aber immer aufrecht das Gute will und auch viel von dem erreicht. Ihre und „Pro!“s und Miras Gegner, also die Multis auf der anderen Seite, haben alle einen Makel, sie sind einfach uninteressant und so grob gezeichnet, daß es keine Freude macht, heißen sie nun Gruber oder Zemlinsky oder gar Stepanovic, der erst recht. Mehr wird nicht verraten, denn natürlich sollen Sie das Buch lesen. Dann nämlich besonders, wenn es Ihnen Freude macht, daß Wiener über ihre Stadtgrenzen drüber schauen, sogar aufs Land fahren, selbst über Floridsdorf hinaus, sogar Wolkersdorf wird erwähnt, also das Umfeld immer wieder eine Rolle spielt.

P.S.: Wir kennen das gar nicht aus Wien, daß man persönlich Unbekannte und noch dazu höhere Chargen zu sich nach Hause zum Essen einlädt. Für uns geht der Wiener ins Wirtshaus, hier in gepflegte Speiselokale, und gemeinsam zu Hause kocht man nur für wirklich gute Freunde und ißt mit ihnen. Ist an uns eine soziologische Veränderung in Wien vorbeigegangen?

 

Die Premiere von UNTER STROM findet am 3. September in Wien in der Buchhandlung Morawa statt.

Eva Rossmann, Unter Strom. Ein Mira-Valensky-Krimi, Folio Verlag