KrimiZEIT-Bestenliste in ZEIT und NordwestRadio  für September 2012



Elisabeth Römer 

 

Hamburg (Weltexpresso) –  Diesmal kann der Bericht kurz bleiben, wenn Sie die bisherigen Besprechungen der letzten Monate zu Rate ziehen. Denn es gab zwar ein interessantes Revirement innerhalb der Liste, aber es sind nur vier neue Bücher darunter.

 

Neu also an die Spitze gerückt ist der Krimi ÖL AUF WASSER von Helon Habila, wo uns der Verlag das Wunderhorn aber noch kein Rezensionsexemplar schickte, so daß wir auf die Angaben in der Liste verweisen müssen. Der Sprung von Platz neun auf den ersten ist gewaltig und meist liegt dies daran, daß beim letzten Mal noch nicht viele Jurymitglieder den Krimi gelesen hatten, was inzwischen wohl passiert ist. Hoffentlich das nächste Mal auch von uns eine Würdigung des Romans eines nigerianischen Autors um die Suche nach einer entführten Weißen.

 

Auf Platz 2 folgt ganz neu DIE EHRENWERTE GESELLSCHAFT von Dominique Manotti, die zusammen mit DOA diesen Politthriller vierhändig schreibt, erschienen bei Assoziation A. DOA ist das nach „Dead On Arrival“ gewählte Pseudonym eines 1963 geborenen französischen Autors, mit dem sich die Manotti zusammengetan hat, um die ehrenwerte herrschende Klasse aufzumischen. Der Videomitschnitt eines Mordes gefährdet einen großen Deal während der Präsidentschaftswahlen 2007. Grand Prix de la Littérature Policière 2011.

 

Dominique Manotti macht sich selber Konkurrenz mit DAS SCHWARZE KORPS, ein Ariadne Kriminalroman aus dem Argument Verlag, das die Jury – ebenfalls neu - auf Platz 9 setzte. Tolles Sujet für unsereinen, weil es um die letzten Monate der deutschen Besatzung in Frankreich geht, die die Historikerin Manotti im spannenden Gewand eines historischen Kriminalromans abhandelt. Demnächst mehr von den Manottis!

 

Abgerutscht auf Platz 4 – also auf ebenfalls hohem Niveau – ist DER TOD VON MISTER SWEET von Daniel Woodrell aus dem Liebeskind Verlag, der das dritte Mal plaziert ist. Woodrell wird bei der Kriminacht in Wien auftreten! Den fünften Platz nimmt – ebenfalls neu – Jim Thompson mit IN DIE FINSTERE NACHT aus dem Heyne Verlag ein. Heyne ist nicht oft bei Kriminalromanen dabei und die Jury und Tobias Gohlis würdigen ihn: „Der Heyne-Verlag erwirbt große Verdienste mit der Veröffentlichung eines der größten und zugleich bizarrsten Noir-Autoren Amerikas. 1953 erstveröffentlicht, wurde In die finstere Nacht jetzt erstmals ins Deutsche übertragen – ein Meisterwerk um einen zerbrechenden Auftragsmörder. Eine literarische Sensation.“ Das klingt doch absolut nach einem Spitzentitel auf der nächsten Liste.

 

Auf Platz 8 folgt ebenfalls neu DAS ZERBROCHENE FENSTER von Zoë Beck, aus dem Verlag Lübbe. Bisher wissen wir nur, daß es um eine raffiniert getwistete Rätselgeschichte um Mord, Neid, Geschwisterhaß und Einsamkeit geht. Demnächst mehr über die Neuen. Howard Linskey ist vom achten auf den sechsten Rang vorgerückt. Sein CRIME MACHINE ist beim Verlag Knaur herausgekommen. In der Tat ein sehr spannendes Buch, das die The Times sogar mit „Ein Dashiell Hammett aus Newcastle – Thriller des Jahres!“ titulierte.

 

Die KrimiZEIT-Bestenliste September 2012

 

Lfd.

Nr.

Rang

Vor-monat

Titel

1

1

(9)

Helon Habila: Öl auf Wasser

Aus dem Englischen von Thomas Brückner

Das Wunderhorn, 240 S., 24,80 €

Port Harcourt/Nigerdelta. Alltag im Delta: Ingenieursfrau entführt, Lösegeld gezahlt, „Rebellen“ erschossen, Öl fließt weiter. Die Journalisten Rufus und Zaq hilflos, ahnungslos, am Sterben teilnehmende Betrachter. Reise – nicht ins Herz der Finsternis, zu Shells Gewinnquellen. Ohnmacht, Wut. Unerbittlich traurig.

2

2

(-)

Dominique Manotti/DOA: Die ehrenwerte Gesellschaft

Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer

Assoziation A, 280 S., 14,00 €

Paris. Drei „Ökokrieger“ gelangen an die Aufzeichnung eines Totschlags, begangen von Geheimdienstlern an einem Sicherheitsoffizier der Atomenergiebehörde. Ihr Daten-Stick gefährdet den Präsidentschaftskandidaten und riesige Geschäfte. Rasant, analytisch, ein Hieb gegen die herrschenden Gierschlünde.

3

3

(1)

Daniel Woodrell: Der Tod von Sweet Mister

Aus dem Englischen von Peter Torberg

Liebeskind, 192 S., 16,90 €

West Table, Ozarks, Missouri. Shug ist 13, dick und betet seine Mom Glenda an. Shug ist ihr „Sweet Mister“. Stiefvater Red klaut, dealt, prügelt. Proll-Family vor der Implosion. Shug wird älter, klug und härter. Sein Tag kommt. Woodrells Härte: Kein Sonnenstrahl gelangt zwischen die Zeilen, pure Sprachgewalt.

4

4

(2)

Sara Gran: Die Stadt der Toten

Aus dem Englischen von Eva Bonné

Droemer, 368 S., 14,99 €

New Orleans, 2007. Staatsanwalt Vic Willing ist im Katrina-Chaos verschwunden. Claire de Witt, beste Privatdetektivin der Welt, klärt auf: mit Scharfblick, Drugs, Träumen und Jacques Silettes mythischer Detektiv-Bibel. Happy End gibt’s nicht, nicht in New Orleans. Rausch + Klarheit = Gran. Unglaublich gut.

5

5

(-)

Jim Thompson: In die finstere Nacht

Aus dem Englischen von Simone Salitter und Gunter Blank

Heyne, 272 S., 9,99 €

Peardale. Mit Gebiss und Kontaktlinsen entert der winzige Auftragskiller Charlie Bigger das College-Städtchen, um einen Kronzeugen zu liquidieren. Zwischen Frauen, Bäckern und dem Boss, keuchend vor TB, panisch vor Paranoia, tut Bigger, was er noch kann. 1953 veröffentlicht, erst jetzt auf Deutsch: Experiment und Pulp in Einem.

6

6

(8)

Howard Linskey: Crime Machine

Aus dem Englischen von Conny Lösch

Knaur, 380 S., 9,99 €

Newcastle/Glasgow. Alles okay. Alle kassieren: die Bullen, die Politiker in London, Boss Mahoney. Als eine Geldübergabe platzt, gerät David Blake, Mahoneys brain man, in die Bredouille. Jetzt muss er sich die Finger schmutzig machen. Generationenwechsel bei britischen Gangstern. Erfrischendes Debüt.

7

7

(7)

Ian Levison: Hoffnung ist Gift

Aus dem Englischen von Walter Goidinger

Deuticke, 256 S., 17,90 €

Dallas. Im Zweifel gegen den Angeklagten. Taxifahrer Jeffrey Sutton muss pinkeln. Im Haus eines Fahrgastes fasst er einen Fensterrahmen an. Das bringt, ohne Prozess, fast ein Jahr Einzelhaft wegen Mord und Kindesentführung. Grotesk-Satire auf die US-Strafjustiz. Geschätzt knapp unterhalb der Realität.

8

8

(-)

Zoë Beck: Das zerbrochene Fenster

Bastei Lübbe, 366 S., 8,99 €

Edinburgh/Fife/Devon 2003 - 2010. Pippa Murrays Liebster Sean ist perdu. Als er nach sieben Jahren für tot erklärt werden soll, identifiziert sie ihn als den Mörder einer reichen Witwe. Raffiniert getwistete Geschichte um Selbsthass, Schwesternneid und Elterngift. Neurosenherd Familie: frisch aufgeblättert von Zoë.

9

9

(-)

Dominique Manotti: Das schwarze Korps

Aus dem Französischen von Andrea Stephani

Ariadne im Argumentverlag, 288 S., 17,90 €

Paris 1944. Während die Alliierten heranrücken, schaffen SS, Gestapo und ihre Lümmel die Beute in Sicherheit. Kollaborateure basteln Plattformen für Nachkriegskarrieren. Dazwischen versucht ein einsamer Agent, Leben, Verstand und Reputation zu retten. Frankreichs „Stunde null“ als Schwarzlicht-Panorama.

10

10

(4)

Tana French: Schattenstill

Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Scherz, 732 S., 16,99 €

Dublin. Zwei Kinder erstickt, Vater erstochen, Mutter lebensbedrohlich verletzt. Familiendrama, Eifersuchtsmord, soziale Ausweglosigkeit? Detective Kennedy glaubt sich seiner Methoden sicher. Bis die Selbstgewissheit auf schieren Wahnsinn trifft. „Auch ein Guter kann zerbrechen.“

 

 

Info:

Rund 1200 neue Kriminalromane erscheinen pro Jahr in Deutschland. Selbst ausgefuchste Leser verlieren angesichts dieser Masse den Überblick. Orientierung bietet aktuell die August-Ausgabe der KrimiZeit-Bestenliste von ZEIT und NordwestRadio. 

Die monatlich erscheinende Krimi-Bestenliste existiert seit März 2005, als sie erstmals auf der Leipziger Buchmesse, damals noch als KrimiWelt-Bestenliste vorgestellt wurde. Von März 2011 an wird sie regelmäßig an jedem ersten Donnerstag des Monats in der Wochenzeitung DIE ZEIT als KrimiZEIT-Bestenliste veröffentlicht. 

Vorgestellt wird sie ab 6. September in den Literatursendungen des NordwestRadio ( mit Tobias Gohlis) in

http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html unter www.zeit.de mit Kurzrezensionen der Juroren, Kommentaren des Jurysprechers („What’s New?“) und weiteren Informationen zu Büchern und Autoren („Krimiautoren A-Z“)

 in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 6. September 2012



Monatlich wählen achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus der Masse der Neuerscheinungen die zehn Titel aus, denen sie viele Leser wünschen. Das Beste vom Besten: Immerhin erscheinen übers Jahr verteilt über 1200 Kriminalromane auf Deutsch. An jedem ersten Donnerstag im Monat geben Literaturkritiker und Krimispezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Kriminalromane bekannt, die ihnen am besten gefallen haben. Sie halten nach dem literarisch interessanten, thematisch ausgefallenen, besonderen Kriminalroman Ausschau. Die besten Zehn werden mit Bibliographie und Kurzbeschreibung hier veröffentlicht.

 Die Jury setzt sich zusammen aus: 

Tobias Gohlis, Hamburg, Kolumnist DIE ZEIT, Moderator und Jury-Sprecher der KrimiWelt

Volker Albers, Hamburg, Hamburger Abendblatt, Herausgeber „Schwarze Hefte“
Andreas Ammer, Berg, „Druckfrisch“, Dlf, BRGunter Blank, Sonntagszeitung

Thekla Dannenberg, Perlentaucher
Fritz Göttler, München, Süddeutsche Zeitung
Michaela Grom, Heidelberg, SWR
Lore Kleinert, Bremen, Radio Bremen
Thomas Klingenmaier, Stuttgart, Stuttgarter Zeitung
Kolja Mensing, Berlin, Tagesspiegel
Ulrich Noller, Köln, Deutsche Welle, WDR
Jan Christian Schmidt, Berlin, Kaliber 38
Margarete v. Schwarzkopf, Köln, NDR
Ingeborg Sperl, Wien, Der Standard
Sylvia Staude, Frankfurt/M., Frankfurter Rundschau

Jochen Vogt, Elder Critic, NRZ, WAZ
Hendrik Werner, Bremen, Weser-Kurier
Thomas Wörtche, Berlin, Kolumnist, Plärrer , culturmag, DRadioKultur





In der Regel kommentieren wir die von der Jury neu plazierten Krimis. Alle weiteren plazierten Krimis der Vormonate entnehmen Sie bitte unseren Krimi-Besprechungen in den vormonatlichen Artikeln, die Sie unter Kultur. Bücher oder unter dem Autorennamen im Archiv finden. Viermal darf inzwischen ein Buch einen Platz bekommen, dann scheidet es aus und hat nur noch die Chance, in der Jahresbestenliste wieder aufzutauchen, die Ende Dezember herauskommt und die wir für 2011 ebenfalls kommentierten. 

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/312-bester-kriminalroman-des-jahres-wird-qroter-glamourq-von-ariadne-im-argument-verlag

Die Einzelbesprechungen zu Fred Vargas:

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/546-wir-sind-suechtig

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/547-mehr-vom-skurrilen-personal

http://weltexpresso.tj87.de/index.php/buecher/590-wer-sie-ist-und-was-die-anderen-ueber-fred-vargas-und-ihre-kriminalromane-sagen



www.zeit.de/krimizeit-bestenliste http://www.radiobremen.de/nordwestradio/serien/krimizeit/index.html  

 

 

 



 

 



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