Serie: DIE SCHÖNSTEN DEUTSCHEN BÜCHER preist die STIFTUNG BUCHKUNST in Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die eigentliche Preisveranstaltung zum einzigen Siegerbuch als dem Allerschönsten deutschen Buch 2012 fand nach kleiner Sektpause in Anwesenheit von Honoratioren mit Begrüßung durch den Hausherrn, Direktor Matthias Wagner K. statt, der letzte Woche auch die Festansprache auf einer Preisverleihung der Frankfurter Herbstmesse Tendence gehalten hatte und der sich wünschte, daß diese Preisverleihung nun traditionell in seinem Hause stattfinden könne, das ja auch eine Abteilung BUCHKUNST hat.
Eva Kühne-Hörmann, die Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, als Vertretung des Kulturstaatsministers der Bundesregierung, zeigte sich erst einmal stolz, im Literaturland Hessen – eine offizielle Bezeichnung – sowohl Heimat für literarische Koryphäen wie die drei G's: Goethe, Grimmelshausen und Gebrüder Grimm zu sein, wie auch über eine Reihe von literarischen Veranstaltungen zu verfügen, von denen die seit dem 14. Jahrhundert betriebene Frankfurter Buchmesse - die 61. nach dem 2. Weltkrieg - die weltweit wichtigste ist. Diese Kontinuität hielt erst recht der Frankfurter Kulturdezernent Felix Semmelroth aufrecht, der zudem hinzufügen konnte, über wie viele herausragende Verlage die Stadt Frankfurt verfüge – daß Suhrkamp abgewandert und Eichborn zerschlagen ist, spielte allerdings heute keine Rolle.
Semmelroth stellte den Kontext von der maschinellen Buchproduktion gegenüber der handwerklichen Gestaltung her, wie sie schon Mitte des 19. Jahrhunderts John Ruskin, aber auch die Arts & Craftsbewegung in England der neuen Welt der Mechanisierung und Industrialisierung entgegenstemmten, wobei Ruskin sogar gegen den maschinellen Buchdruck und für manuelle Druckverfahren eintrat. Vor der Festansprache und der Preisübergabe an den Sieger als allerschönstem deutschen Buch, sollten allerdings – darauf wies Veranstalterin Schmidt-Friderichs hin - die drei Förderpreise bekanntgegeben und überreicht werden.
Diese sind dreifach mit je 2 000 Euro dotiert und gingen an Katharina Triebe für NACHTWANDEL im Eigenverlag Katharina Triebe, Leipzig, an Gian-Philip Andreas und Gesine Palmer für FALLEN im Eigenverlag Hans-Jörg Pochmann, Leipzig sowie LEIBEIGENSCHAFTEN. DER BESCHÄDIGTE KÖRPER IM BLICK DER MODERNE, hrsg. von der Universität Bremen. Dieser Preis wird seit 1989 vergeben und heißt offiziell FÖRDERPREIS FÜR JUNGE BUCHGESTALTUNG. Aus 199 Einsendungen wählte eine fünfköpfige Jury, zu der Stefan Soltek gehört, heute Direktor des Klingspor Museums Offenbach und früher Kurator am Museum Angewandter Kunst in Frankfurt am Main, diese drei aus, deren Preisgeld der Bund bereitstellt.
Das Preisverfahren ist übrigens ebenfalls dreistufig, denn die Jury hatte im ersten Anlauf unter den 199 eingereichten Büchern die zehn förderungswürdigsten ausgewählt, von denen die genannten drei nun das Rennen machten. Die Dreistufigkeit der Auswahl gilt auch für den Hauptpreis, das schönste deutsche Buch, dessen Laudatio nun Peter Frey, ZDF-Chefredakteur, hielt, erst einmal ohne daß der Preisträger schon bekannt war – tatsächlich hatte die Jury und alle anderen dicht gehalten. Nur, wer das Buch gelesen hatte, ahnte die Preisträgerin, wenn Frey launig und die Unterschiede zwischen Fernsehen und Lesen ignorierend und stattdessen beide vom neuen Technologiefeind, dem Internet, attackiert mit Worten beschrieb wie Darwinismus, die Fittesten überleben, etc.
Da kam einem doch Judith Schalanskys DER HALS DER GIRAFFE aus dem Suhrkamp Verlag in den Sinn, das einem ob der rustikalen Gestaltung schon 2011 aufgefallen war. Es war übrigens auch das einzige der 25 schönsten deutschen Bücher, das wir persönlich gelesen hatten. Zufall. Das war zudem eine schöne Freudsche Fehlleistung, kam aber wie absichtlich rüber, daß Festredner Frey den Preis Inge Lohmark überreichen wollte, der tragenden Figur im Roman, Biologielehrerin übrigens. Die so angesprochene Judith Schalansky wollte dann doch bei ihrem eigenen Namen bleiben und gab dem zunehmend enthusiastischem Publikum Futter und gleichzeitig Feuer unterm Hintern.
Ihre Freude über die Auszeichnung war so durchgehend und ansteckend, weil für sie dieses Buch eben nicht neumodisch gestaltet und 'gestylt' ist, sondern seinem Inhalt gemäß karg und unscheinbar daherkommt. Es sähe aus wie antiquarisch erworben, schon ein bißchen mit Gebrauchsspuren, was am groben Leinen läge, so daß in Verbindung mit der doch nur in Schwarz-Weiß abgebildeten Giraffe das ganze Buch einfach altmodisch wirke. Was es auch solle, denn auf dem Titel stehe Bildungsroman und er handele von einer alten Biologielehrerin – übrigens am Charles-Darwin-Gymnasium weit im Osten Deutschlands - und im Text seien alte Graphiken eingestreut. Es erinnere an ein altes Kochbuch oder Schulbuch, setzen die Laudatoren fort, und das ganze Buch sei geeignet, einen Entschleunigungsprozeß in Gang zu setzen und auf unnachahmliche Weise Wort und Bild in eins zu setzen: „Solange es solche Bücher fit, gehört das Buch nicht zu den aussterbenden Arten“, schloß Peter Frey den gemeinsamen Auftritt mit Judith Schalansky.
Diese nahm ihre Urkunde durch Eva Kühne-Hörmann entgegen und holte an ihre Seite die Frauen, die sie unterstützt hatten, Lektorin und Herstellungsleiterin sowie den Vertreter der Druckerei in Regensburg, denen sie allen viel abverlangt hatte. Denn Judith Schalansky hatte nicht nur das Manuskript geschrieben, sondern alle notwendigen Arbeiten, um daraus ein Buch zu machen, selbst gefertigt: Illustrationen gezeichnet, Satz und Typografie sowie Gestaltung selbst übernommen. Ihre diesbezügliche kunsthandwerkliche Ausbildung sei die einzige, die sie je mit einem Abschluß krönte, fügte sie kernig hinzu.
Übrigens hatte Judith Schalanyky im Jahr 2009 schon einmal den ersten Preis der Stiftung Buchkunst erhalten.Das war für den ATLAS DER ABGELEGENEN INSELN aus dem Mareverlag. Unser Eindruck ist, daß man von dieser jungen Frau noch so manches erwarten darf!
Judith Schalansky
Der Hals der Giraffe
Bildungsroman
Suhrkamp Verlag, Berlin
Illustrationen von Judith Schalansky, Berlin
Druck und Buchbindung: Friedrich Pustet KG,
Regensburg
Satz und Typografie/Gestaltung:
Judith Schalansky, Berlin
Herstellung: Ute Fahlenbock, Berlin
ISBN: 978-3-518-42177-2 Preis: 21,90 Euro
Foto: Nina Faulhaber
www.stiftung-buchkunst.de