Serie: Frankfurt liest ein Buch: Benjamin und seine Väter von Herbert Heckmann, Teil 4
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ein Loblied dagegen dem Hessischen Rundfunk, der Valentin Senger als Redakteur beschäftigte. Daß er von der CDU jahrzehntelang als Rotfunk verleumdet wurde, kann man erst heute in seiner positiven Tragweite ermessen.
Der Hessische Rundfunk hat wirklich denjenigen Intellektuellen, Literaten, Musikern, Künstlern, die von der offiziellen Politik gedemütigt und mißachtet wurden, zumindest eine Arbeitsmöglichkeit geboten Wie brav und bequem wir heute sind und wie angepaßt der Hessische Rundfunk, erkennt man so richtig dann, wenn man die Namen derer liest, die damals in Lohn und Brot waren. Die Kellergespräche zum Beispiel mit Fritz Bauer im hr-Fernsehen waren politische Bildung für die Jugend. Wo gibt es so etwas heute? Übrigens war auch Herbert Heckmann häufig Gast dort.
Auch heute ist der hr Partner von FRANKFURT LIEST EIN BUCH. Er berichtet und läßt täglich das jeweilige Buch lesen – BENJAMIN UND SEINE VÄTER übrigens in der Originalfassung des hr durch den Autor Herbert Heckmann - , darüberhinaus sind etliche heutige und gewesene Mitarbeiter des Hessischen Rundfunks Veranstalter der einzelnen Lesungen und Diskussionen. Ach ja, und auch Herbert Heckmann wurde damals viel gesendet. Seine Essays waren sehr beliebt. Es war in der Tat noch ein anderer, ein wortgewaltiger und kritischer Rundfunk.
Zurück zur KAISERHOFSTRASSE 12: Im Jahr 2009 hatte Klaus Schöffling die Rechte an diesem Roman erworben und eröffnete mit ihm das erste FRANKFURT LIEST EIN BUCH Lesefest.
Nein, die anderen Romane wollen wir nicht so ausführlich vorstellen. Nur darauf hinweisen, daß mehrere Romane notwendigerweise um die entsetzlichen Jahre 1933 - 1945 spielten und auch die Zwischenkriegszeit mit GINSTER eine Rolle spielte, wo sich das kommende Unheil im Nachhinein noch deutlicher ankündigt, wie es vielleicht die Leser von damals erkannten.
Bisher handelte es sich bei den weiteren von Frankfurt gelesenen Büchern um: STRASSEN VON GESTERN von Silvia Tennenbaum - erst 1983 bei Knaus erschienen, dann 1986 bei Goldmann, als Tb 1997 bei Fischer, 2012 dann bei Schöffling, GINSTER von Siegfried Kracauer (Suhrkamp Verlag), GRÜSSE UND KÜSSE AN ALLE. Die Geschichte der Familie Frank von Mirjam Pressler, das neugeschrieben wurde (Fischer Verlag). In diesen Kontext gehört auch das letztjährige FRANKFURT VERBOTEN von Dieter David Seuthe aus dem Weisbooks Verlag.
Die Nachkriegszeit behandeln ABSCHAFFEL von Wilhelm Genazino aus dem Verlag Rowohlt, DIE VOLLIDIOTEN von Eckhard Henscheid, ursprünglich von Zweitausendeins herausgebracht, und jetzt eben das neue Buch BENJAMIN UND SEINE VÄTER.
Aber welche Bedeutung hat eigentlich die Stadt Frankfurt beim Lesefest FRANKFURT LIEST EIN BUCH? Muß überhaupt das Buch von Frankfurt handeln? Dazu ist ein Blick in die Vereinsatzung sinnvoll. Dort heißt es im Vorspann: „Der Verein Frankfurt liest ein Buch e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, ein Buch zum Gesprächsstoff und zum Gemeinschaftserlebnis für alle Menschen der Stadt Frankfurt am Main zu machen. Dabei möchte der Verein Bürger, Institutionen und Prominente zu einem Thema in möglichst vielfältiger Form zusammenbringen.“
Nein, es muß kein Roman sein, in dem Frankfurt vorkommt. Deshalb ist die Frage, von welcher Qualität Frankfurt im ausgesuchten Buch eine Rolle spielen soll, auch keine Satzungsfrage, sondern eine, die man gemeinsam diskutieren sollte.
Von Anfang an ergab es sich, daß Frankfurt selbst das Thema des ausgesuchten Romans wurde, was beim Publikum ankam und sicher so lange weitergehen kann, wie Romane, in denen Frankfurt eine Rolle spielt, die Leser auf Dauer und vielfältig interessieren. GINSTER von Kracauer spielt überwiegend woanders, aber die Szenen, in denen dann diese Stadt eine Rolle spielt, gehen über Ortsangaben weit hinaus. Es ist eben ein Unterschied, ob man nur Straßennamen und bekannte Gebäude benennt, oder ob man die gesellschaftlichen Strukturen, das heimliche und offizielle Leben der Stadt Frankfurt vermittelt. Letzteres wäre auch ein Kriterium für die Auswahl.
Der Roman von Herbert Heckmann ist mir etwas zu geschwätzig, aber gleichzeitig mit dem Thema des Jungen, der keinen Vater hat, weshalb er viele Väter braucht, auch ein universelles Schicksal, was in Jahren von Kriegs- und Nachkriegszeiten gehäuft auftritt. Da es aus den Augen eines Kindes die Welt sieht und erzählt, erzählt es auch wenig von Frankfurt. Denn, um von der Bergerstraße in andere Gebiete Frankfurts zu kommen, kann nicht alles sein, worin Frankfurt aufleuchtet. Die Kleinmarkthalle, ja, die ist dann was, aber genügt sie? Fortsetzung folgt
Foto: Valentin Senger (c) Schöffling
Info:
Herbert Heckmann, Benjamin und seine Väter, Roman
Mit einem Nachwort von Peter Härtling
440 Seiten. Gebunden. Lesebändchen.
€ 22,00 €[A] 22,70
ISBN: 978-3-89561-482-8
Herbert Heckmann, Benjamin und seine Väter,
Audio-CD
Ganzlesung von Herbert Heckmann. Eine Produktion des Hessischen Rundfunks 1996
2 mp3-CDs. Spieldauer ca. 13 Stunden
€ 20,00 (UVP) €[A] 20,00
ISBN: 978-3-89561-481-1
Buchrezension vom letzten Jahr über FRANKFURT VERBOTEN
https://www.weltexpresso.de/index.php/buecher/6852-gut-gemeint
diesjährige Serie
https://weltexpresso.de/index.php/buecher/9509-der-beginn-mit-kaiserhofstrasse-12