Die Porträts dreier Juden und Freimaurer als Geschenk für das Jüdische Museum

 

von Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Verwickelt ist die Geschichte mehrfach, die in einer Pressekonferenz vom Direktor des Jüdischen Museums, Raphael Gross, Angelika Wesenberg von der Nationalgalerie Berlin und Erwin Bohnacker von der „Freimaurerloge zur aufgehenden Morgenröthe“ e.V. aufbereitet wurde. Die Kurzfassung lautet: Im 19. Jahrhundert gab es in Frankfurter Logen zunehmend jüdische Mitglieder. Der damals schon grassierende Antisemitismus brachte eine Konzentration jüdischer Logenbrüder in der Freimaurerloge „Zur aufgehenden Morgenröthe“, die nach den Statuten auch Juden aufnahm, was sowieso den Grundprinzipien der Freimaurer entspricht, aber nicht in allen Logen befolgt wurde. Es war üblich, Porträts wichtiger Logenpersönlichkeiten an die Wände der Loge zu hängen. Die Spur drei solcher Gemälde konnte man nun durchgehend verfolgen. Die Nazis beschlagnahmten sie 1935, die Rote Armee brachte sie 1945 als Kriegsbeute nach Moskau. In der ersten Rückführung  von deutschen Kulturgütern aus der UdSSR in die DDR wurden die drei Frankfurter Bilder Ende der 50er Jahre in die Nationalgalerie Berlin (Ost) gebracht.

 

Dort lagerten sie im Depot, wem sie gehörten, wen sie darstellen: Fehlanzeige. Nach 1989 wurde nach und nach der Fremdbesitz der Nationalgalerie untersucht. Die Herkunft wurde erschlossen, die Bilder restituiert, also dem Eigentümer zurückgegeben. Den aber gab es nicht mehr in der ursprünglichen Form. Die damalige an der Bockenheimer Landstraße gegenüber der Alten Oper residierende, heute nicht mehr freimaurerisch tätige Loge hat einen Rechtsnachfolger, einen Verein. Dieser bekam die Bildnisse der drei Frankfurter, der drei Freimaurer, der drei Juden und machte sie jetzt dem Jüdischen Museum für dessen Sammlung zum Geschenk.

 

So die nüchternen Fakten. Anders aber die lebendige Geschichte, die sich mit den Porträts und ihren Malern verbindet. Die Maler sind allesamt bekannte Frankfurter Künstler. Am bedeutendsten Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882), dem das Jüdische Museum vor Jahren eine in ihrer Qualität und Fülle überraschende Ausstellung widmete – wunderbarer Katalog und zuvor schon eine ergiebige Monographie im CoCon Verlag Hanau -  und von dem wir seit damals behalten haben, daß er der Künstler des 19. Jahrhunderts war, der am weitesten verbreitet war, weil seine Graphiken jüdischer Festtage und „Bilder aus dem altjüdischen Familienleben“ als Drucke die höchsten Auflagen im Deutschen Reich hatten und sozusagen in jedem jüdischen Haus hingen.

 

Sein Enke Alfred Nathaniel Oppenheim (1873-1953) malte ein weiteres Porträt und das dritte fertigte der Maler, Architekt und Kunstschriftsteller Julius Hülsen (1873-1931). Alle drei Gemälde hängen jetzt vor unseren Augen und es macht Spaß, selber herauszufinden, wer welches Porträt gemalt hat. Bei Moritz Daniel Oppenheim ist das einfach. Dieses Bild links muß einfach von ihm sein, das sieht man an der hervorragenden Malweise und dem Zeitgeschmack der aus dem Bild spricht. Wen es darstellt? Das eben war die kunsthistorische und historische Arbeit der letzten Jahre, die nun ein strahlendes Ergebnis hat. Es ist Jakob Weil (1792-1864), der uns im Dreiviertelporträt mit Backenbart und schütterem Haar in besonders aufrechter Haltung direkt in die Augen schaut.

 

Es geht etwas Wohlanständiges wie Beharrliches vom Bildnis Weil aus, der in Napoleonmanier seine Rechte in Brusthöhe in das Jackett geschoben hat, aber nichts Imperiales ausströmt. Das glaubt man gerne, daß der Philologe der Aufklärung verpflichtet war, eine jüdische Privatschule leitete, seiner Jüdischen Gemeine mitvorstand und auch schriftstellerisch tätig war: „Das junge Deutschland und die Juden“, 1836 erschienen. Oppenheim malte ihn 1847, zwei Jahre drauf wurde Weil bis 1852 Vorsitzender der Loge „Zur aufgehenden Morgenröthe“, im Fachausdruck deren Meister vom Stuhl. Maler Oppenheimer war übrigens ebenfalls Mitglied der Loge und wurde mit der Porträtierung von Weil von der Loge beauftragt.

 

Der nächste, mit Kaiser Wilhelm Schnauzer ist Ludwig Rosenmeyer (1858-1942), den Alfred Nathaniel Oppenheim 1908 malte. Auch er malt im Stil der Zeit. Sein Gegenüber auf lichter Rückwand sitzt im Sessel und blickt gedankenverloren sinnierend vor sich hin. Er hatte sich als Augenarzt in Frankfurt niedergelassen und war Vorsitzender des Frankfurter Ärztlichen Vereins. Auch Rosenmeyer, Mitglied im rechtskonservativen Verband Nationaldeutscher Juden, war Meister vom Stuhl der Morgenrötheloge und bekleidete 1918 das Amt des Großmeisters der Frankfurter Großloge. Ein Jude in dieser Position? Das wundert und führte auch zu Austritten einiger angeschlossenen Bundeslogen. Sowohl beim Maler wie auch dem Dargestellten fragt man sich sofort, wie sie das 3. Reich überlebten. Der Maler emigrierte 1938 nach England und Rosenmeyer starb 1942 in Frankfurt.

 

Fünf Jahre später malt Julius Hülsen (1873-1931) das Porträt von Ernst Auerbach, das dynamisch repräsentativer ist als das verhaltene von Ludwig Rosenmeyer. Es ist kurz vor dem Ersten Weltkrieg und dies merkt man dem Bildnis auch an, denkt man mit dem Blick von heute. Hülsen hat eine ausgefallene Biographie. Obwohl in Frankfurt geboren und gestorben, ist er in gewissem Sinne der weit- und weltläufigste der drei Maler. Er war Architekturhistoriker und Experte für die Frankfurter Altstadt, er war Archäologe – so nahm er an den Ausgrabungen des antiken Milet teil – und Privatdozent und erforschte die Geschichte der Frankfurter Judengasse und des alten jüdischen Friedhofs.

 

Ernst Auerbach (1861-1926) kam aus alter jüdischer Frankfurter Familie und war als Rechtsanwalt tätig. In der jüdischen Gemeinde war er als Repräsentant des liberalen Judentums sehr engagiert. Er gehörte zu den Gründern des „freisinnigen Vereins für jüdisches Gemeindeleben“ in Frankfurt und der „Vereinigung für das liberale Judentum in Deutschland. Von 1909 bis 1911 führte er als Meister vom Stuhl die Geschicke der Loge „Zur ausgehenden Morgenröthe“.

 

Allein diese Kurzfassungen machen neugierig auf das Leben der drei in Frankfurt und ihre Gemeinsamkeit als Mitglieder und Meister vom Stuhl dieser herausgehobenen Loge in Frankfurt am Main, über deren Geschichte ein öffentlicher Vortrag folgte. Für das Jüdische Museum sind die drei Bildnisse ein Schatz, weil sei wie von alleine auch für spezielle Richtungen des Judentums stehen: Aufklärer, Orthodoxe und Liberale. Zum Zustand der Bilder allerdings ist zu sagen, daß man ihnen die unfreiwillige Wanderschaft ansieht. Beschädigte Malschichten sind zu sehen, an besonders gefährdeten Stellen wurden diese mit Seidenpapier wie mit einem Pflaster fachkundig beklebt. Sie müssen also restauriert werden, was mit rund 4 000 Euro angesetzt ist und wozu Spender aufgerufen werden.

 

PS.: Daß die Bilder nach Frankfurt gehören, machte ein Aufsatz von Erik Riedel, Jüdisches Museum, im Katalog der Oppenheimkatalog möglich, auf den die Berliner Provenienzforscher stießen und der die Zusammenhänge um die Freimaurerloge Morgenröthe und deren Mitglieder zum Inhalt hatte.

 

www.juedischesmuseum.de