Jobst Hermeyer über die Freimauererloge „Zur aufgehenden Morgenröthe“ in Frankfurt am Main

 

von Felicitas Schubert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sagen wir es gleich. In diesem Vortrag steckte soviel Fundamentales, daß wir mit seiner Aufarbeitung noch viele Vorträge, Diskussionen, Geschichtsbilder und Lehrveranstaltungen bestücken könnten. Das liegt daran, daß eine historische Darstellung einer Freimaurerloge in einer bürgerlichen und auch von deutschen jüdischen Mitbürgern bewohnten Stadt wie Frankfurt am Main, immer die Geschichte der Stadt und deren gesellschaftliche Lage mitspiegelt. „In einer Rückschau vom 18. bis in das 20. Jahrhundert wird entlang der historischen Rahmenereignisse im deutschen Raum am Beispiel der Frankfurter Freimaurerloge „Zur aufgehenden Morgenröthe“ das Spannungsfeld zwischen der Entwicklung der freimaurerischen Bewegung und der Emanzipationsbewegung des jüdischen Bürgertums veranschaulicht“, heißt die offizielle Inhaltsangabe des Vortrags“.

 

„Die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung“, die angebliche, durch die Nazis so zielsicher vorgebrachte Denunziation, die noch heute von ewig Gestrigen gerne nachgebetet wird, assoziiert eine Verknüpfung von Judentum und Freimaurer, die geschichtliche abwegig ist. Leider möchte man – das ist unsere Meinung - sagen, denn in beiden Gruppen gab es starke emanzipatorische, ja geradezu demokratischen Tendenzen, deren Zusammenwirken Deutschland gestärkt hätte. So aber weiß man und kann es an der Loge der Morgenröthe exakt nachvollziehen, wie schwierig es für Juden war, in die Freimaurerei aufgenommen zu werden Es gab Logen in Frankfurt, die eine Aufnahme von Juden verboten, obwohl Freimaurer zu sein doch eigentlich bedeutet, Humanität und Toleranz walten zu lassen.

 

Daß es sich bei der Loge „Zur aufgehenden Morgenröthe“ anders verhielt, liegt daran, daß diese 1807 während der napoleonischen Herrschaft als Tochterloge des Grand Orient de Paris gegründet wurde. Unmittelbar nach der Französischen Revolution waren alle Zugangsbeschränkungen für Juden aufgehoben worden. Allerdings stellte sich dann – so Erkenntnisse aus dem Vortrag – heraus, daß die christlichen Logen, ein Widersinn in sich, ihre Schwesternloge nicht in den gemeinsamen Verbund der Logen in Frankfurt am Main  zulassen wollten, ein Streit, der erst 1848 (!) mit der Anerkennung durch die seit 1783 in Frankfurt bestehende Große Mutter-Loge des Eklektischen Bundes beendet war.

 

Die Zeit war also reif, daß aufgeklärtes jüdischen Bürgertum mitmachen durfte, was immer noch auf die Morgenröthe beschränkt war, denn einem jüdischer Frankfurter war damals die Mitgliedschaft in den meisten Frankfurter Vereinen, „etwa dem Gelehrtenverein oder der Museumsgesellschaft“ noch verwehrt. Man muß dabei auf die besondere Geschichte der Freien Reichsstadt Frankfurt am Main und des Judenprivilegs unter dem Habsburger Kaiser bis 1806 verweisen, dem Juden direkt untertan waren. Im 19. Jahrhundert waren u.a. Mitglieder der Loge: der Publizist Ludwig Börne, der Paulskirchenabgeordnete Gabriel Riesser, der Historiker Isaak Marcus Jost, der Gelehrte und Reformpädagoge Michael Creizenach und der Gründer der Frankfurter Zeitung, Ludwig Sonnemann.

 

Mit der Mitgliedschaft waren aber die innergesellschaftlichen Konfliktfelder um das Juden- und Deutschersein nicht abgetan, denn das nun Deutschland gewordene wilhelminische Reich wurde zunehmend nationalistisch und antisemitisch. Im Eklektischen Bund kam es zu heftigen Kontroversen zwischen ‚humanitären’ und ‚christlichen’ Logen. Das Erstere waren die liberalen und religiös toleranten, das andere die konservativ bis völkisch orientierten Logen. Zwar blieb die Mitgliedschaft in der Morgenröthe für Juden erhalten, aber in anderen Logen wurden sie hinausgeschmissen oder erst gar nicht zugelassen. Wir erinnern uns an den Struwwelpeterverfasser Heinrich Hoffmann, der obwohl selbst eher konservativ seine Loge verließ, weil sie auf einmal Juden verwehrt wurde.

 

Auch so ein Treppenwitz der Geschichte, daß unterm Strich für die Nationalsozialisten alles Freimaurerische gleich und gleich gefährlich war. Nach ihrer Machtübernahme und der Gleichschaltung gesellschaftlicher Institutionen, kamen die Freimaurer dran. Sie wurden verboten und verfolgt und ihre Logen aufgelöst, egal ob ‚humanitär’ oder ‚christlich’. In einem Rundumschlag hatte der vortragende Jobst Hermeyer die große Geschichte mit der lokalen und der der Loge verbunden. Erwin Bohnacker, der auch freimaurerische Devotionalien, bzw. rituelle Utensilien mitgebracht hatte, gab noch die Würze des Unmittelbaren hinzu: Es langte schon für das Ausgegrenztwerden, Freimaurer zu sein. „Aber jüdischer Freimaurer zu sein, bedeutete fast schon das Todesurteil.“ Von den damals bei der Auflösung 1935 rund 150 Mitgliedern, haben nur sechs den Krieg überlebt.  Bohnacker steht heute dem Verein „Freimaurerloge zu aufgehenden Morgenröthe“ vor. Frankfurt wartet auf deren Wiederbelebung.

 

Broschüren

Festschrift 200 Jahre Freimaurer-Johannisloge „Sokrates zur Standhaftigkeit“ 1801-2001,

Freimaurer Loge Socrates zur Standhaftigkeit, Finkenhofstraße 17, 60322 Frankfurt am Main

 

„Humanität“, Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Geistesleben, „Freimaurerei“, Jan/Febr 2009; dies Sonderheft mit 48 Seiten ist für den interessierten Leser gedacht und kann für 4 Euro bestellt werden bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!