Robert Sommer leitet die Sanierung und Restaurierung des Kaiserdoms St. Bartholomäus in Frankfurt
Mirco Overländer
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es ist wohl keine Übertreibung, zu behaupten, dass niemand den Frankfurter Dom besser kennt als Robert Sommer. Denn der 64-jährige Architekt und Denkmalschutzexperte ist seit fast fünfundzwanzig Jahren verantwortlich für das architektonische Wohl des zwischen 1250 und 1514 errichteten Kaiserdoms St. Bartholomäus. Seit zehn Jahren trägt er offiziell den Titel Dombaumeister.
Wenn Robert Sommer über seine Arbeit spricht, redet er nüchtern und sachlich über den derzeit wieder einmal eingerüsteten geschichtsträchtigen Sakralbau. „Wir haben hier – verglichen mit dem Dom zu Köln – ein kleineres Bauwerk. Andererseits ist die Geschichte des Doms sehr komplex. Sein Bau war auch ein Zeichen der Macht in der freien Reichsstadt Frankfurt. Als Wahl- und Krönungs-Ort hat er vor allem eine große historische Bedeutung“, erklärt Sommer.
Dass Robert Sommer im Auftrag der Stadt und nicht des Bistums Limburg über das architektonische Wohl des Kaiserdoms wacht, ist auf eine jahrhundertealte Sonderregelung zurückzuführen. 1533 hatte der Frankfurter Rat verfügt, dass der katholische Gottesdienst in der Stadt nicht mehr gefeiert werden durfte. Damit war Frankfurt zwar zum protestantischen Glauben übergetreten, doch als Messestadt und als Wahl- und Krönungsstadt der Kaiser war die freie Reichsstadt vom Wohlwollen des Kaisers abhängig, der die Reformation bekämpfte. Kaum ein Kaiser wäre dazu bereit gewesen, sich in einer evangelischen Pfarrkirche St. Bartholomäus krönen zu lassen.
Als der Augsburger Reichstag die Rückgabe von Teilen des katholischen Besitzes verfügte, wurden die Pfarrkirche St. Bartholomäus, die Peterskirche und die Dreikönigskirche zurückgegeben. Da die Kirchen diese finanziellen Lasten nicht tragen konnten, wurde 1830 ein Vertrag geschlossen, in dem sich die Stadt Frankfurt verpflichtete, acht Kirchen der Stadt, der heutigen Innenstadt, mit allen Einrichtungen wie Glocken und Orgeln zu unterhalten und die Pfarrer, die Glöckner und Organisten zu bezahlen.
Als Dombaumeister von Frankfurt ist Sommer somit auch zuständig für die denkmalgerechte Instandhaltung der übrigen innerstädtischen Dotationskirchen sowie des Höchster Bolongaropalastes, aber auch für andere Arbeiten, wie zum Beispiel am Frankfurter Römer. Zurzeit ist vor allem auf die große Innensanierung der St. Leonhardskirche, der ältesten Kirche in der Frankfurter Innenstadt, sowie auf die Innenrenovierung der Liebfrauenkirche hinzuweisen. „Die Hälfte meiner Arbeitszeit verbringe ich im Büro, die restliche Zeit bin ich draußen“, sagt Sommer. Derzeit ist er mal wieder vor allem rund um die Dom-Baustelle im Einsatz.
Doch auch die achtjährige Fassadesanierung der Alten Oper hat Sommer bereits aktiv betreut. Zu seinen Aufgaben gehört es, mit Experten und der Denkmalpflege zu erörtern, wie eine möglichst originalgetreue und denkmalgerechte Restaurierung zu bewerkstelligen ist.
Nicht selten sucht Sommer auch in Archiven nach alten Grundrissen, Bauplänen und Fotos. Doch trotz gründlichster Recherchen lassen sich nicht immer alle Elemente streng nach historischem Vorbild wieder herstellen. „Das ist extreme Detailarbeit, auch weil wir nicht immer wissen, wie das ursprüngliche Erscheinungsbild war“, erklärt der Dombaumeister. Auf der Suche nach historischen Vorbildern tauscht sich Sommer auch mit seinen Kollegen von der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister aus. Schließlich stoßen diese nicht selten auf ähnlich gelagerte Probleme.
Robert Sommer hat sich schon immer für historische Bauwerke interessiert. Nach seinem Studium in Mainz arbeitete er zuerst für ein Architekturbüro, das sich auf die Ertüchtigung denkmalgeschützter Bauten spezialisiert hatte. Sein Wirken in Frankfurt begann der auf Denkmalschutz und Rekonstruktion spezialisierte Architekt bereits 1985. Damals war er an der Sanierung und Modernisierung des Palmengartens beteiligt. 1988 nahm Sommer die Arbeit am Dom auf. Doch: „Als die Innensanierung 1994 beendet war, war klar, dass vorerst keine größeren Arbeiten mehr anstehen.“ So zog Sommer weiter und betreute im Auftrag des Bistums Limburg 75 Kirchengemeinden und dort vor allem historische Kirchen.
Als jedoch zwischen 1997 und 2000 kleinere Fassadenelemente von der Domspitze hinabfielen, entsann man sich im Hochbauamt an den akribischen Architekten und holte diesen zurück nach Frankfurt. Von 2000 bis 2009 war Robert Sommer als Oberbauleiter und Projektleiter für die umfangreiche Sanierung des Domturms verantwortlich. 2007 erhielt er den Titel des Dombaumeisters. „Die Sanierung des Domturms war eine Hausnummer, die es vorher nicht gegeben hat. Das war ein besonderer Anreiz für mich. Das Verrückte daran war, dass 95 Prozent der historischen Bausubstanz in gutem Zustand waren. Wir haben historische Unterlagen gesichtet und einen Restaurator besucht, der an den Arbeiten in den 1970er-Jahren beteiligt war“, erklärt Sommer.
Bei den Arbeiten an der Domspitze stellten Sommer und sein Team rasch fest, dass bei der letzten Sanierung in den 1970er-Jahren größtenteils Mörtel statt Sandstein auf die Fassade aufgetragen wurde. Dieser sei schon nach wenigen Jahren abgebröckelt – und zur Gefahr für Besucher und Passanten geworden „Wichtig sind daher regelmäßige Kontrollen und Turm-Befahrungen“, erklärt der Experte.
Derzeit ist Robert Sommer am Frankfurter Dom wohl mit seinem letzten Großprojekt betraut. Seit Anfang 2014 lässt der Dombaumeister das Dach und die Fassaden von Nordquerhaus, Kirchenschiff und Südquerhaus sanieren. Ursprünglich sei man lediglich von drei Jahren Bauzeit ausgegangen. Doch da die hölzerne Dachverkleidung über dem Dachstuhl am Nordquerhaus marode war, musste diese aufwändig erneuert werden. Erst danach konnten die Dachdecker anrücken und bei über 60 Grad Neigung neue Schiefersteine installieren.
„Das Dom-Dach war seit 20 Jahren schadhaft. Die alten Schieferziegel sind knapp 70 Jahre alt und viele der verbauten Nägel waren zu kurz“, erläutert der Dombaumeister, weshalb die Dacharbeiten wohl noch etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen werden. Aber: „Wenn Dach und Fassade Ende des Jahres 2019 fertig sind, werden die großen Baustellen abgeschlossen sein“, hofft Sommer, einem etwaigen Nachfolger einen rundum generalüberholten Kaiserdom überlassen zu können.
„Was wir hier machen, ist nicht das normale Bauen“, erläutert Robert Sommer. Zwar könne man die Kosten vorab berechnen. Doch bei der Sanierung denkmalgeschützter Objekte stoße man unweigerlich auf Überraschungen und Hindernisse, die sich vorab nicht kalkulieren oder erkennen ließen. 6,6 Millionen Euro sind für die Dach- und Fassadensanierung veranschlagt worden. Allein die Sanierung des Domturms habe 8,8 Millionen Euro gekostet. Die Generalüberholung im Inneren des Domes Mitte der 1990er-Jahre sei mit 28 Millionen Mark zu Buche geschlagen, bilanziert Sommer.
Eine der größten Schwierigkeiten liegt übrigens daran, dass die Handwerker aus Sicherheitsgründen nicht von herkömmlichen Gerüsten auf dem Dach des Domes arbeiten dürfen. Der Dachstuhl darf auch nicht mit zusätzlichen Lasten, wie Gerüstteilen belastet werden. Denn nach dem großen Dombrand von 1867 wurde ein neuer Dachstuhl aus Puddelstahl angefertigt, der lediglich sein Eigengewicht zu tragen vermag.
Die aktuellen Arbeiten am Dom haben aus architektonischer und historischer Sicht allerdings auch ihre Vorteile. So ist es erstmals möglich gewesen, mittels einer photogrammetrischen Vermessung exakte und millimetergenaue Pläne des Kaiserdoms zu erstellen. Zudem konnte das aus dem 14. Jahrhundert stammende und im 19. Jahrhundert durch die Figuren Jesu Christi und seiner zwölf Jünger ergänzte Nordportal wissenschaftlich untersucht werden. Laut Robert Sommer handelt es sich bei der Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ um eines der historisch bedeutendsten Portale, das überdies für sein Alter noch exzellent erhalten sei. Dennoch gebe es bis heute nur eine wissenschaftliche Abhandlung, die sich mit dem Nordportal des Kaiserdoms befasst. Frankfurts Dombaumeister hofft, dass sich, so lange die Gerüste noch stehen, ein Historiker der Erforschung des Portals annimmt.
Fotos: © Stadt Frankfurt, Stefan Maurer