OB Peter Feldmann besucht G-TOWN. WOHNZIMMER GINNHEIM in Frankfurt am Main
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Schön, wenn die Dinge zusammenpassen. Ein Museumsdirektor, dessen Konzept es ist, daß auch die Stadtteile ihre Geschichte aufarbeiten und in Ausstellungen das Hier und Heute zeigen. Ein Oberbürgermeister, der unter Kultur nicht nur die Hoch- und Festtagskultur im Stadtzentrum versteht, sondern die kulturellen Belange auch in den Stadtteilen fördern will und die Ginnheimer selbst, die sich auf den Weg machten, um in einer bunten, interessanten Schau zu zeigen, woher sie kommen und wie vielfältig sie heute sind.
'Stadtlabor unterwegs' nennt sich das Angebot des Historischen Museums Frankfurt an die Bewohner Frankfurter Stadtteile, mit Hilfe des Museums und örtlicher Experten sich mit den Ort, an dem sie leben, aktiv auseinanderzusetzen. Das bedeutet, daß zwei Kuratorinnen des Museums mit Vertretern des Stadtteils über viele Monate in Workshops Themen erarbeitet haben, die Umsetzungen in eine Ausstellung diskutiert haben und dann gemeinsam an die konkrete Arbeit gingen.
Die einzelnen Ausstellungsprojekte stehen nun im Vereinsheim des TSV Ginnheim erst einmal als Hinweisschild auf Stühlen um einen langen Tisch herum, auf dem dann Bilder, Papiere, Gegenstände das Thema ausführen, allerdings nur im Detail, denn an den Wänden werden dann vom Video, über Fotos und Texte diese tiefer erforscht und in zusätzlichen Ecken und auf Tischchen Originale präsentiert. Für das Historische Museum ist das die dritte Stadtteilausstellung, die sie mitgestaltet, allerdings war es das erste Mal, daß die Initiative vom Stadtteil, hier von Ginnheim selbst, ausging. Die partizipative Funktion des 'stadtlabor unterwegs' ist dieser reichen, auch pittoresken, liebenswerten und durch die gewählten Gegenstände sehr sinnlichen Ausstellung anzumerken.
Schon zur Eröffnung am 23. März waren fast 500 Besucher gekommen, nur OB Peter Feldmann mußte fehlen, weil er in der Partnerstadt Lyon die Stadt Frankfurt vertreten mußte. und holte den Besuch nun in einer Aufmerksamkeit erregenden Pressekonferenz nach,. Sehr gerne war er gekommen, das merkte man, entspricht doch diese Ausstellung, die natürlich lange vor seinem Amtseintritt initiiert war, genau dem Kulturkonzept, das er als Sozialdemokrat sehr offensiv vertritt. Dazu gehört auch, daß die Projektleiter in Führungen auch diejenigen mit dieser Ausstellung vertraut machen, die ansonsten nicht Museumsgänger sind, weil die Hemmschwelle zu hoch ist. Hier aber, wo man zu Hause ist, will man gerne mehr darüber wissen.
Für Fremde muß man dazusagen, daß dieser Stadtteil Ginnheim, der wie das benachbarte Eschersheim einst zu Hanau gehörte – weshalb im Projekt, in dem mit Jugendlichen eigenständige Stadtteilwappen kreiert wurden, die gelb-roten heraldischen Querstreifen als Hintergrund nicht fehlen - , ein ganz besonderes Flair dadurch erhält, daß Alt-Ginnheim einen hinreißenden Dorfcharakter behalten hat, mit kleinen krummen Sträßchen und Fachwerkhäusern, während ansonsten einerseits Villen und 'bessere' Häuser Richtung des sich schlängelnden Niddaflusses mit seinen Niddawiesen Eindruck machen, aber auch in großem Stil sozialer Wohnungsbau betrieben wurde. Nach dem Abzug der Amerikaner kam eine sehr großes Areal hinzu, wo in deren Blockbebauung mit viel Rasenfläche in großen Wohnungen eine sozial gemischte Bevölkerung
aufeinandertrifft.
Von daher lag es auf der Hand, daß WOHNEN das zentrale Thema der Ausstellung ist. Die Frage: „Was macht Ginnheim aus, wie sehen die Unterschiede zwischen den Siedlungen aus und warum herrscht so wenig sozialer Zusammenhalt und gemeinsame Identität zwischen dem alten dörflichen Ginnheim und dem neuen Ginnheim nördlich der Hügelstraße?“ ist Leitthema dieser Ausstellung, die wir nur in einzelnen Themen streifen können. Uli Fritz kommentierte den schwarz-weiß Film von der Hausbesetzung 1980, der zu einem Jugendzentrum ausgebaut, dann abgerissen, bis heute das Problem, wo Jugendliche ihren eigenen sozialen Ort finden, virulent hält. In einem Geschichtsarbeitskreises sind traditionelle Familienbetriebe beleuchtet worden, die– wie Uta Irgens erzählte und wie es die Dokumente und Fotos zeigen – sogar schon in der vierten Generation in Ginnheim ansässig sind.
Gülten Özer stellte die Installation eines typischen türkischen Wohnzimmers vor , wo man an den niederen Tischen mit Kaffee- und Teeensemble auf dem Teppich gleich Platz nehmen möchte, wenn nicht das danebenstehende Modell mit einem lila goldurchwirkten anatolischen Hochzeitskleid einen ehrfürchtig gerade stehen ließe. Dazu gehören auch die Tonaufnahmen mit Gesprächen von hiesigen Türkinnen über ihre Heimat, die man durch Knopfdruck abrufen kann. Es kommen alle sozialen Einrichtungen des Stadtteils zu Wort. Die Kirchen sowieso. Eine der nettesten Ideen initiierte Sybille Fuchs, deren Begrünung des Kirchplatzgärtchens wir uns dann an Ort und Stelle anschauten.
Hier im Museum sieht man die Vorgaben. Das sind große Metallkörbe, durch Kokosmatten ausgelegt und mit Pflanzerde gefüllt, in die leicht Blumen oder Stöcke hineingepflanzt werden können oder Zukünftiges ausgesät werden kann. In der Ausstellung ist das Grün schon mannshoch. Dann am wirklich kahlen Kirchplatz – früher tatsächlich mal als Parkplatz benutzt – sieht man, wie trotz der kalten Witterung die Anwohner schon tätig wurden. Die Stiefmütterchen halten es aus, und diese wunderschöne halbhohe Christrose braucht die Kälte sogar. Aber das sind schon die Vorboten der Margeriten und hier - sieht man -, wurde gesät. Ja, natürlich, das Pflanzen und Säen ist nur der Anfang, dann kommt das Gießen dazu und schon sind Leute miteinander ins Gespräch gekommen, die sonst nie ein Wort miteinander gewechselt hätte.
Die Idee ist eben, gemeinsam sein eigenes öffentliches Leben zu gestalten. Gemeinwohl sagte man früher dazu und dieses überhaupt erst wieder zum Thema zu machen, ist eine der wichtigen gesellschaftspolitischen Konsequenzen dieser so lehrreichen wie unterhaltsamen Ausstellung.Kein Wunder, daß Oberbürgermeister Peter Feldmann so strahlte und das Angebot an alle, seinen Lieblingsplatz auf einem großen Tableau zu markieren, aufnahm und in den Niddawiesen bei Blau-Gelb sein Fähnchen hineinsteckte. Im dortigen Sportverein hatte er nämlich gekickt.
www.ginnheim.stadtlabor-unterwegs.de