Claudia Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein geradezu irrer Auftakt. Nach 35 Sekunden stand es 1:0 für die Frankfurter Eintracht. Das ist schon mal was. Daß das Tor aber ausgerechnet der zum Lieblingsspieler avancierte Martin Hinteregger schoß, der ja kein Stürmer, sondern Innenverteidiger ist, brachte das Stadion gleich zu Beginn zum Kochen. Das Weitere allerdings kühlte dann doch schnell ab.
Wichtig auch, daß der Spieler des Tages Filip Kostic heißt. Er lieferte nicht nur die Vorlage für Hinteregger, die dieser im Seitenfall ins Tor brachte, sondern blieb das gesamte, oft sehr mühsame Spiel hindurch auf Eintrachtseite der Motor. Wenn man das hört, in der 1. Minute das einzige Tor (rechts die Szene dazu) im Spiel, dann fragt man sich schon, was in den 89 1/2 Minuten, genau waren es 90+4, noch passiert ist. Normalerweise schreiben wir die Fußballberichte nach dem Spiel aufgrund von Notizen, die während des Spiels notiert werden. Diesmal jedoch machten wir einen Livebericht, der jedoch aufgrund des langwierigen, kampfbetonten Spiels ohne Tore nicht sehr spannend wurde. Aber dennoch: hier ist er.
Die Hoffenheimer laufen in leuchtendem Neogrün auf, einer Art Seegrün, eine Farbe, die nicht zum grünen Rasen paßt, Ton in Ton, selbst einige Schuhe sind seegrün, die anderen sind gelb. Eintracht Frankfurt in Schwarz, in diesem neuen seltsamen Dreß mit weiß-roten Streifen. Und während ich das in die 1. Spielminute hinein schreibe, fällt schon das erste Tor für Frankfurt, ausgerechnet durch Hinteregger, der sich selbst belohnt, daß er nach der halbjährigen Ausleihe aus Augsburg nun fester Eintrachtspieler ist. Und gleich darauf fast das nächste Tor für Frankfurt, den Ball verschießt Mijat Gacinovic nur knapp. Und auch Daicha Kamada hat in der 3. Minute kein Glück. Endlich nehmen die Neos aus Hoffenheim allen Mut und alle Kraft zusammen und wehren sich. Marschieren Richtung Eintrachttor.
Im fast ausverkauften Stadion (50 200)i st was los. Die Choreographie ist wie immer phantastisch. Früher war nur die Fankurve einbezogen, doch seit neuestem ist das ganze Stadion beteiligt. Heute sind die Leute hauptsächlich in Weiß-Schwarz gekleidet, während beim UEFA-Spiel vergangenen Donnerstag tatsächlich das ganze Stadion in Rot erstrahlte. Das schnelle Tor in der 1. Minute hat natürlich die Sprechgesänge und Anfeuerungsrufe befeuert, so daß ein Mißverhältnis auftritt zwischen dem sehr lauten Publikum und der doch eher leisen Spielweise der Heimmannschaft. Leise, aber heftig, denn, das sieht man bald, das Spiel ist recht hart.
Zudem geht es unaufhörlich hin und her; es bleibt ein schnelles Spiel. Ante Rebic, der hier im Bild dem Hoffenheimer Tormann aufhilft, rennt vor und zurück, Laufleistung perfekt, aber kein Tordrang. Kostic ist da näher dran, jetzt in der 28. und später in 37. Minute und dann doch noch Rebic in der 45. Minute. Tja, wenn all die Torschüsse Tore geworden wären, stünde es jetzt schon 6:0. Und jetzt ist es passiert. Die Hoffenheimer Nr. 8 kommt im Durcheinander vor dem Frankfurter Tor zum Zug und schießt ein Tor. Die Tormusik beginnt, hört auf. Spannung. Was ist los? Auf der Anzeigetafel erscheint VIDEOASSIST. Großer Beifall der Frankfurter Fans brandet auf. Dann steht noch auf der Tafel: SITUATION: TOR und darunter ÜBERPRÜFUNG:: ABSEITS?
Weiterhin großer Beifall im Stadion, der sich noch einmal steigert, als dort steht: ENTSCHEIDUNG – KEIN TOR. Es bleibt also beim 1:0. Endlich finden die Eintrachtanhänger den Videobeweis mal so richtig gut.
Insgesamt haben die Hoffenheimer sehr viel weniger Torchancen, spielen aber souveräner, wenn sie den Ball ergattern. Und das tun sie öfter, als es den Frankfurtern lieb ist, denn viele ihrer Bälle gehen an den Gegner verloren. Die ganze erste Halbzeit wurde sehr schnell gespielt. Noch sind wir gar nicht dazu gekommen, noch einmal klar zu stellen, wie wichtig das heutige Spiel aus Eintrachtsicht ist. Nicht wegen der Punkte. Das auch und immer, aber als Selbstvergewisserung, wie gut oder schlecht die Frankfurter in die neue Saison gehen, ist der heutige Kampf noch wichtiger. Denn dadurch, daß schon die ersten Europa-League-Spiele, aber nicht gegen hochkarätige Gegner, gelaufen sind und die Pokalspiele auch schon, was alles gewonnen wurde, fehlt einem die wahrheitsgemäße Aussagekraft, wie stark die Mannschaft wirklich unter Bedingungen der Bundesliga ist. Bis jetzt in der 45. Minute putzmunter und auch die Kondition läßt bei diesem sehr schnellen Spiel nichts zu wünschen übrig.
Was auffällt, sind viele verhaspelten Bälle. Dies aber auf beiden Seiten. Die Hoffenheimer stehen unter Druck. Sie wissen, sie müssen den schnellen Ausgleich erreichen, wollen sie dran bleiben. Ihre Vorstöße sind auch durchaus gefährlich, aber irgendwie wird nichts daraus und immer wieder ist es dann doch das Hoffenheimer Tor, das belagert wird. Das Spiel ist vom ständigen Konter geprägt, wobei es einem ganz schön hart vorkommt, so oft liegen Spieler am Boden.
Auch nach der Pause fast ein Eintorachttor. Dann Ecke, 5:2 heißt das Eckenverhältnis, das am Schluß 10:5 lautet. Der Hoffenheimer Tormann muß nachgreifen, schade, monieren die Eintrachtfans, die nur ein klein bißchen leiser geworden sind. Aber die Rufgesänge sind derzeit etwas mechanisch. Filip Kostic ist ein ganz Bemühter, tatsächlich hält er den Laden am Laufen und wird böse umgenietet. Den Freistoß wird ausgeführt, sieht gefährlich aus - und schon wieder eine Ecke. Schwer gefoult wurde gerade Ante Rebic, denn er war aussichtsreich davongeschossen.
4 Minuten Nachspielzeit
Sehr schneller Wechsel, für die Hoffenheimer ist es die letzte Chance zum Ausgleich, aber die Eintracht ist eher im Angriffsmodus. Die ganze Zeit über sieht es mehr nach einem zweiten Eintrachttor als dem Ausgleich durch Hoffenheim aus. Das ist durchaus widersprüchlich. Denn die Spielaktionen sind auf Seiten der Hoffenheimer klarer zu sehen. Sie nehmen oft den Ball ab, kombinieren länger am Stück. Jetzt aus der Mitte ein Freistoß, Mauer, verzettelt. Schön gehoben, kurz Irritation, denn der Schuß wird vom Tormann abgewehrt, fällt dem Hoffenheimer vor die Füße. Aber das Tor, das jetzt fällt, ist keines
der Atem stockt. Gleich muß es aus sein. Was war los? Ein letztes Mal schießt Trapp weit in die Mitte vors Tor der anderen. Dann ist es aus.
In der 2. Halbzeit wurden eingewechselt, 64. Minute Hoffenheimer Diadie Samassékou (gerade aus Salzburg für 12 Millionen eingekauft) für Lukas Rupp, der in der 41. Minute im Abseits stand und also Ursache des nicht gegebenen Tores war. Adi Hütter reagiert für die Eintracht unmittelbar und ersetzt Dominik Kohr durch Sebastian Rode. Und als Trainer Alfred Schreuder in der 71. Minute Belfodil für Dennis Geiger holt, zieht Hütter mit Gonzalo Paciencia nach. Und auch der dritte Mann wird von Hoffenheim umbesetzt: 76.Minute Vincenzo Grifo für Robert Koch und bei der Eintracht in der 88. Minute, Lucas Torro für Mijat Gacinovic.
Neue Spieler ändern nichts, der Kampf um ein Tor setzt sich auf beiden Seiten fort, es fallen auch Torschüsse, aber zu ungenau. Doch auch in der Schlußphase scheint ein zweites Tor der Eintracht näher als der Ausgleich. Das ist deshalb interessant, weil der Eindruck auf dem Platz, daß Eintracht Frankfurt den Tick intensiver und torhungriger ist als ihr Gegner, von den Zahlen der Statistik zum Spiel konterkariert werden. Nicht von allen Zahlen, denn den 17 Torschüsse der Eintracht stehen 19 der Kraichgauer gegenüber. Da müssen sich beide Mannschaften fragen, wie sie eine adäquatere Torverwertung erreichen können.
Aber schon bei den Ballaktionen schluckt man: Nur 37 Prozent für die Heimmannschaft, 63 für Hoffenheim, die auch die höhere Zweikampf- und Paßquote haben: 47: 53 Prozent sowie 70 und 84 Prozent. Nicht nur in den Ecken führt Eintracht 10:5, sondern auch bei den Fouls am Gegenspieler: 16 zu 9mal. Auch interessant, denn man fühlte bei den Hoffenheimern das härtere Spiel. Aber auch eine gewisse spielerische Überlegenheit. Es wurde mehr kombiniert, eleganter gespielt. So viel Worte, wo das entscheidende Tor nach 35 Sekunden fiel.
Fotos:
© Redaktion
© Redaktion