Frankfurts Baudezernent Jan Schneider spielt mit dem Feuer
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die (ungeschriebene) Erfolgsbilanz von Frankfurts Baudezernent Jan Schneider würde sich wie das Zeugnis für einen Mitarbeiter lesen, von dem man sich endlich trennen konnte:
„Er hat sich stets bemüht.“ Was zwischen den Zeilen so viel bedeutet wie „Er war völlig ungeeignet, war ein Hochstapler, der nichts zustande brachte.“ Mir fällt zu Herrn Schneider vor allem der bauliche Zustand mehrerer Frankfurter Schulen ein. Die Corona-Pandemie hat diese bereits seit Jahren nicht zu ertragenden Verhältnisse erneut an den Tag gebracht. Einen qualifizierten Amtsleiter, der andere Prioritäten im Sinn des kommunalen Daseinsvorsorge setzen wollte, entließ er.
Vor allem seit sich Kulturdezernentin Ina Hartwig einigelt und keine Führung zeigt, fühlt sich Jan Schneider zu Höherem berufen. Besonders die Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz hat es ihm angetan. Nicht wegen der Kunst (davon versteht er so wenig wie von sauberen Toilettenanlagen), sondern wegen der Auslagerung von Schauspielhaus und Oper an den unwirtlichen Stadtrand. Die darauf zwangsläufig folgende Vermarktung des Filetgrundstücks in der Stadtmitte lässt bereits jetzt die Herzen aller Immobilienspekulanten höher schlagen. Denn nur selten wird diese gesellschaftlich überflüssige Branche mit solchen Profitmargen rechnen können. Und bei Neubauten kämen zusätzlich die bekannten Projektentwickler und Baulöwen zum Zuge.
Mich erinnert das Geschacher an die „Wahlkampfhilfe aus dem Prostituiertenmilieu“ (DER SPIEGEL Nr. 12/1990) für den Kommunalwahlkampf der CDU 1989. Diese „Spende“ war ein Beleg für die enge Verflechtung der Interessen von CDU-Führung und Bossen des Rotlichtviertels. Es ging um die Verlagerung (!!) eines Teils der Bordelle aus dem Bahnhofsviertel ins Ostend. Das geschah mit dem ausdrücklichen Einverständnis des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Wallmann, der zu dieser Zeit hessischer Ministerpräsident war. Die Grundstücksgeschäfte sowie die bedenkenlose Genehmigung von Spielkasinos (gegen den Rat des städtischen Ordnungsamts) verhalfen den Brüdern Hersch und Chaim Beker zu Millionengewinnen.
Damals waren es die Puffs, heute ist es das Theater. Jan Schneider kann ganz offensichtlich die Sprengkraft des Feuers, mit dem er spielt, nicht einschätzen.
In einem am 7. August veröffentlichten Interview, das die FR mit Jan Schneider führte, ist dessen Hinweis bemerkenswert, dass es bei einem Neubau am Osthafen keiner Interims-Spielstätten bedürfe. Mit anderen Worten: Die Theaterdoppelanlage am Willy-Brandt-Platz ist bei weitem in keinem so desolaten Zustand, wie von den Verantwortlichen behauptet. Denn andernfalls müsste sie kurzfristig geschlossen werden. Das legt den von Fachleuten bereits mehrfach geäußerten Verdacht nahe, dass es zwischen Baubestandsaufnahme und den daraus abgeleiteten Sanierungsmaßnahmen erhebliche Nichtübereinstimmungen gibt. Oder anders ausgedrückt: Die Anlage wird lediglich marode geschrieben, sie ist es aber nicht. Von einer modernen Be- und Entlüftung, zeitgemäßen Elektro- und Wasserleitungen einmal abgesehen.
Wegen des durch die Corona-Pandemie bedingten Gewerbesteuerausfalls ist die Finanzierung des 900 Millionen-Projekts nicht gesichert. Bislang sprudelnde Steuerquellen wie Fraport und Lufthansa werden für die nächsten fünf Jahre ausfallen. Oberbürgermeister Feldmann (SPD) und Stadtkämmerer Becker (CDU) haben solche Befürchtungen geäußert. Und sie sind mit dieser Sorge nicht allein. Zudem offenbart die Covid-19-Seuche noch ein weiteres Problem:
Sowohl bei einer Sanierung als auch bei einem Neubau der Anlage muss die Gestaltung der Zuschauerräume völlig neu gedacht werden. Die Abstände zwischen den Besuchern werden künftig an die gesundheitlichen Anforderungen anzupassen sein. Das erfordert eine andere Theaterarchitektur. Denn Corona wird bleiben. Doch keine der fünf Varianten für Schauspielhaus und Oper, die im Oktober vorgestellt werden sollen, berücksichtigt dies.
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Frankfurter Schauspielhaus im Jahr 2018