OB Luisenplatz Copyright Stadt FrankfurtMit einer Lücke im Terminkalender fing alles an - Peter Feldmann will wissen, wo der Schuh drückt

Manfred Schröder

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eigentlich wollte er Mitte September nach Prag. Die 30-jährige Städtepartnerschaft mit Bürgern und Politikern feiern. Doch dann schlug die zweite Welle zu. Prag war auf einmal Risikogebiet – und Oberbürgermeister Peter Feldmann musste die lange geplante Reise einen Tag vor Abflug absagen. Folge: Lücken im sonst so übervollen OB-Kalender. Die gibt es sonst nur an Weihnachten.

Ratlosigkeit im Vorzimmer. Was könnte man dem Chef vorschlagen? Wellness? Kurzurlaub? Eine Mainfahrt? Der hatte sich aber schon längst selbst Gedanken gemacht. „Lass raus in die Stadt“, verkündete er mit Blick auf die große weiße Stelle im Terminkalender. „Der freie Tag gehört nicht mir, sondern den Frankfurterinnen und Frankfurtern.“

Gesagt, getan. Erste Station: Luisenplatz im Nordend. Einer der neuen Party-Hotspots an den Wochenenden – sehr zum Leidwesen der Anwohner. „Wenn es nur die Lautstärke wär“, sagt Tobias Hochstraßer. Er und Matthias Lorenz leben nur wenige Meter entfernt. Sie mussten erleben, wie ihr Gärtchen zur Toilette umfunktioniert wurde - und der Parkplatz im Hinterhof gleich mit. „Unser Himbeerstrauch ist eingegangen, entlang des Zaunes wächst nichts mehr. Und der Geruch! Ich mag gar nicht drüber reden“, sagt er.

Feldmann hört zu. „Für diese Massen ist der Platz viel zu klein“, sagt der Oberbürgermeister und fragt nach, warum es keine mobilen Toiletten gibt. Offenbar ein Dauerthema im Viertel. „Die sollten längst da sein“, antwortet Hochstraßer. „Aber daraus wurde nichts.“
Woran liegt‘s? Ein Fall für Karin Guder. Die Ortsvorsteherin kommt zufällig vorbeigeradelt, klärt auf: „Dass wir die Dixis brauchen, da sind für uns einig. Aber sie sollten zuerst mitten auf den Platz. Wir wollen einen Stellplatz am Rand.“ Vielleicht gibt‘s nächsten Mittwoch schon Neuigkeiten – dann ist ein Anwohnertreff geplant.

Weiter geht‘s. Oder besser: Sollte es gehen. „Herr Oberbürgermeister“, ruft eine Stimme von schräg gegenüber. Sie gehört Nora Momberger. Die 68-Jährige hat beim Zwiebelschneiden vom OB-Besuch gehört, will ihn unbedingt sprechen. Ihr brennt etwas auf der Seele, das merkt man sofort. Es geht um ihre Wohnung. Nach einem Eigentümerwechsel soll sie plötzlich raus. Nach 18 Jahren. Mit ernster Miene verfolgt Feldmann die Schilderungen der resoluten Dame. „Nicht aufgeben“, ermutigt er sie. „Sprechen Sie mit dem Mieterverein. Im Nordend gibt es eine starke Nachbarschaftshilfe. Ich kann Ihrem Vermieter keine Befehle geben. Aber den Mund für Sie aufmachen,
das kann ich.“

OB Bahnhofsviertel Copyright Stadt Frankfurt Maik Reuß 1Auf zur Straßenbahn. Ziel: Bahnhofsviertel. Linie 12 oder 18? „Take the 12“, rät eine junge Dame unaufgefordert.„Have a nice day.“ Man sieht: In Frankfurt sind sogar die Eingeplackten hilfsbereit. In der Kaiserstraße kehrt der Oberbürgermeister bei Hysen Blakqori ein. Der 49-Jährige betreibt in Sichtweite des Kaisersacks das Eiscafé Fortuna. Die Corona-Krise hat ihm schwer zugesetzt: „Ich habe 80 Prozent weniger Eis verkauft.“ Nicht das einzige Problem! Dealer, Junkies, Obdachlose – das soziale Elend im Viertel macht nicht vor seinem Eiscafé halt. „Wir hatten hier einen Junkie, der hat 40 Minuten rumgeschrien. Natürlich habe ich die Polizei gerufen. Aber das hat ewig gedauert.“ „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das für Sie als Gastwirt ist“, sagt Feldmann. „Solche Sachen verschrecken die Gäste. Ich nehme das mit. Vielleicht kann man ja etwas verbessern.“

Waschen, legen, schneiden – dafür ist Ali Güclü Experte. Der Chef des Salon City in der Münchener Straße ist in Frankfurt fast schon eine Institution. „Ich bin Stammkunde“, sagt der Oberbürgermeister. Doch heute sitzt die Frisur. Für Tee und ein Schwätzchen ist dennoch Zeit. Er will bald aufhören, erzählt Güclü. Und das Geschäft? „Mein Sohn soll übernehmen. Aber er überlegt noch. Er ist nämlich nicht nur Frisörmeister, sondern auch Bauingenieur.“

Wohin als nächstes? Bevor Feldmann antworten kann, klingelt sein Handy. Er geht ran. „Aha“, sagt er, nimmt einen Stift, kritzelt eine Uhrzeit mit Namen auf die eben noch weiße Stelle im Terminkalender. Wirklich frei hat ein Oberbürgermeister wohl nie.

Fotos:
Anwohner Tobias Hochstraßer zeigt dem OB auf dem Luisenplatz liegen gelassene Glasflaschen
Corona-Gruß zwischen OB Feldmann und Eis Fortuna-Chef Hysen Blakqori
© Stadt Frankfurt, Maik Reuß
 
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Quelle Stadt Frankfurt