Fritz Bauer Institut stellt die Öffentlichkeit zum Prozeß von 1963 her
Werner Renz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der 50. Jahrestag der »Strafsache gegen Mulka u.a.« ist dem Fritz Bauer Institut Anlass, ein einmaliges zeithistorisches Dokument einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen: der Mitschnitt der Zeugenvernehmungen im Auschwitz-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt am Main.
Im September 1965 verfügte der hessische Justizminister, von dem Auschwitz-Überlebenden Hermann Langbein nachdrücklich darum gebeten, per Erlass, die Tonbandaufnahmen zu sichern und zu verwahren. Die Tonbandaufnahmen wurden im Jahr 1989 vom Frankfurter Landgericht dem Hessischen Hauptstaatsarchiv zur Verwahrung übereignet. Erstmals verwendet wurde der Mitschnitt 1993 in der dreiteiligen Dokumentation des Hessischen Rundfunks STRAFSACHE 4 Ks 2/63.
Die Aussagen von 318 Zeugen, darunter 181 Überlebende von Auschwitz, finden sich auf den Tonbändern. 2004 veröffentlichte das Fritz Bauer Institut in Kooperation mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau, dem Hessischen Hauptstaatsarchiv und dem Deutschen Rundfunkarchiv die Transkription des 430-stündigen Mitschnitts sowie 100 Stunden O-Ton ausgewählter Vernehmungen.
Nunmehr präsentieren das Fritz Bauer Institut und das Hessische Hauptstaatsarchiv die Website: www.auschwitz-prozess.de
Der gesamte 430-stündige Mitschnitt samt den Transkriptionen in zwei Formaten (html- und pdf-Format) sind über die Website zugänglich.
Zu hören sind die Stimmen der Opfer, die die Verbrechen von Auschwitz bezeugen. Zu hören sind die Ausflüchte der SS-Zeugen und die Einlassungen der Angeklagten, die alle Mitverantwortung an den Verbrechen leugnen. Der Mitschnitt vergegenwärtigt auf eindringliche Weise die Anstrengung des Frankfurter Schwurgerichts, in einem Strafprozess nach Recht und Gesetz die individuelle Schuld der Angeklagten festzustellen.
Die durch die Strafprozessordnung vorgegebene »Erforschung der Wahrheit« (§ 244 StPO) erbrachte eine umfassende Aufklärung über die in Auschwitz begangenen Massenverbrechen.
Texte und Materialien zur Geschichte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, des Auschwitz-Prozesses sowie des Tonbandmitschnitts ermöglichen eine Kontextualisierung der Audioquelle. Zusätzliche Materialien bieten Orientierungs- und Informationshilfen.
Am Ende der Verfolgung und Ahndung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland angelangt, ist die Audio-Quelle vom 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess ein außergewöhnliches Dokument von herausragender gesellschaftspolitischer und rechtshistorischer Bedeutung.
INFO:
Werner Renz ist im Fritz Bauer Institut verantwortlich für Archiv und Bibliothek. Innerhalb des Arbeitsschwerpunktes „Geschichte der Frankfurter Auschwitz-Prozesse“ und „Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau“ will ein Projekt „Auschwitz-Täter vor Gericht. Die Frankfurter Auschwitz-Prozesse“ die historische Aufarbeitung für heute leisten.