Auch der neue Frankfurter Magistrat ist nicht zukunftsfähig
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Frankfurt am Main steht für die Probleme vieler deutscher Großstädte.
Die Main-Metropole stöhnt unter zu viel Autoverkehr und Schadstoff-Emissionen, dilettiert bei der Planung eines zukunftszugewandten ÖPNV, raubt Fußgängern die angestammten Wege, schaut tatenlos zu, wenn der Wohnraum durch Kapitalanleger (darunter überproportional viele Geldwäscher und Steuerkriminelle) besetzt wird und dadurch die wirklichen Leistungsträger verdrängt werden. Über Jahre hinweg hat sie zu wenig in Schulen und Kulturstätten investiert. Ihre politischen Parteien sind nicht willens, eindeutige Positionen zu beziehen, sondern flüchten sich vorschnell in Kompromisse. Sie geben die Unterwerfung unter vermeintliche Sachzwänge als Politik aus. Auch die letzte Kommunalwahl am 14. März 2021 war kein Befreiungsschlag.
Die Grünen gingen aus ihr als stärkste Kraft hervor. Sie konnten 24,6 Prozent der Stimmen gewinnen, ein Zuwachs von 9,6 Punkten gegenüber 2016. Die CDU verbuchte lediglich 20,9 - ein Verlust von 2,2. Die SPD kam lediglich noch auf 17,0 - ein herber Verlust von 6,8. Diese Ergebnisse lassen sich als Votum für einen Politikwechsel unter Führung der Grünen interpretieren. Eine weitere Beteiligung der besonders konservativen Frankfurter CDU an der Stadtregierung kam darum nicht infrage. An der Wahlverliererin SPD führte aber kein Weg vorbei, wollte man nicht auf eine relativ starke zweite Säule verzichten. Doch auch das reichte noch nicht für eine Mehrheit.
Frischer Wind wäre von den Linken zu erwarten gewesen, trotz eher mäßigem Stimmenanteil von 7,9 Prozent. Allerdings sind sie bei den Grünen besonders unbeliebt, weil sie laut ihrem Programm am ehesten für echte Veränderung stehen und die Paradigmen der Ökologisten an entscheidenden Punkten in Frage stellen. Vor allem deren unkritische bis infantile Haltung zur Wirtschaft, der Triebkraft aller Umweltzerstörung. Hätte man „Die Linke“ und „Die Partei“ eingebunden, würde die Koalition ebenfalls über eine Stimmenmehrheit verfügen (an eine absolute Mehrheit ist bei der Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung ohnehin nicht zu denken).
So kam die FDP (mit ebenfalls 7,9 Prozent) zum Zuge, deren Basis sich aber anfangs gegen den Koalitionsvertrag sträubte, den ihre Vertreter mit ausgehandelt hatten. Die Partei, welche Steuervermeidern, Immobilienspekulanten und ähnlichen egoistischen Interessen nahe steht, fand sich plötzlich im ursprünglichen ausgehandelten Regierungsprogramm nicht wieder. Dennoch ließen sich Grüne und SPD auf Nachverhandlungen ein; der Koalitionsvertrag landete im Papierkorb und die Freien Demokraten setzten Korrekturen durch, die kaum erkennbar sind. Zur Regierungsmehrheit fehlten trotzdem noch 2 Mandate. Die holte man sich vom indifferenten Newcomer Volt (3,7 Prozent Stimmenanteil = 4 Mandate), was dieser Gruppe mit dem neuen Dezernat für Digitales belohnt wird.
Mit der Errichtung solcher Geschäftsbereiche haben bereits die hessische Landesregierung und die Bundesregierung Schiffbruch erlitten. Denn die Digitalisierung von Behörden und Schulen ist eigentlich eine Aufgabe jener Ressorts, in denen diese angesiedelt sind. Schließlich bedeutet Digitalisieren nichts anders, als logische Denk- und Arbeitsschritte in elektrische Signale umzuwandeln, um sie mittels Computern und Robotern in gleichartigen Abläufen verlustfrei und schnell anwenden zu können. Sollte es in Frankfurt dazu eines eigenen Magistratsbereichs bedürfen, schlage ich zusätzlich die Bildung eines Dezernats zur Förderung der Grundrechenarten und der Rechtschreibung vor – was möglicherweise sogar überfällig ist.
Der politische Stellenwert des Dezernats für Digitales entspricht ungefähr demjenigen für „Diversität und Anti-Diskriminierung“, das unter der Leitung der neuen Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) steht. Damit wird das Selbstverständliche indirekt angezweifelt und erhält Ausnahmecharakter.
Erwähnenswert ist, dass Eileen O’Sullivan (Volt), die dem Digital-Dezernat vorsteht, keine deutsche Staatsbürgerin ist. Vielleicht soll auf diese Weise jener Hauch von multikulturellem Miteinander angedeutet werden, auf den die Stadt offiziell stolz ist, den sie aber inhaltlich nicht zu füllen vermag. Denn wenn nach mehr als einem halben Jahrhundert Zuwanderung immer noch zu viele Menschen die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen und sich damit praktisch von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben selbst ausschließen, erweist sich Multikulti als Etikettenschwindel. Tatsächlich ist der Begriff zu einem Synonym für Gettoisierung geworden.
Ein anderes Beispiel: Der Frankfurter SPD-Direktkandidat für den Deutschen Bundestag, Kaweh Mansoori, spricht auf Wahlplakaten die Wähler in mehreren Sprachen an. Hat dieser Politiker nicht realisiert, wo er lebt und für welches Parlament er kandidiert? Es ist ihm unbenommen, sich auch an Wähler zu wenden, die neben der deutschen Staatsbürgerschaft noch eine weitere besitzen. Freilich: Um eingebürgert zu werden, mussten sie mehr Kenntnisse über Deutschland nachweisen, als sie eingeborenen Deutschen abverlangt werden. Mansoori und die SPD behandeln diese Bürger jedoch so, als seien sie intellektuell behindert.
Die SPD stellt die Dezernenten für Planen – Wohnen - Sport (Mike Josef), Bildung und Bau (Sylvia Weber) sowie Kultur und Wissenschaft (Ina Hartwig). Auffällig ist die Spannbreite von Frau Webers Bereich. Ein genuiner Sachzusammenhang erschließt sich nicht. Kulturdezernentin Ina Hartwig hingegen hat beim „S.O.U.P.-Festival“, das ein urbanes Leben unter kommerziellen Vorzeichen thematisiert, eine Position vertreten, die Anlass für kritische Nachfragen ist. Denn sie findet die Verständigung mit Investoren, insbesondere eine mit der Immobilienwirtschaft, wichtig. Möglicherweise ist das bereits die Auswirkung jenes neoliberalen Touchs, den Olaf Scholz verkörpert und in der SPD salonfähig machen möchte.
Neuer Kämmerer, also Chef der Finanzen, wird Bastian Bergerhoff (Grüne). Die anderen grünen Dezernenten sind Rosemarie Heilig (Umwelt, Frauen), Stefan Majer (Gesundheit, Verkehr), Elke Voitl (Soziales) und Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg. Die FDP ist verantwortlich für Wirtschaft (Stephanie Wüst) sowie Recht und Sicherheit (Annette Rinn). Alles in allem: In Frankfurt nichts Neues.
Foto:
Blick auf das Frankfurter Bankenviertel
© MedienRedaktionsgemeinschaft