Um kaum etwas anderes wird ein so präponderantes Getue gemacht, als um die Heilige Kuh Auto
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wo doch der Westler sich so gern über die heiligen Kühe der Inder mokiert und alteriert. Die eigenen kommen ihm erst gar nicht zu Bewusstsein.
Wird man der Züge der blechernen Gnu-Herden in vierer- oder Sechserreihen ansichtig, mag man es kaum glauben, was sich da abspielt.
Wie zu plötzlichen Rush-Hours am Frankfurter Ratsweg und auf der östlichen Hanauer Landstraße in Frankfurt am Main. Bei Außerirdischen muss es wie ein unwirkliches Phänomen ankommen. Mit den Autos wird unwirtschaftlich Eisen bewegt. Das Gewichtsverhältnis der Insassen und ihrer holden Gefährte ist grotesk.
Weil sich unrationell und die Umwelt belastend in einzelnen Blechkisten fortbewegt wird. Keine noch so aufwendige Technik ändert irgendetwas an diesem Widersinnigen und Abwegigen. Legionen befinden sich einem Zustand nahe der Bewusstlosigkeit – im Fahrprozess. Sie schalten als Herren der Schöpfung nämlich ab von Familie und Beruf. Denn wie käme es sonst wohl, dass Leute ins Umland ziehen, um dann alltäglich und über 40 Kilometer aus der Wetterau in die Stadt zu fahren, ums tägliche Brot zu verdienen. Die Kinder zieht es wieder zurück in die Stadt.
Und keine der effektiv pendelnden U-Bahnen müssen den querenden Verkehr, der herkömmlicherweise Vorrang hat, so sehr respektieren wie gerade in Frankfurt/Main, wo zwei Autobahnen waagrecht durch die Stadt verlaufen, obwohl sie im alltäglichen Bewusstsein längst nicht mehr als solche ausgewiesen sind. Wie über Jahrzehnte schon. A66 und A 661 hätten noch über den Alleenring hinzukommen sollen, was aber nach einigem Widerstand aufgegeben wurde. Nun schicken beide Autobahnen ihre Last eben auf abseitigen Straßen zum Ziel. Und es wird künftig darauf abgestellt, dass Am Riederbruch, im Stadtteil Riederwald, noch mehr Karossen ins stadtnahe Gebiet eingefädelt werden.
Individualverkehr ist scheinhaft
Er findet in der Masse der Vereinzelten statt, in der schlechten Einheit des Besonderen und Allgemeinen. Frankfurt braucht Jahrzehnte um in der Überwindung des unhaltbaren Zustands voranzukommen. Es braucht einen konsequenten Plan gegen den vorherrschenden Kleingeist. Einzelne Städte, wie Darmstadt oder Kassel sind da schon um einiges weiter, wie bildlich unterlegte Zwischenberichte belegen. Zur Änderung braucht es daher Konsequenz.
Ganz viele Wege können mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, umso mehr auch, je mehr diesen Raum und Durchfahrt geschaffen wird. Allerdings braucht es mit Ämtern Jahre, wenn weiter so kleinteilig vorangegangen wird. Die Initiative Radentscheid, der erfreulicherweise immer mehr stattgegeben wird, hat ein Baukastensystem entwickelt, das auf fast alle Straßen und Stadtzüge anwendbar ist. Ämter der Vergangenheit arbeiteten schon mal effektiver, Prozesse gingen schneller voran. Es gab eine Gründerzeit. Immerzu wird am falschen Ende gespart, die Selbstbeweger-Kultur auch bleibt im Hintertreffen. Immer wieder mal bemerkt: vormals hatte Offenbach ansehnliche öffentliche Toiletten, aber infolge des privaten Reichtums und der öffentlichen Armut wurden sie wegrationalisiert. Vormals standen sie zur Zeit des bürgerlichen Aufstiegs im Rang der Kunst. Jetzt fristet nur ein kaum wahrzunehmender Ersatz ein verschämtes Dasein. So kann Offenbach nicht reüssieren.
Radverkehr sorgt für Konsum (auch ohne Autoanfahrt) und die Radverkehrskundschaft kauft besser ein
Das wurde zwischenzeitlich ermittelt. Der Einzelhandel aber hat sich in vorgefertigten Urteilen festgefahren. Blechkarossen bewirken eine innerörtliche Wüstenei. Der Einzelhandel macht sich was vor, wenn er das Vorfahren mit dem Auto über den grünen Klee lobt. Um die wirklich notwendigen Fälle der Autonutzung bräuchte es keine Diskussion. Das Auto sollte nur noch Einsatz finden, wenn es unumgänglich ist. Insofern wäre Car-Sharing die angemessene Lösung. Kann auch in Dörfern Anwendung finden. Hier geht man bereits zum Fahren auf Abruf über. Mit den hierbei unterstützenden Mitteln der Digitalisierung.
Anwohner-Parkplätze in innenstadtnahen Gegenden sind infrage zu stellen. Warum sollte eine Stadtgesellschaft kostenlose Dauerparkplätze am Gehweg zur Verfügung halten. Das ist Subvention. Als die ersten Autos fuhren sah das noch klasse aus (in alten Filmen von Frankfurt zu sehen), aber mittlerweile sind sie zur Plage ausgeartet und verschandeln die Straßenzüge und das Stadbild. Wenn das Auto nicht gebraucht wird, ist es ein schlechter Monolith. In bleibender Erinnerung: Es gab Besucher der Stadt, die drohten vor Jahrzehnten damit, nicht mehr in die Stadt zu kommen, wenn die Parkplätze immer rarer würden. Welch eine Anmaßung.
Schnell entwickeln sich bei jeder Maßnahme sogleich Debatten um die Neuaufteilung des Straßenraums. Wer darf wieviel bekommen und wer muss abgeben. Das richtet sich gegen vertraute Gewohnheiten, die der prekären Lage des Stadtraums Hohn sprechen. Auch Tiefgaragen sind fragwürdig, weil sie noch mehr Autoverkehr anziehen.
Nun soll der Frankfurter Sandweg soll zur Fahrradstraße werden. Er ist aber gar zu schmal, um es einem jeden und einer recht machen zu können. Prioritätensetzung ist also unvermeidlich. Der öffentliche Nahverkehr muss das Gros der innerorts in der Fläche sich Fortbewegenden bedienen, in der Nähe müssen das Fahrrad und die angenehme Fußläufigkeit in den diesen gemäßen Stand treten. Hierzu braucht es abmarkierte Fahrradwege und den Vorrang für das Fahrrad auf Kosten des Autos. Der Quer-durch-die-Stadt verlaufende Verkehr muss dabei mitbedacht werden. Das Privileg muss umgekehrt werden. Mit Hilfe der Privilegierung des Fahrrads gehen immer mehr Städte zu Werk. Tempo 30 sollte auf Haupt- und Nebenstraßen gelten, Tempo 40 muss für Ein- und Ausfallstraßen hinreichend sein. Dazu gilt der Rat: alle sollten etwas abspannen. Bei hektischer, unduldsamer Angespanntheit bleiben alle im Nachteil. Die Aggressivität hat ihren Grund in Mängeln der Persönlichkeit.
Die Route Kurhessenstraße sagt schon selbst so einiges
An dieser wird gegen den neuen Quartiersbus Front gemacht. Die Kurhessenstraße ist problematisch breit. Hier hat eine taubstumme Anwohnerin mal ihren ebenso taubstummen Gatten verloren. Allein die beiden spärlich breiten Fahrspuren sind schon fragwürdig. Parken geht nicht wirklich. Es verlagert sich auf die Nebenstraßen.
In der Bürgerfragstunde im Ortsbeirat 9 trat eine Anwohnerin höchst verärgert auf. Sie hält den Bus für nicht angemessen. Die Frequenz - im Halbstundentakt! - sei zu dicht. Sie spricht vom totalen Wahnsinn und Schildbürgerstreich. Die neue Bus-Verbindung aber ist durchaus von nützlicher Funktion, weil er das Quartier besser abdeckt und eine Verbindung zum Markus-Krankenhaus schafft. Bislang stand es mit der Verbindung nach Ginnheim schlecht. Zumal für die nicht mehr so gut Fußläufigen und weniger Sportlichen. Zuspruch für die Neueinrichtung kam von der FDP, auch die CDU spricht sich für die Maßnahme aus. Die Lage wurde im Vorfeld untersucht und ergab, dass Bedarf besteht, besonders für die Älteren.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass einzig nur die Frequenz des hörbaren neuen Gefährts für die Bürgerlichen des Autos der Grund für die Absage an den Bus ist. Autos waren seit Jahrzehnten vertraut, der Bus kam nun zu den Autos noch hinzu, die wohl auch nicht gerade sittlich sich durch die hastig befahrene Verbindungsstrecke zwischen Eschersheim und Ginnheim bewegten. Der Unruhe war also bereits genug. Das hat der Bus nun auszubaden. Und überhaupt eben: an der Straße wohnen Besitzbürger, die meinen ein Privileg auf Ruhe vor dem Bus fürs gemeine Volk zu haben.
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© Heinz Markert