Neujahrsempfang der DFL im Thurn- und Taxi Palais in Frankfurt
Notker Blechner
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger befand sich zwar nicht unter den rund 300 Gästen, doch bei den Reden der Liga-Funktionäre und den Small-Talks war er allgegenwärtig. Das Coming-Out von Hitzlsperger sorgte für gespaltene Reaktionen im festlich hergerichteten Keller-Saal unter den glitzernden Kronleuchtern.
Er sei persönlich nicht glücklich "über die ausufernde Berichterstattung zu diesem Thema", das eine natürliche Sache, die sexuelle Orientierung eines Menschen betreffe, haderte DFL-Präsident Reinhard Rauball. Das werde der Situation und auch Hitzlsperger nicht gerecht.
Erster aktiver schwuler Fußballer würde zur Ikone
Der Liga-Boss riet homosexuellen Fußballern, sich in ihrem Arbeitsumfeld zu outen - bei Trainern, Kollegen und Verantwortlichen des Vereins. Ein Coming-Out in der breiten Öffentlichkeit hält Rauball für zu gewagt, die Folgen wären dann nicht abschätzbar.
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert befürchtet gar, dass der erste aktive Profi-Fußballer, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekenne, zu einer Ikone der Schwulenbewegung werden würde. Er könne womöglich nie mehr normal Fußball spielen.
Tabu jetzt noch größer?
Hat Hitzlsperger Coming-Out das Tabu der Homosexualität im Fußball gebrochen? Wohl kaum. Geschäftsführer Seifert stellte die provozierende Frage, ob diese Form des Umgangs wie in den Medien die Grenzen gesenkt oder im Gegenteil gar noch erhöht haben. Darauf hatte keine der versammelten Gäste eine eindeutige Antworte parat.
Letztlich spiegle der Profifußball nur die Gesellschaft wider, spielte Seifert das Thema herunter. Die allermeisten hätten kein Problem mit einem schwulen Fußballer. "Einige hätten ein Problem, würden aber nicht sagen. Und einige hätten ein Problem und würden das mehr oder weniger geschmacklos sagen." Alles klar? Warum drückt sich ausgerechnet hier Seifert so schwerfällig aus?
Lob von Arsène Wenger für die deutsche Nachwuchsarbeit
Dem Image des deutschen Fußballs jedenfalls dürfte die mediale Aufregung um Hitzlsperger nicht geschadet haben. Die Beliebtheit von "König Fußball" ist hierzulande größer denn je. Und auch im Ausland hagelt es Lob. Präsident Rauball verwies stolz auf Arsenal-Coach Arsène Wenger, der die Ausbildung der Jugendlichen in Deutschland als Vorbild nannte
Ob die Bundesliga inzwischen die beste Liga der Welt sei, wollten die DFL-Manager nicht beurteilen. "Ob Platz eins, zwei oder drei- das spielt für uns keine Rolle", sagte Geschäftsführer Seifert ganz staatsmännisch. Das Jahr 2013 zeige jedenfalls, dass die Bundesliga zurück in der Spitze Europas sei, betonte er mit Blick auf das erste rein deutsche Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund.
Bundesliga vor neuem Rekordumsatz
Nicht nur sportlich, auch wirtschaftlich läuft es rund für die Liga. Für die abgelaufene Saison 2012/13 versprach Geschäftsführer Seifert den neunten Umsatzrekord in Folge. Genaue Zahlen sollen nächste Woche präsentiert werden.
Und auch für die Spielzeit 2013/14 strotzen die Liga-Bosse vor Zuversicht. "Wirt haben in der Hinrunde den dritthöchsten Zuschauerdurchschnitt in der Bundesliga-Geschichte gehabt", erklärte Seifert vor den prominenten Gästen.
Selbst eine Milliarde mehr "reicht manchmal nicht"
Ab der kommenden Saison winkt ein zusätzlicher Geldregen dank des neuen Fernsehvertrags. Er bringt den 36 Profi-Klubs in der ersten und zweiten Liga 120 Millionen Euro mehr Einnahmen pro Jahr.
Schon jetzt hätten die Klubs eine Milliarde mehr zur Verfügung als vor zehn Jahren, sagte Seifert. "Und trotzdem reicht das Geld manchmal nicht." Da dürfe man nicht noch mehr fordern, sondern müsse sich fragen, warum das Geld nicht reiche.
Entscheidung über Torlinien-Technik im Frühjahr
Zur Einführung der Torlinien-Technik hielten sich die DFL-Manager bedeckt. Derzeit sammle man die Erfahrungen aus Großbritannien, den Niederlanden und der Klub-WM in Marokko. Im Frühjahr will sich dann der DFL mit den Verantwortlichen der Bundesliga-Vereine zusammensetzen und klären, ob sie die neue Technik wollen oder nicht. Denkbar wäre auch eine begrenzte Einführung der Torlinien-Technik nur im DFB-Pokal. Sollten die Vereinsoberen die Technologie ablehnen, wäre das Thema für längere Zeit erst mal vom Tisch, versicherte Rauball gegenüber Weltexpresso.
Als größte Herausforderung des neuen Jahres sehen die Liga-Funktionäre die Weltmeisterschaft in Brasilien. Es wäre naiv zu sagen, wir werden Weltmeister", erklärte Seifert. "Nicht naiv ist es zu sagen, wir wollen diesen Titel unbedingt!" Der anwesende Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff konnte dem nicht viel hinzufügen und fand das clever formuliert.
Kölner Ausschreitungen fachen Gewalt-Debatte weiter an
Nur über ein Thema scheinen sich die DFL-Verantwortlichen richtig zu ärgern: die Gewalt in und außerhalb der Stadien. Einige Gruppierungen würden das Fan-Sein als Deckmantel benutzen, um ihre Aggressionen auszuleben, kritisierte DFL-Geschäftsführer Seifert. Ähnlich drückte sich Präsident Rauball aus. Es gebe Leute, die die Bühne des Fußballs missbrauchen. Das, so der BVB-Manager, seien keine Fans. Der 67-jährige Jurist forderte Politik und Justiz auf, mit aller Härte gegen Fußball-Gewalttäter wie vergangenes Wochenende am Rande des Testspiels zwischen dem 1. FC Köln und Schalke 04 vorzugehen. Die Gesetze sollten dabei ausgeschöpft werden, "Wenn das nicht reicht, muss über neue Gesetze nachgedacht werden." Es gehe um den Schutz der Fußball-Kultur.
Kein Thema beim Neujahrsempfang war die Verschiebung der Fu0ßball-WM 2022 in Katar vom Sommerauf den Winter. Dazu sei alles schon gesagt, hieß es von den DFL-Funktionären und Gästen wie Günter Netzer. Liga-Präsident Rauball versprach, dass sich die DFL mit den Vereinsverantwortlichen bald über ein gemeinsames Vorgehen abstimmen werde. "Wir wollen eine Stimme haben." In anderen Ländern, besonders Südeuropa werde eine Sommer-WM in Katar übrigens viel lockerer gesehen.
Prominenz von "Kaiser Franz" bis Eintracht-Boss Bruchhagen
Unter dem doppelsinnigen Motto "Anstoss 2014" genoss derweil die eingeladene Prominenz aus Fußball, Politik und Wirtschaft den Mittag und stieß auf das "Super-Sportjahr" an. Schade nur, dass die großen Stars wie "Kaiser" Franz Beckenbauer, Rudi Völler und Bayern-Präsident Karl-Heinz Rummenigge relativ schnell nach ein paar Interviews wieder verschwanden.
Von Eintracht Frankfurt waren Vorstandschef Heribert Bruchhagen, Präsident Peter Fischer Finanzvorstand Axel Hellmann und Legende Charly Körbel vertreten. Während Fischer von weiteren Verstärkungen nichts wissen wollte, schloss Hellmann einen dritten Transfer bis Ende Januar nicht aus. Rückendeckung für Trainer Armin Veh kam mal wieder von Heribert Bruchhagen. Er könne jederzeit seinen Vertrag bei ihm verlängern, sagte er einem Sport-Sender. Genug gefeiert und gefaulenzt, jetzt soll der Ball wieder rollen…
PS: Die Redaktion hat lange hin und herüberlegt, welche der auf der Hand liegenden Überschriften die werden solle, die auch über dem Artikel steht. Sogar eine Abstimmung war nötig. Und weil sie so knapp ausfiel, wollen wir die beiden anderen hier auch zitieren. Das waren: Hitzlspergers Coming-Out spaltet die Liga ODER: Die Angst vor dem nächsten Coming-Out.
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