Senat beschließt Namensänderung zur Adresse der Goethe-Universität Frankfurter, Teil 2
Hubertus von Bramnitz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Anders als Adorno und Horkheimer, die von Frankfurt aus sich in die Emigration in die USA retteten, und von dort zurück an die Johann Wolfgang Goethe Universität kamen, und nicht nur in der Fachwelt bekannt sind, sondern für Frankfurter auch, ist Wollheim, Norbert Wollheim, für die meisten unbekannt.
Er, 1913 in Berlin geboren, wurde 1943 in das KZ Auschwitz deportiert und überlebte als einziger seiner Familie! Er war Zwangsarbeiter der I.G. Farben, überlebte auch den Todesmarsch des von der SS evakuierten Lagers, konnte fliehen und kam nach Lübeck. 1950 führte er die erste Musterklage eines ehemaligen Zwangsarbeiters gegen die IG-Farbenindustrie. Er erhielt 10 000 DM Schmerzensgeld in der ersten Instanz Landgericht, woraus 1958 ein generelles Urteil vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main wurde, demnach insgesamt 30 Millionen DM an mehrere tausend ehemalige Zwangsarbeiter der IG-Farben gezahlt werden sollten. Die IG-Farben waren damals übrigens schon „entflochten“, denn die Amerikaner und Deutsche, die den Anspruch, eine Demokratie aufzubauen, ernst nahmen, wußten, daß ein solches Imperium durch Politik nicht zu steuern ist, sondern umgekehrt dazu neigt, den Oberen Weisungen zu geben.
Seit Jahren gab es eine Initiative, die die bisherige Adresse der Goethe-Uni umwandeln wollte in eine, die Norbert Wollheim im Namen trägt. Dabei gab's gleich zwei Probleme. Die meisten wissen die Adresse überhaupt nicht. Denn das IG-Farbenhaus, das die neu eingezogene Uni gerne Poelzig-Bau nennen wollte, was die Studenten verhinderten, denen die geschichtliche Herleitung des Prunkbaus wichtig war, liegt an der Bremerstraße Ecke Fürstenbergerstraße. Der Haupteingang ist in der Fürstenbergerstraße, weshalb der gemeine Frankfurter davon ausging, daß dies die gültige Adresse sei. Mitnichten. Denn der kaum wahrnehmbare Platz heißt Grüneburgplatz und die Universität hat die Hausnummer 1. Eine weitere gibt es wohl nicht. Die Fürstenbergerstraße mündet dann später in den Grüneburgweg, der zum Palmengarten führt.
Seit Jahren also gab es diese Initiative, mal Bürgerbegehren, mal Wunsch des Ortsbeirats, dann wieder nicht. Problem blieb für die Frankfurter, daß ihnen Norbert Wollheim ein Unbekannter blieb, die Universität aber immer frankfurterisch wurde in dem Sinn, daß sie ein lebendiges Glied der Stadt wurde. Die Universität nun wiederum wollte jahrelang nichts von einem Norbert-Wollheim-Platz wissen, verwies auf die vielen Bögen, die mit neuer Adresse geändert werden müßten, etc.
Interessant übrigens ist, daß, geht man auf die Webseite der Uni, überhaupt keine Adresse, nur Frankfurt und ein Postbriefkasten erscheinen. Da kann man hin-. und herklicken: nichts. Erst wenn man auf IMPRESSUM geht, erscheint die ordentliche Postadresse mit dem Grüneburgweg 1. Zum gegenwärtigen Stand kann man schon fast wissenschaftliche Studien betreiben, welchen Weg jeweils Willensbildungen nehmen. Während der Ortsbeirat schnell zur Sache kam und die Namensänderung zu Wollheim vor Jahren forderte, hat sich die Universität in einen Schlamassel von Vorbehalten und Beschlüssen begeben, die auf einmal – 2014 - alle in Richtung Politische Korrektheit laufen, nämlich einem Nazigeschädigten symbolisch die Adressenhoheit zuzubilligen, wie der heutige Beschluß lautete, der auch noch Adorno und Horkheimer ins Boot nimmt, woran alle auch hätten vorher denken können.
Wir machen einen ganz anderen Vorschlag. Symbolisch sollte die Benennung angesichts der Beteiligung der IG-Farben an der Vernichtung und Ermordung der Juden (und anderer) in den KZs schon sein. Aber, wer käme in Frankfurt dafür stärker in Betracht als der ehemalige Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer? Auch er wurde als Jude und als Sozialdemokrat verfolgt, saß im KZ und Gefängnis, rettete sich ins Exil, kehrte mit dem Remer-Prozeß die noch immer faschistische Gesetzesauslegung um, holte den Auschwitzprozeß nach Frankfurt, ließ den ersten und zweiten hier ablaufen.
Tausende junger Menschen haben durch diesen Prozeß zum ersten Mal von den nationalsozialistischen Greueltaten hinsichtlich der KZs gehört. Fritz Bauer hat von 1956 bis 1968 (Tod) in Frankfurt gelebt und hier Spuren hinterlassen, die gegenwärtig eine Ausstellung im Jüdischen Museum zu würdigen versucht. Zudem ist das Fritz-Bauer-Institut an der Universität Frankfurt angesiedelt. Wir erinnern uns, daß vor Jahren irgendwo in der Pampa eine Straße nach ihm benannt wurde, wo uns der Kontext unklar blieb.
Der Anlaß war bemerkenswert. Nach einer Vorführung des Films „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ von Ilona Ziok, der viel besucht und heftig diskutiert, endlich Fritz Bauer wieder gegenwärtiger machte, unternahm der Leiter des Naxoskinos die Initiative, in Frankfurt eine Straße, einen Platz nach Fritz Bauer zu benennen. Dies geschah dann im Neubauviertel auf dem Riedberg. Die Straße soll eine Länge von 345 Meter haben und wir wissen nicht, ob sie im Verbund mit anderen Verfolgten des Nazi-Regimes eine sinnvolle stadtplanerische Tat ist.
Was wir aber wissen, ist, daß eine Fritz-Bauer-Adresse auch mitten in die Stadt gehört. Fritz Bauer wohnte in der Feldbergstraße, sozusagen um die Ecke zur Universität. Es spricht alles dafür, den Grüneburgplatz 1 als Adresse der Goethe-Universität zum Fritz-Bauer-Platz zu machen! Man muß es nur gemeinsam wollen.
Hintergrund:
Beschlossen wurde vom Senat die Umbenennung folgender Wege, Straßen und Plätze im Rahmen eines Gesamtkonzepts:
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Der Grüneburgplatz und dessen Zufahrtswege von Ost und West heißen künftig Norbert-Wollheim-Platz.
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Der zentrale Universitätsplatz zwischen Casinoanbau und Hörsaalzentrum wird Theodor-W.-Adorno-Platz genannt.
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Die heutige Lübecker Straße im Osten erhält den Namen Max-Horkheimer-Straße.
Die Goethe-Universität fordert nun den Ortsbeirat 2 auf, diesem Konzept ebenfalls zuzustimmen und es gemeinsam mit der Universität umzusetzen. „Mit der Umbenennung signalisiert die Goethe-Universität in ihrem Jubiläumsjahr, dass sie sich nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzt, sondern sich als Nutzer der Liegenschaften des ehemaligen IG-Farben-Konzerns auch der kritischen Aufarbeitung dieser Konzerngeschichte verpflichtet sieht“, sagte Müller-Esterl. „Wir hoffen nun auf eine einvernehmliche Regelung mit dem zuständigen Ortsbeirat“.
Zu den genannten Personen
Norbert Wollheim: 1913-1998 war Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, ehemaliges Direktoriums-Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1943 als Jude Deportation nach Auschwitz; Zwangsarbeit für die I.G. Farben, 1945 erfolgreiche Flucht auf dem Todesmarsch, einziger Überlebender seiner Familie. Die 1950 eingereichte Klage gegen die I.G. Farben auf Entschädigung für geleistete Zwangsarbeit war das erste Musterverfahren in der deutschen Nachkriegszeit.
Theodor W. Adorno: 1903-1969, deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist; zählt zu den Hauptvertretern der Frankfurter Schule. 1921-34 Studium und Habilitation in Frankfurt/Tätigkeit als Privatdozent, 1934-45 als Jude Vertreibung und Exil in England und USA, 1953 Rückkehr nach Deutschland, bis 1969 Professor für Philosophie und Soziologie an der Goethe-Universität sowie einer der Direktoren des wiedereröffneten Frankfurter Instituts für Sozialforschung.
Max Horkheimer: 1895-1973, Sozialphilosoph, Hauptvertreter der Frankfurter Schule, ehemaliger Rektor; 1919-1922 Studium in München, Frankfurt und Freiburg, 1922 Promotion in Frankfurt bei Hans Cornelius, 1925 Habilitation, 1930 Ernennung zum Ordinarius für Sozialphilosophie an der Philosophischen Fakultät in Frankfurt sowie Ernennung zum Direktor des Instituts für Sozialforschung bis zu dessen Schließung durch die Nationalsozialisten. Sofort 1933 als Jude Emigration in die USA, 1949 Rückkehr auf den Doppellehrstuhl für Philosophie und Soziologie. 1950 Wiedereröffnung des Instituts für Sozialforschung unter seiner Leitung (mit Adorno als stellvertretendem Direktor), 1951 Wahl zum Rektor der Goethe-Universität
INFO:
Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 2014 feiert sie ihren 100. Geburtstag. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“ in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften.“
Mehr Informationen unter www2.uni-frankfurt.de/gu100