Senat beschließt Namensänderung zur Adresse der Goethe-Universität Frankfurter, Teil 1

 

Hubertus von Bramnitz

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der Senat der Goethe-Universität hat in seiner Sitzung vom 23. Juli mit großer Mehrheit die Neubenennung wesentlicher Straßen und Plätze auf dem Campus Westend beschlossen. Namensgebungen nach Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Norbert Wollheim werden im Rahmen eines Gesamtplans erfolgen, der eine eindeutige Zuordnung aller Gebäude auf dem Campus vorsieht.

 

Was sich dahinter verbirgt, ist ein Dauerbrenner der Jahre, seit das ehemalige IG-Farbenhaus zur Universität wurde. Schon vor dem Kriegseintritt hatten die Amerikaner festgelegt, daß in diesem Gebäude nach dem (gewonnenen) Krieg, ihr europäisches Headquarter untergebracht werden sollte. So geschah es und lange Jahre war dieser herrliche Bau samt Grünanlagen und Casino für die Frankfurter Öffentlichkeit ein dankbares Besichtigungsprogramm, bis die RAF ein Attentat verübte und ein dicker Zaun um diese Gelände zwischen Fürstenbergerstraße, Hansaallee, Miquelallee und Grüneburgpark gezogen wurde. Als nun in den Neunzigern die Besatzungsmacht USA tatsächlich nach Hause ging, wurde der IG-Farbenbau dank der Großzügigkeit der damaligen SPD-Landesregierung Hessens zur neuen Universität bestimmt und ausgebaut.

 

Großzügigkeit“ ist sehr ernsthaft gemeint und bezieht sich darauf, daß die deutsche Industrie hohe Beträge zum Kauf des ehemaligen Vorzeigehauses deutscher Industrie aufgeboten hatte. Aus gutem Grunde. Dazu muß man nämlich wissen, daß dieser - in unseren Augen – wunderschöne, wenngleich dramatisch repräsentative Bau 1928 vom renommierten Architekten Hans Poelzig (Neue Sachlichkeit und Organisches Bauen) für die I.G.-Farben errichtet worden war, die nach dem Ersten Weltkrieg um 1925 aus den wichtigsten deutschen Chemieunternehmen fusioniert wurden und damit Chemie-Weltführer wurden.

 

Man muß aber auch wissen, daß die IG-Farben – Farbwerke Hoechst – das Gas Zyklon B produzierten und in die Konzentrationslager lieferten, mit denen Millionen Juden in deutschem Namen vergast wurden. Zyklon B und die IG-Farben dienten dann übrigens als Vehikel, weshalb der damalige Generalstaatsanwalt Hessens, Fritz Bauer, die Zuständigkeit für den Auschwitzprozeß (Erster Prozeß von 1963-66) nach Frankfurt holen konnte.

 

Damit wird 13 Jahre nach der Übergabe des IG-Farben-Hauses sowie des umliegenden Areals an die Goethe-Universität erstmals ein aufeinander abgestimmtes Konzept vorgelegt, das historische Persönlichkeiten der Goethe-Universität sowie ein prominentes Opfer des IG-Farben-Konzerns würdigt“, lobte Universitätspräsident Prof. Werner Müller-Esterl die Senats-Entscheidung. In den Benennungen spiegelt sich die Struktur der auf dem Campus Westend vertretenen Fachbereiche und ihrer herausragenden Wissenschaftler der vergangenen 100 Jahre wider. Fortsetzung folgt.

 

 

 

Hintergrund:

 

Beschlossen wurde vom Senat die Umbenennung folgender Wege, Straßen und Plätze im Rahmen eines Gesamtkonzepts:

 

  • Der Grüneburgplatz und dessen Zufahrtswege von Ost und West heißen künftig Norbert-Wollheim-Platz.

  • Der zentrale Universitätsplatz zwischen Casinoanbau und Hörsaalzentrum wird Theodor-W.-Adorno-Platz genannt.

  • Die heutige Lübecker Straße im Osten erhält den Namen Max-Horkheimer-Straße.

 

 

Die Goethe-Universität fordert nun den Ortsbeirat 2 auf, diesem Konzept ebenfalls zuzustimmen und es gemeinsam mit der Universität umzusetzen. „Mit der Umbenennung signalisiert die Goethe-Universität in ihrem Jubiläumsjahr, dass sie sich nicht nur mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzt, sondern sich als Nutzer der Liegenschaften des ehemaligen IG-Farben-Konzerns auch der kritischen Aufarbeitung dieser Konzerngeschichte verpflichtet sieht“, sagte Müller-Esterl. „Wir hoffen nun auf eine einvernehmliche Regelung mit dem zuständigen Ortsbeirat“.

 

 

Zu den genannten Personen

 

Norbert Wollheim: 1913-1998 war Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, ehemaliges Direktoriums-Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1943 Deportation nach Auschwitz; Zwangsarbeit für die I.G. Farben, 1945 erfolgreiche Flucht auf dem Todesmarsch, einziger Überlebender seiner Familie. Die 1950 eingereichte Klage gegen die I.G. Farben auf Entschädigung für geleistete Zwangsarbeit war das erste Musterverfahren in der deutschen Nachkriegszeit.

 

Theodor W. Adorno: 1903-1969, deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist; zählt zu den Hauptvertretern der Frankfurter Schule. 1921-34 Studium und Habilitation in Frankfurt/Tätigkeit als Privatdozent, 1934-45 Vertreibung und Exil in England und USA, 1953 Rückkehr nach Deutschland, bis 1969 Professor für Philosophie und Soziologie an der Goethe-Universität sowie einer der Direktoren des wiedereröffneten Frankfurter Instituts für Sozialforschung.

 

Max Horkheimer: 1895-1973, Sozialphilosoph, Hauptvertreter der Frankfurter Schule, ehemaliger Rektor; 1919-1922 Studium in München, Frankfurt und Freiburg, 1922 Promotion in Frankfurt bei Hans Cornelius, 1925 Habilitation, 1930 Ernennung zum Ordinarius für Sozialphilosophie an der Philosophischen Fakultät in Frankfurt sowie Ernennung zum Direktor des Instituts für Sozialforschung bis zu dessen Schließung durch die Nationalsozialisten. 1933 Emigration in die USA, 1949 Rückkehr auf den Doppellehrstuhl für Philosophie und Soziologie. 1950 Wiedereröffnung des Instituts für Sozialforschung unter seiner Leitung (mit Adorno als stellvertretendem Direktor), 1951 Wahl zum Rektor der Goethe-Universität

 

INFO:

 

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 2014 feiert sie ihren 100. Geburtstag. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto „Wissenschaft für die Gesellschaft“ in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften.“

 

Mehr Informationen unter www2.uni-frankfurt.de/gu100