Oberbürgermeister Peter Feldmann eröffnet die Bahnhofsviertelnacht in Frankfurt am Main, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die so erfolgreiche Bahnhofsviertelnacht wird jeweils vom Presseamt der Stadt in sehr guter Kooperation mit den Bewohnern und Bewirtschaftern des Gebiets rund um den Hauptbahnhof vorbereitet, wozu ein Presserundgang gehört, der einzelne Stationen der rund 50 Angebote auswählt, wobei diesmal der Oberbürgermeister selbst die Hauptattraktion war.

 

Das nämlich ist nicht üblich, daß der OB die Presserundgänge begleitet, man konnte an diesem Mittag aber miterleben, wie unterschiedlich die Leute auf einen leibhaftigen Oberbürgermeister reagieren: die schnellen und langsamen Passanten auf der Straße, die Ladeninhaber und Verkäufer, die bequem in den Stühlen auf dem Trottoir sitzenden Kaffeetrinker. „Oh, der Feldmann!“, „Guck mal, der Oberbürgermeister.“ Aber auch angesichts des Troß' von Reportern, Mikrophonen und großen Filmkameras: „Wer ist denn das? Machen die einen Film? Wer ist der Star?“

 

Begonnen hatte der Rundgang in der Moselstraße, wo Feldmann zu den städtischen Zielen und den politischen Vorgaben sprach, die seit Jahren das Bahnhofsviertel von einem früher übelbeleumdeten Rotlichtviertel zu einem bunten Lebensmittelpunkt für Menschen aus aller Welt – mehr als die Hälfte der Bewohner sind Ausländer - und sehr verschiedenen Berufen macht. „Der Aufbruch dieses Viertels ist bei der Bahnhofsviertelnacht zu sehen.“ Wie sehr sich das Viertel im letzten Jahrzehnt tatsächlich verändert hat, konnten insbesondere die beobachten, die seit Jahren diese Bahnhofsviertelnacht besuchen, mit der Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen. Auch diesmal sind das mit über 50 Orten mehr als ein einzelner schaffen kann, weshalb eigentlich jede der Bahnhofsviertelnächte damit endet, das nächste Jahr aber ganz bestimmt endlich X, Y, Z zu besuchen.

 

Abgesehen davon, daß nicht jedes Jahr die Angebote gleich sind, ist die Frequenz im Viertel auch deshalb hoch, weil es seit Jahren eine Art Mieterverdrängung gibt, denn es ist schick geworden, dort zu wohnen. Es ist ja auch einfach interessant und lebendig, davon konnten sich die Journalisten auf diesem Rundgang wieder überzeugen. Wo findet man schon einen Waschsalon, in dem die Betreiberin Ayindo Napoe ihre Kunden so warmherzig begrüßt und man sich gegenseitig die Kümmernisse mitteilt. Da fällt einem fast ein, daß dieser herzliche Frau aus Togo eine Funktion hat, die man früher Puffmüttern zusprach. Doch sicher, die Puffs gibt es auch noch und besuchen kann man sie auch, aber wir gehen weiter zur Kunst.

 

Doch zuvor der Hinweis, daß man im Waschsalon Moselstraße 17 nicht nur die alten Mielemaschinen ansehen kann – die Redaktion hat auch eine gut funktionierende aus dem Jahr 1984 -, sondern, daß an diesem Abend Lesungen stattfinden werden, über die wir gesondert berichten. Eva Köstner, Kaiserstraße 55, wird im zweiten Stock in ihrem Atelier Besuchern beibringen, wie auch diese, noch dazu schnell, zeichnen können. Zwei Kolleginnen machten das als Versuchspersonen unter der Anleitung der Künstlerin vor: die eine sehr gut, die andere etwas mickrig. Aber das weiß man ja erst, wenn man's versucht.

 

Unser Herz gewann die Künstlerin schon dadurch, daß auf dem großen Bücherstapel, der vor den gutbestückten Bücherregalen vom Boden aufragt, obenauf SCHACHNOVELLE von Stefan Zweig lag, noch dazu in der schönen Ausgabe der Büchergilde. Diese Geschichte gehört zu den spannendsten überhaupt, xmal verfilmt und auf der Bühne vermenschlicht und gegenwärtig in einer Wiener Ausstellung visualisiert. Ob sie dies Buch illustriert habe? Nein, das nicht, andere schon, aber die Bücher dienen ihr zur intellektuellen Anregung und auch als Ausgangspunkt eigener Texte. Wie das? Derzeit mache sie gerne surrealistische Sachen, so in der Art, daß sie neue Manuskripte erstelle, in dem sie jedes 11. Wort eines Buches und jedes 22. aneinanderreiht. Das Ergebnis wird sicher spannend und dazu von ihr illustriert. Sie kann hier noch wohnen, weil sie einen alten Mietvertrag hat und die Stadt mit Zuschüssen hilft.

 

Der Rundgang, bei dem die Sonne immer stärker gutes Klima machte, war schon deshalb spannend, weil die Worte von Peter Feldmann, die er immer wieder in die Kameras und Mikrophone sprach, von der Aufwertung des Viertels und des guten Miteinanders uns selbst vor Augen kam. Die Passanten sind nämlich einerseits diejenigen, die mit schnellem Schritt, oft das Köfferchen hinter sich herziehend gen Bahnhof eilen, aber eben auch die langsameren Schrittes, die hier leben, schnell mal einkaufen, den Hund ausführen, essen wollen oder zum Doktor gehen. Spricht man sie an, zeigen sie sich hier als zufriedene Mitbürger, die nur Furcht davor haben, daß ihr angestammtes Viertel zu einem Szeneviertel wird, wo sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Daß da drüben an der Ecke gerade Typen verhaftet werden, ja mit Handschellen, wie im Krimi, gehört einfach dazu.

 

Denn 'vornehm' ist das Viertel noch lange nicht und das will auch keiner. Alle möchten die Grundsubstanz erhalten, eben auch die menschliche, die gegenwärtigen Bewohner. Daß die Grundsubstanz der Häuser – das Bahnhofsviertel entstand auf den Feldern, die zwischen dem Hauptbahnhof, eröffnet am 18. August 1888 - aus der Bauphase des Historismus eine gute ist, zeigt jede der Renovierungen und Sanierungen, wo aus ollen Häusern wieder prunkende Großstadtgebäude werden. Daß diese Mieten höher sind, höher sein müssen, ist auch klar. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Auch bei der so erfolgreichen städtischen Aufhübschung des Bahnhofsviertels.

 

Für die Besucher sind an diesem Abend andere Dinge wichtiger. Wir auf jeden Fall möchten auch in der Kaiserstraße 61 beim Verband der deutschen Eisenbahn-Ingenieure wie am Dienstag Peter Feldmann am Fahrsimulator mit der Straßenbahn oder der U-Bahn durch Frankfurt düsen. Naja düsen, aber allein sich dauernd zu überleben, wo man gerade fährt, die Straßen wiederzuerkennen, ist genauso spannend, wie zu überprüfen, ob man die Kurve kriegt. Kriegt man sie nicht, ist das hier nicht schlimm.

 

Die Kurve kriegen können auch die Mädchen im Internationalen Bund – Technikzentrum für Mädchen und Frauen, wo Viere gerade feilen und schleifen. Hier, wo im Jahr rund 100 Mädchen in Langzeit oder auch Tageskursen technische Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen können – Warnhinweise an der Wand: Bei der Arbeit an der Bohrmaschine niemals Schmuck wie Ringe, Ketten tragen“, dafür Schutzbrille und eng anliegende Kleidung – wird gerade aus Fahrradschläuchen Neues produziert. Heute sind es Schlüsselanhänger, da kommt die Phantasie sofort, was man noch daraus machen könnte.

 

Unser OB macht sich gerade an dieser Stelle, als es um die technische Arbeit geht, doch schneller aus dem Staub. Zwar begrüßt er die als schulische Fortbildung für untypische Mädchenberufe seit 1992 tätige Stätte sehr und schüttelt in seiner den Menschen immer sehr zugewandten Art den Mädchen und Mitarbeiten freundlichst die Hand, die ihm vorgesehen Rolle als Lehrling, der jetzt selbst einen solchen Schlüsselanhänger herzustellen, übersieht er glatt, stellt sich aber brav für die Fotografen als Mann mit dem Hammer hin. Das alles geschieht sicher nicht aus Dünkel. Man hatte den Eindruck, daß es nach eineinhalb Stunden für ihn anderes zu tun gibt, denn das Ausbildungsangebot seitens der Mädchen hatte er gar nicht recht mitbekommen. Die Besucher heute Abend aber können das jetzt nachholen. Es gibt viel zu tun, zu sehen, zu erleben. Man muß nur hingehen.

 

 

INFO:

Noch freie Plätze gibt es für die Führungen im Internationalen Familienzentrum und durch das Diakoniezentrum Weser5 – hierfür kann man sich bis Donnerstag, 21. August, 12 Uhr, per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! anmelden. Für die Führungen durch die Bahnhofsmission und den Silberturm von DB Systel kann man sich am Veranstaltungsabend vor Ort Karten besorgen.

Programmhefte und alle Informationen zur Bahnhofsviertelnacht bekommen die Besucher am Stand des Presse- und Informationsamtes der Stadt (PIA) im Hof der Weißfrauenschule in der Moselstraße. Hier wird es auch eine große Karte geben, anhand derer man sich einen Überblick über Programmpunkte und das Quartier verschaffen kann. Restkarten für die Führungen der Frankfurter Stadtevents gibt es am Stand von Journal Frankfurt, ebenfalls im Hof der Weißfrauenschule. Wer unterwegs wissen will, was wo los ist, kann sich per Twitter-Hashtag #bhvn8 schlaumachen.

Damit die Bahnhofsviertelnacht sicher und reibungslos stattfinden kann, werden von voraussichtlich 19 bis 24 Uhr folgende Straßen für den Verkehr gesperrt: Münchener Straße, Kaiserstraße, Taunusstraße, Niddastraße, Moselstraße, Elbestraße und Weserstraße.

Foto: © Stadt Frankfurt, Stefan Maurer