Kundgebung gegen Judenhaß, IS und Hamas auf dem Frankfurter Römerberg, Teil 4

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Ort: Frankfurt und der Römerberg war gut gewählt, weil auf der Frankfurter Zeil vor Wochen anläßlich einer Protestdemo von Palästinensern die ungeheuerlichsten Plakate den Passanten vor die Augen kamen und Sprüche vom Vergasen von Juden tönten.

 

 

Das war ein Schock. Zumindest für mich. Denn so etwas hätte ich in Deutschland 75 Jahre nach dem Ausbruch des 2. Weltkriegs und der schon lange zuvor einsetzenden Judenverfolgung, der Einrichtung von KZs und dem fabrikmäßigem Morden an den aus allen Teilen Europas verschleppten Juden in Millionenhöhe nicht für möglich gehalten. Schließlich gehöre ich zu der Generation, die in der Nachkriegszeit die Nazi-Vergangenheit Deutschlands und damit den von den Deutschen geduldeten nationalsozialistischen Terror gegen Andersdenkende, speziell gegen Juden offensiv anging und mit anderen nicht nachließ, sowohl die Strukturen, die zu solchem Unrechtsstaat führen, offenzulegen, wie auch das Personal, das mordete und morden ließ, mit Namen und Verbrechen an die Öffentlichkeit zu bringen. Daß dies unser aller Aufgabe bleibt, angesichts von noch so vielen ungesühnten Verbrechen, ist heute – so dachte ich - gesellschaftlicher Konsens.

 

Mitten in eine Situation, wo sich in den letzten Jahren Spiel- und Dokumentarfilme um genau dies kümmern (Beispiele: Ilona Zioks FRITZ BAUER-TOD AUF RATEN, DAS RADIKAL BÖSE von Stefan Ruzowitzky, bald anlaufend: PHOENIX von Christian Petzold, IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS von Guilio Ricciarelli), mitten hinein in die immer noch nötige Vertiefung, wie es in Deutschland zum Naziterror kam und warum dessen Aufarbeitung in einem, nein, zwei neuen Deutschlands so langwierig blieb, sehe ich mich erneut von Parolen bedrängt und belästigt, die ich für geschichtlich für Deutschland überholt hielt. Und eigentlich auch immer noch halte, denn außer diesen Parolen auf den propalästinensischen Demos, bekomme ich keine judenfeindlichen Äußerungen mit. Kann gut sein, daß sich mir gegenüber niemand, der mich kennt, so etwas traut. Daß man aber nicht das eigene Umfeld als ausschlaggebend halten darf, das zeigten mir Auszüge aus Internetforen mit solch heftigem und unflätigem Haß gegen Juden, daß es mir nichts mehr hilft, das ich das persönlich nicht mitbekomme.

 

Deshalb hatte Weltexpresso den Aufruf zur Teilnahme abgedruckt und deshalb waren wir auf der Veranstaltung. Zur bundesweiten Kundgebung war über die bundesweiten Netzwerke aufgerufen und eingeladen worden,was eine andere Klientel bedeutet als herkömmliche Einladungen über Plakate, Anzeigen und Ankündigungsberichte in örtlichen Zeitungen, die für diesen Sonntag unterblieben waren. Ob deshalb so viele Frankfurter fehlten? Frankfurter, deren öffentlichem Protest wir uns sicher sind. So sahen wir außer Dieter Graumann, der aber nicht für die Frankfurter Jüdische Gemeinde anwesend war, sondern als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, überhaupt niemanden von denen, die wir bei Veranstaltungen zum gleichen Thema im Saal antreffen. Und als gleichzeitig eine Einladung kam, in der die Freunde des Jüdischen Museums zu einer Abendveranstaltung am 23. September in Frankfurt zum Thema ANTISEMITISMUS einladen (folgt als fünfter Teil), erkannten wir überdeutlich, daß hier unterschiedliche Gruppen an dem wirken, was eine gemeinsame Basis braucht.

 

Wir fragten uns, ob es etwa unterschiedliche Interessen gäbe. Antisemitismus auf deutschen Straßen und in deutschen Netzen ist nicht automatisch dasselbe wie die Verurteilung der israelischen Politik, durchaus aber dasselbe, wenn die Hamas als die Guten und Israelis als die Bösen dargestellt werden. Die Gemengelage ist schwierig zu durchschauen, aber sie ist nun mal vorhanden. Auf dieser heutigen Kundgebung, das haben die Teilnehmer deutlich gemacht, ging es nur am Rande um eine innerdeutsche Debatte, es ging um öffentliches Darstellen des Bündnisses der gemeinsamen Interessen von Kurden und Israelis, das die Situation im Nahen Osten verändern will: „Isis is Hamas, Hamas is Isis“.

 

So heißt es in dem auf dem Römerberg verteilten Aufruf, verantwortlich zeichnet das Kurdische Kulturzentrum Nürnberg, unter anderem: „Helft den Kurden ihren eigenen Staat zu errichten, in dem alle religiösen Minderheiten und alle Völker friedlich und in Würde und Geborgenheit zusammen leben können. Laßt die jesidischen Kurden, die Christen und die Turkmenen im Nordirak und in Syrien nicht im Stich! Laßt einen weiteren Völkermord nicht zu. Eine schnelle Hilfe ist erforderlich!“

 

Dabei fällt uns auf und ein, daß wir über die Problematik der Kurden eigentlich immer nur in Verbindung mit der Türkei und auch Ostanatolien gelesen und mitgefühlt haben. Aber die Kurdenfrage ist eine sehr viel elementarere, die schon in Jugendtagen anläßlich von Karl Mays KURDISTAN uns grundsätzlich bekannt war. Wir haben aber niemals den Zusammenhang mit der Judenverfolgung in Europa, mit dem Judenmord der Deutschen, der Gründung des Staates Israel einerseits und dem völkerrechtlichen Wunsch nach einem KURDISTAN andererseits hergestellt.

 

Darüber müssen wir uns gründlicher informieren und auseinandersetzen. Was an diesem Nachmittag auf dem Römer passiert, das ist, daß die individuelle Kraft der nach Frankfurt gekommenen Kurden umschlägt in eine gesellschaftliche Aufforderung, daß Deutschland sich endlich in anderer Weise damit auseinandersetzen möge. Denn jetzt als Trostpflaster militärische Hilfe für die im Irak verfolgten Kurden zu leisten, hat keinerlei politische Folgerungen für die Hauptforderung der Kurden, die nach einem eigenen Staat.

 

Aufs Erste gesehen sind wir - weltgeschichtliche gesehen - sozusagen eine Etappe weiter. Nationalstaaten waren gesellschaftspolitische Favoriten des 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts und haben zu mehr Kriegen geführt als die aus allen möglichen Völkern oder Religionen zusammengestückelten alten Reiche, von denen die zwei größten gleichermaßen 1918 untergingen: das Osmanische Reich (1923 durch die Türkei ersetzt) und das Habsburgerreich, auf das das Heilige Römische Reich deutscher Nation seit seinem Ende 1806 reduziert war, als Kaiser Franz II. am 6. August die Reichskrone niederlegte. Beides Reiche, in denen nicht nur Völker friedlich zusammenlebten, sondern auch Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit.

 

Auch die Gründung Israels hat die eigentlich anachronistische Nationalstaatenpolitik fortgesetzt. Aus gutem Grund und als Notwehr, denn das Nazi-Deutschland hat seine jüdischen Deutschen vertrieben und ermordet mit dem Ziel, ganz Europa 'judenfrei' zu machen. Eine tödliche Absicht, aus der heutige Deutsche ihre Konsequenzen ziehen müssen, die auf jeden Fall in der staatlichen Daseinsberechtigung Israels liegt, wobei auch die Lebensmöglichkeiten der Palästinenser immer mitbedacht wurden, wie beispielsweise in den Siebziger und Achtziger Jahren in der politischen Linken in Israel mit der Forderung an ihre Regierung zur Zweistaatenlösung. Heute ersehnen dies auch diejenigen herbei, die damals dagegen waren, wissen aber, daß der Zug politisch wohl abgefahren ist.

 

Aus der großen Weltpolitik, die Rolle der USA wäre jetzt zum Thema zu machen, zurück zur Kundgebung, wo wir gerade dem Frankfurter Kämmerer Becker zuhören, der übrigens als nächster OB-Kandidat der CDU seinen Hut in den öffentlichen Ring geworfen hat. In seiner Rede forderte er beispielsweise, es müsse Schluß sein damit, daß europäische Fördergelder einflößen in die Organisationen und Staaten, die heimlich IS oder Hamas finanziell und mit Waffen unterstützten und eine Kopfab-Politik gegenüber Journalisten betrieben und dies noch per Kopf-ab-Videos in die Welt schickten. Insbesondere gehe nicht an, daß die übernächsten Fußballweltmeisterschaften in Qatar stattfinden sollen, wo heute statt „Tore spielen“ ein „Tote spielen“ stattfänden.

 

Richtig, dachte man sich, aber in einer Protestansprache ist das leicht zu sagen. Der Deutsche Fußballbund (DFB) sitzt ja in Frankfurt am Main und Wolfgang Niersbach, der derzeitige Präsident hat ja durch den Weltmeistertitel für die Deutschen durchaus Renommee in der internationalen Fußballgemeinschaft FIFA, die Qatar für 2022 wählte, wovon nicht wenige wissen, daß man diese Wahl als erfolgreiche Bestechung bezeichnen sollte. Was läge also näher, daß bei gesicherten Erkenntnissen der Unterstützung Qatars für den IS und Hamas die Wahl Qatars ab sofort wieder in Frage zu stellen. Dazu braucht es den Vorstoß der Stadt Frankfurt beim DFB.

 

Wir auf jeden Fall müssen - jeder für sich - dafür sorgen, daß Worte und Handlungen dicht beieinander liegen und man den Worten Taten folgen. Fortsetzung folgt.

 

FOTO: Burghard Mannhöfer