Katharina Schaaf unterrichtet an der Volkshochschule Mundart
Heinz Haber und Anja Prechl
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Bübche, Dippche und Bagage - Sprache ist Heimat. Mit ihrem Kurs „Hessisch für Hergeloffene und Eigeplackte“ an der VHS will Mundartexpertin Katharina Schaaf Interessierten die Sprache und Lebensart der Frankfurter und ihrer Nachbarn ans Herz legen.
Worzelberscht, Schubladedricker, Zeilkrischer. Ach, was gibt es im Hessischen für schöne Schimpfworte. E bissi derb, aber nie richtig bös. Reduzierte man die Mundart allerdings auf ihre Derbheit – man täte ihr unrecht „Hessisch“, sagt Katharina Schaaf und bekommt dabei einen liebevollen Blick, „Hessisch kann auch ganz zärtlich sein.“ Allein die Diminuitive, die Verniedlichungen, die der Hesse so liebt, sind ein erster Beweis. Da wird der Bub zum Bübche, der Topf zum Dippche, der Schemel zum Schawellche.
Hessisch ähnelt Französisch
Schawellche. Katharina Schaaf lässt das Wort auf ihrer Zunge zergehen. Und liefert postwendend die Erklärung, wo es seinen Ursprung hat: im Französischen. „Escabelle – der Schemel – es Schawellche“. Der Hesse bedient sich überhaupt gern bei den Nachbarn im Westen – da wird die – in diesem Fall nicht sehr willkommene – Familie zur Bagage, backt die Mutter den Sonntagskuchen nicht nach Rezept, sondern aus der Lameng – la main – also aus der Hand. Auch Wörter jüdischen Ursprungs hört man oft. „Massel gehabt“ – „Glück gehabt“. „Frankfurt ist seit Jahrhunderten Messestadt, schon immer logierten hier Gäste aus der ganzen Welt, brachten Waren und Worte mit“, sagt Katharina Schaaf.
Hessisch für alle
Katharina Schaaf, Rödelheimerin mit einem Stammbaum, der sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, kann nicht nur Hessisch sprechen. Als Philologin und Historikerin kennt sie auch die Ursprünge und Geschichten. Schauspielerin und Lehrerin ist sie obendrein. Und damit prädestiniert, anderen das Hessische ans Herz zu legen und sogar beizubringen. „Hessisch für Hergeloffene und Eigeplackte“ heißt ihr Kurs, der am 14. Oktober an der Volkshochschule Frankfurt beginnt. Im Programm findet man ihn auf Seite 160, zwischen G wie Griechisch und H wie Hindi. Hessisch als Fremdsprache?
Für Katharina Schaaf und Bernd Eckhardt, Leiter des Fachbereichs Sprachen, ist das keine Frage. Eckhardt, dem schon lange ein solcher Kurs vorschwebte, sagt: „Natürlich hätten wir ,Hessisch für Anfänger und Fortgeschrittene‘ auch bei den Deutschkursen platzieren können.“ Aber: Wie viele Frankfurter sprechen heute noch Hessisch oder Frankfurterisch – denn das ist nicht dasselbe? Und ist das Lernen seiner Vokabeln und Grammatik nicht gleichzusetzen mit dem Lernen einer Fremdsprache? „Auf jeden Fall erregt es an dieser Stelle mehr Aufmerksamkeit“, sagt Eckhardt.
Hessisch ist kein Dialekt
Und die braucht das Hessische. War es doch in den vergangenen 40 bis 50 Jahren ziemlich verpönt. Wer Hessisch babbelte, galt und gilt als wenig intellektuell. Viele setzen eine regionale Färbung der Sprache mit einem einfachen Gemüt gleich. Dabei war gerade in Frankfurt Sprache nie eine Sache des Standes, wie Katharina Schaaf weiß: „Alle, außer denjenigen, die nicht aus Frankfurt stammten, redeten so – Mutter Goethe genauso wie die Marktfrauen.“ Das eine Hessisch existiert ohnehin nicht. Man unterteilt in Ober-, Nieder- und Südhessisch, verschiedene Regionen standen zudem unter verschiedenen Einflüssen. „Da kann es schon mal vorkommen, dass man in einem Ort anders redet als im nahen Nachbardorf“, sagt Katharina Schaaf. Und belegt das prompt mit einem Beispiel aus Frankfurt. „Der Preuße sagt ,Ich habe meinen Knaben geschlagen“, der Frankfurter macht daraus ,Ich hab mei Bübche gehaache“, und der Sachsenhäuser sagt ,Hun eich mei Boibche gehaache‘.“
Hessisch von Anfang an
Katharina Schaaf ist mit mehreren Sprachen aufgewachsen. Die Eltern, beide Lehrer, sprechen Hochdeutsch. Der Vater las ihr Homers Odyssee auf Altgriechisch vor und Texte des Frankfurter Mundartdichters Friedrich Stoltze. „Ich konnte schon als kleines Kind sehr gut auswendig lernen“, erzählt sie. Die Worte blieben ohne viel Mühe in ihrem Gedächtnis haften. Katharina Schaaf studierte Geschichte, Englisch und Latein, bot schon als Studentin Frankfurt-Führungen in Mundart an, anschließend setzte sie ein Schauspielstudium in London drauf. Was kann ich, was andere nicht können, fragte sie sich nach ihrem Abschluss. Sie kann Geschichte, sie kann Sprachen und sie kann Hessisch. Katharina Schaaf kam zurück nach Frankfurt, entwickelte erste Solostücke in Mundart, hatte ein Engagement am Volkstheater. Heute sieht man sie als jungen Goethe, als Goethes Mutter, Bettine Brentano oder Marianne von Willemer auf der Bühne oder bei Führungen im Goethehaus, sie gibt Käthchen Paulus, das Äbbel-Ännche oder das Babettche aus Kelkheim.
Hessisch klingt so wunderbar
Und nun auch noch den Volkshochschulkurs. Aus ihren Führungen weiß sie, wie sehr – auch Zugereiste oder Touristen – das Hessische schätzen. Jeder kann es verstehen. „Es klingt so wunderbar“, habe eine Zuhörerin einmal gesagt. In ihrem Kurs will Katharina Schaaf mit dem Vorurteil aufräumen, Hessisch sei plump, es herausholen aus der Blödelecke, in die es in den vergangenen Jahren geraten ist. „Hessisch kann ganz fein und romantisch sein.“ Liebesgedichte wird sie mitbringen in den Unterricht, Tonbandaufnahmen, Drehbücher, aus denen die Kursteilnehmer in verteilten Rollen vorlesen. Katharina Schaaf wird verkleidet als Mutter Goethe mit ihren Schülern ins Goethe-Haus gehen und ein andermal mit ihnen eine Apfelweinwirtschaft besuchen, wo die Teilnehmer auf Hessisch ihre Bestellung abgeben sollen, so wie man das in anderen Sprachkursen auch macht.
Hessisch verbindet
„Einfach mal selbst reden“, ist Katharina Schaafs Tipp für mehr Hessisch im Alltag. Tatsächlich könnten es nämlich viel mehr Leute als man meine. Natürlich könne man damit nicht immer punkten – bei einem Vorstellungsgespräch zum Beispiel. „Aber wenn das Gegenüber Hessisch spricht und man in der gleichen Sprache antwortet, zeigt man – du und ich, wir haben etwas gemeinsam.“ Eine Sprache sprechen verbindet. Zwei Sprachen zu beherrschen, verändere das Denken, meint Katharina Schaaf. Sprachwissenschaftler halten es für bedenklich, Kindern ihren Dialekt oder ihre Mundart auszutreiben. Vielmehr ist man heute der Ansicht: Wer im Kindesalter Hochdeutsch und seine Regionalsprache spricht, tut sich später leichter beim Lernen einer Fremdsprache. Für Katharina Schaaf klingt Hessisch nach Heimat. Und die will sie ihren Kursteilnehmern über die Mundart näherbringen.
Foto: Stefan Maurer Presse-und Informationsamt der Stadt Frankfurt